Seit Jahrhunderten beliebt, über Generationen vererbt, von der UNESCO ausgezeichnet: Die Pinzgauer Festtagstracht verbindet Jung und Alt, begeistert durch ihren wunderschönen Anblick und erfordert höchste handwerkliche Fähigkeiten.
Das Bergbau- und Gotikmuseum Leogang ist genau der richtige Ort für unser heutiges Treffen. In der geschichtsträchtigen Stätte erwarten mich Schneidermeisterin Christine Eberl, Gründer und Ehrenobmann des Museums Hermann Mayrhofer und der aktuelle Kustos Andreas Herzog. Gemeinsam haben sie es geschafft, dass der Garnierspenzer in die Liste des immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen wurde und die feierliche Verleihung dieser Auszeichnung in Leogang stattfinden konnte. Den Anstoß für die Einreichung gab Christine Eberl gemeinsam mit Sandra Thaier, ebenfalls Schneidermeisterin, die zusammen bereits seit Jahrzehnten am Erhalt der Tracht arbeiten und diese mit all ihren Details kennen, schätzen und lieben.
Ein Lebensgewand
Denn die Pinzgauer Festtagstracht ist ein Lebensgewand. Der Garnierspenzer sowie das Steppmieder begleiten die Trägerin bei allen festlichen Anlässen wie Hochzeiten, kirchlichen Festen im Jahreskreis und Beerdigungen. Erste Erwähnungen der Festtagstracht gehen bis ins 17. Jahrhundert zurück, seit etwa 1850 ist das Kleidungsstück bildlich nachgewiesen. In weiten Teilen des Landes wird der Garnierspenzer auch Überrock genannt.
Die komplette Tracht besteht aus bis zu acht Einzelteilen. Die Anfertigung der reich verzierten Garnierspenzer und Steppmieder erfordert die höchsten handwerklichen Fähigkeiten. Im Pinzgau ist die Auszier des Garnierspenzers besonders prächtig und aufwändig. Aus Seide werden Blumen von Hand genäht, zusammengesetzt und mit Perlen verziert. Der Überrockärmel wird nach einer vorgedruckten Papierschablone von Hand Stich für Stich gestochen und dadurch aufwändig gezogen. Das Plissee, das sind die schmalen Fältchen am Ausschnitt, wird meist mit einem einseitigen Passepoil abgeschlossen. Der Garnierspenzer wird mit dem Hut kombiniert und dazu die Kropfkette getragen. Die Farbe der Schürze und des Brusttuches richten sich nach dem jeweiligen Anlass: zu Beerdigungen werden dunkle Farben getragen, ansonsten kommen frohe Farben zum Einsatz.
140 Arbeitsstunden für einen Überrock
Christine Eberl macht pro Jahr nur einen Überrock, da der Arbeitsaufwand 140 bis 150 Stunden beträgt. Besonderes Augenmerk legt sie auf die Renovierung generationsübertragener Gewänder. Hinter vielen Festtagstrachten verbergen sich Geschichten: von Frauen, die das Kleidungsstück von ihrer Großmutter geerbt haben oder auch von jungen Damen, die sich auch heute noch zur Hochzeit einen Überrock machen lassen und sich darin stolz und pudelwohl fühlen. Viele Überröcke sind tatsächlich schon 140 Jahre alt und wurden von Frau zu Frau weitergeben, an die jeweilige Größe angepasst und vielleicht mit dem ein oder anderen gerade modischen Detail versehen. Früher bedeutete für die Bäuerin die Anschaffung des Spenzergewandes eine einmalige Investition, die zur Hochzeit getätigt wurde und sie dann als Sonntags- wie auch Feiertagstracht das ganze Leben lang begleitete.
Auch Hermann Mayrhofer betont die soziale Funktion des Überrocks, dessen Anblick alle Feste aufwertet und Frauen mit Stolz und Zugehörigkeitsgefühl erfüllt und somit auch kulturelle Identität glaubwürdig vermittelt. Waren es eine Zeitlang bei uns ausschließlich Bäuerinnen und Bürgersfrauen, die im Überrock zu kirchlichen Festen ausrückten, tragen jetzt immer mehr Frauen aus verschiedenen Gesellschaftsschichten Garnierspenzer oder Steppmieder.
Miederverliebt
Gerade das Steppmieder hat es den beiden Schneidermeisterinnen angetan, ermöglicht es doch eine Vielfalt an Kombinationen von Oberteil, Rock und Schürze. Im Gegensatz zum Überrock werden bei der Verarbeitung des Mieders mithilfe einer Tapezierernadel Schnüre in die gesteppten Musterlinien Rippe für Rippe eingezogen. Blüten und Blätter werden mit Schafwolle ausgestopft oder mit reinseidener Knopflochseide ausgestickt.
Bereits in der Antike trugen Frauen Mieder und es hat auch heute noch nichts von seiner Attraktivität verloren. Es lässt sich traditionell, aber auch modern tragen. Ob für Hochzeiten, einen Theaterbesuch oder eine Taufe – das Mieder besticht durch seine Vielfältigkeit und ist gerade deshalb sowohl am Land als auch in der Stadt sehr beliebt.
„Eine Augenweide“
Zurück zum UNESCO-Kulturerbe. Die Zuerkennung durch die Kommission fand am 4. November 2021 in Wien statt. Die Verleihung ereignete sich coronabedingt aber erst im Juli 2022 in Leogang. Zu diesem Anlass standen am Eingang des Museums etwa 75 Frauen im Garnierspenzer Spalier. „Der Anblick war eine Augenweide. Gänsehaut pur. Es war ein Festakt der besonderen Art. Aus allen Nachbargemeinden kamen die Frauen, um mit den Leogangerinnen die Schönheit der Tracht zu feiern“, schwärmt Museumskustos Andreas Herzog.
Parallel zum 100-Jahr-Jubiläum der Katholischen Frauenbewegung Leogang (kfb) gestalteten die Frauen eine Ausstellung im Bergbau- und Gotikmuseum Leogang. Bilder davon sind aktuell in der Landesausstellung in Salzburg zu sehen.
Pinzgau reich an Kultur
Die Aufnahme des Garnierspenzers samt Steppmieder und Hut in das immaterielle Kulturerbe schützt dieses Kulturgut vor dem Aussterben. Im Pinzgau haben es noch weitere Kulturgüter auf die Liste der immateriellen Kulturgüter der UNESCO geschafft: das Heilwissen der PinzgauerInnen (TEH), das legendäre Hundstoaranggeln, der Pinzgauer Tresterertanz und das Klöppeln.