Im SalzburgerLand tragen Frauen jeden Alters Dirndlkleid mit einer Selbstverständlichkeit und einem Selbstbewusstsein, die so manchen erstaunt. Die Tracht gehört hier zum guten Ton – beim Kaffeehausbesuch ebenso wie bei den Salzburger Festspielen oder beim Bauernherbst. Woher aber kommt dieses innige Verhältnis der Salzburgerinnen und Salzburger zum ländlichen Gewand? Eine Institution, die seit Jahrzehnten die Liebe zur Tracht schürt und die Wertschätzung ländlichen Handwerks hochhält, ist das Salzburger Heimatwerk. Und das präsentiert sich nach einer 6-monatigen Umbauphase im Frühling 2024 im neuen Gwånd!
Aus den Nüstern der barocken Rösser des Residenzbrunnens spritzt das Wasser in Fontänen. Die Marmorfassade des Doms scheint in der Herbstsonne zu leuchten und es ist einer dieser Prachttage in Salzburg, an dem man das einzigartige Flair der Stadt beinahe physisch zu greifen bekommt. Menschen flanieren in kleinen Grüppchen über den Platz und hoch über dem Dach der Neuen Residenz erklingt Punkt 11 Uhr das historische Glockenspiel. Unter dem Dach findet sich mit dem Salzburger Heimatwerk eine Adresse, die sich perfekt in das Selbstverständnis der Stadt einfügt: Hier haben die Tracht, die Tradition und das Brauchtum seit vielen Jahrzehnten einen Ort, an dem sie geehrt, aber auch lebendig gehalten werden. Hier haben der ländliche Lebensstil und seine Produkte ihren Platz in der Stadt.
Eine Stoffvielfalt, die sich sehen lassen kann
Mit rund 1.500 Stoffen verfügt das Heimatwerk über die größte Auswahl an Trachten- und Naturstoffen in Österreich: Wer auf der Suche nach einem Dirndl-, Schürzen- oder Blusenstoff ist, findet hier eine unvergleichliche Vielfalt vor. Und weil die Wahl angesichts von Seide, Taft, Leinen, Loden und Baumwolle, Mustern, Drucken und Farben gar nicht einfach ist, stehen versierte Verkäuferinnen und Schneiderinnern hinter dem Verkaufstisch, die mit ihrer Erfahrung und ihrem Wissen unterstützend unter die Arme greifen. Das 13-köpfige Team wird von einer Frau geführt: Gundi Schirlbauer ist im Dezember 2021 als Geschäftsführerin in große, „männliche“ Fußstapfen getreten.
Erster Geschäftsführer nach Gründung der Genossenschaft „Salzburger Heimatwerk“ im Jahr 1946 war Tobias Reiser der Ältere, der im selben Jahr auch das berühmte Salzburger Adventsingen ins Leben rief. Ihm folgte im Jahr 1974 Tobias Reiser der Jüngere und im Jahr 2000 Hans Köhl, der auch die künstlerische Leitung des Salzburger Adventsingens übernahm. Diese drei Männer haben nicht nur das Heimatwerk, sondern auch die Brauchtumsszene im SalzburgerLand wesentlich und über Jahrzehnte mitgeprägt. Für Gundi Schirlbauer ein spannendes Erbe, aber auch ein Auftrag: „Das Heimatwerk hat den Anspruch, Brauchtum, Tradition und Tracht lebendig zu halten und das bedeutet vor allem, am Puls der Zeit zu bleiben. So weiß man, dass in Regionen, in denen die Tracht nicht weiterentwickelt wird, diese von jungen Menschen nicht mehr getragen wird. Bei uns ist das anders. Wir achten sehr genau darauf, dass bestimmte Schnitte oder Verzierungen beibehalten werden, aber die Kleidungsstücke dürfen auch mit der Zeit gehen. So variieren etwa Rocklängen oder Farben.“
Tradition und Entwicklung
Zuhause kann sich jeder schneidern, was er möchte, im Salzburger Heimatwerk aber wird das Erbe gepflegt – diese Verpflichtung zum Erhalt, zur Pflege und zur Weiterentwicklung überlieferter Traditionen ist sogar in den Statuten der Genossenschaft festgehalten. Ein wahrer Fundus dabei ist die 2014 neu aufgelegte „Salzburger Trachtenmappe“, die zugleich als Gebrauchsanweisung verstanden werden kann. Sie umfasst Vorlagen für Salzburger Männertrachten, Salzburger Alltagstrachten sowie Festtagstrachten. Bei den Alltagstrachten etwa findet sich das „Seekirchner Gwandl“ aus dem Salzburger Seenland, das „Lungauer Tauerngwandl“ oder das „Habachtaler Dirndl“: Sie alle weisen bestimmte Details wie Ausschnittsformen, Mieder, Schnürungen, Teilungsnähte oder Verzierungen auf, die ein wichtiger Bestandteil des Gewandes sind und nicht verändert werden sollten.
Wo das maßgeschneiderte Dirndlgwand entsteht
Gabriela Gastelsberger ist seit 30 Jahren Schneidermeisterin im Salzburger Heimatwerk und hat gemeinsam mit ihren Lehrlingen zig Dirndlkleider geschneidert. Im ersten Stock des Heimatwerks befindet sich ihr Reich, in dem die Wunschdirndln entstehen. „Für ein maßgeschneidertes Dirndlkleid benötigen wir rund 13 Stunden“, so Gabriela Gastelsberger, die selbst gut 60 Dirndlkleidl im Schrank hängen hat. „Für eine kostbare Goldhaubentracht sind wir zwischen 45 und 50 Stunden beschäftigt.“ Blickt man der Schneidermeisterin bei ihrer Arbeit über die Schulter, wird einem bewusst, wieviel Detailverliebtheit, Können und Geduld für diese Arbeit notwendig ist. Die Kundinnen danken es mit Briefen und Fotos, aus denen die große Freude über die maßgeschneiderten Unikate aus dem Salzburger Heimatwerk spricht.
Neben der Schneiderwerkstatt bringt das Salzburger Heimatwerk zwei hauseigene Kollektionen pro Jahr heraus, dazu noch ein Festspieldirndl und ein Dirndl zum Rupertikirtag. Zudem finden sich ausgewählte Produkte – von Hüten über Strickwaren bis hin zu sämisch gegerbten Lederhosen – von Herstellern aus dem Alpenraum im Sortiment. Und auch zahlreiche handwerkliche Produkte gibt es im Heimatwerk, das nach wie vor als Non-Profit-Unternehmen geführt wird: Mantelkerzen mit Blüten, Tischtücher aus Leinen und Blaudruck, handgefertigte Ohrringe aus dem Salzkammergut bis hin zu Salzburger Gewürzsträußen.
„Die Heimatwerke wurden Anfang des 20. Jahrhunderts in zahlreichen europäischen Ländern gegründet, um den handwerklichen Arbeiten der ländlichen Bevölkerung eine Plattform zu bieten und die wirtschaftliche Situation auf dem Land zu verbessern“, erklärt Gundi Schirlbauer. „Dieser Gedanke ist heute zeitgemäßer denn je, denn zum Glück gewinnen Regionalität und heimisches Handwerk wieder zunehmend an Bedeutung. Im Salzburger Heimatwerk findet sich all das und so tragen wir wesentlich zum Erhalt von Brauchtum und Volkskultur bei.“
Angesichts dieser hohen Ziele erscheint es nur angebracht, dass das Heimatwerk seine Adresse an einem der schönsten Plätze in der Salzburger Altstadt hat. Und auch wenn man bisher noch keinen Gedanken an ein neues Dirndl verschwendet hat, kann sich das nach einem Besuch im Salzburger Heimatwerk schnell ändern. Die Tracht verführt zum Tragen – und das ist doch ein wunderschöner Anstoß, um die Traditionen zu pflegen.