Langsam geht die Küchentür auf und Paul und Kaspar stecken ihre verschlafenen Gesichter herein. „Guten Morgen“, grüßt der größere der beiden Brüder höflich. „Wir würden jetzt gerne die Milch holen.“ Maria Haym springt auf: „Aber natürlich, guten Morgen ihr Zwei. Ich hab sie schon abgefüllt.“ Die junge Bäuerin eilt in den angrenzenden Raum, holt eine Flasche frisch gemolkene Milch und drückt sie Paul in die Hand. „Lasst sie euch schmecken und habt einen schönen Tag.“
Fast hätte sie in der Aufregung des Morgens auf die Milch vergessen, die die Gäste in der Ferienwohnung des Untersulzberghofes so lieben. Sie kommt frisch von den 38 Milchkühen, die bei Familie Haym im Stall stehen: Wunderschöne Pinzgauer Rinder mit dunkel-glänzendem Fell, ein paar Fleckvieh und eine Kreuzung aus Red Holstein und Pinzgauer, die die Milchleistung noch etwas steigern sollen. Heute Morgen kam das erste Kalb in diesem Herbst zur Welt: putzig, gesund und munter, wie es sein soll. Aber zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt, denn – wie alle zwei Jahre – wird gerade der große Almabtrieb für den Bauernherbst organisiert.
Auf dem Untersulzberghof ist von September bis Dezember Geburtszeit im Stall. Zuvor haben die meisten Tiere den Sommer auf der hofeigenen Tauernkarleitenalm verbracht und die Sommerfrische auf 1.600 Meter Seehöhe genossen. „Die Zeit auf der Alm ist für die Kühe wie eine Gesundheitskur, die enorm wichtig ist für ihre Fitness“, erklärt Andreas Haym. „Auch wenn die Milchleistung während dieser Zeit etwas abnimmt, gehört es für uns und die Kühe einfach dazu, dass sie im Sommer auf die Alm gehen. Zudem sind die Kühe wichtig, um die Alm als Kulturraum zu erhalten. Ohne sie würden die Wiesen zuwachsen und über kurz oder lang verschwinden.“ Sind die Kühe auf der Alm, werden sie dort oben gemolken. Die Milch wird jeden zweiten Tag abgeholt und an die SalzburgMilch in der Stadt Salzburg geliefert. Ein aufwändiges Unterfangen, das sich aber für alle Seiten lohnt. Dann ist es auch auf dem Bauernhof im Tal einmal etwas ruhiger, sodass sich die junge Familie Haym voll und ganz um das Wohl ihrer Gäste kümmern kann: Zwei Appartements und zwei Zimmer befinden sich unter dem Dach des wunderschön gelegenen Hofes, der sich seit einigen Jahren sogar „Erbhof“ nennen darf. Darauf sind Andreas und Maria besonders stolz.
„Während unserer Hochzeitsvorbereitungen vor fünf Jahren haben wir herausgefunden, dass sich unser Hof nun seit über 200 Jahren im Besitz unserer Familie befindet: Diese Zeitspanne ist Voraussetzung dafür, dass man den Titel Erbhof erhält“, erzählt Andreas Haym. „Die Verleihung des Titels ‚Erbhof‘ war eine echte Überraschung für meine Eltern, die nichts davon wussten, dass wir im Hintergrund recherchiert haben. Für uns Jungbauern hingegen ist es ein Ansporn, die Tradition und das Erbe des Hofes weiterzuführen. Auch im Hinblick auf unsere Kinder Maximilian und Theresa.“ Maria Haym stammt aus der Nachbargemeinde Altenmarkt, sie ist gelernte Kindergartenpädagogin. In die Rolle der Bäuerin ist sie schnell hineingewachsen: Sie genießt das Aufwachsen ihrer Kinder, die Arbeit mit den Kühen und den Kontakt zu den Gästen. Die Tage sind gut gefüllt und bei aller Routine gibt es dennoch genügend Abwechslung: So etwa ist das große Brotbacken im alten Backhäusl ein echtes Erlebnis für die Feriengäste. Die 56 Laibe reichen gerade einmal, um die Hof- und Almgäste für eine Woche zu versorgen.“
Schon seit 1923 werden auf dem Untersulzberghof Zimmer vermietet. Andreas Vater Konrad erzählt davon, wie die ersten Gäste – damals aus Wien – immer drei Wochen zur Sommerfrische geblieben sind. Heute bleiben die Gäste kürzer, dafür kommen sie aus der ganzen Welt – aus Österreich, Deutschland, Tschechien, den Niederladen oder Israel. Den meisten gefällt es so gut, dass es nicht bei einem Mal bleibt. Vergangenen Dezember feierten Stammgäste „30 Jahre Urlaub auf dem Untersulzberghof“. „Vor allem die Kinder lieben unsere Tiere – die Kühe, die zwei Pferde, die Hasen, Katzen, Ziegen und Hühner. Es ist etwas Besonderes, wenn sie die Frühstückseier selbst aus dem Hühnerstall holen dürfen oder die Marmelade von den eigenen Zwetschken stammt“, erzählt Maria Haym. „Urlaub auf dem Bauernhof bedeutet Freiheit pur: Wenn die Kinder nach einer langen Anreise aus dem Auto springen, fangen sie sofort zu rennen an. Viele sind das von daheim gar nicht mehr gewöhnt.“ Und so sind die Tage für Urlaubsgäste vor allem eines: entspannt und dennoch abwechslungsreich. Im Sommer lädt der Garten zum Spielen und Grillen ein und dann müssen natürlich auch die hofeigenen Kühe auf der Tauernkarleitenalm besucht werden.
Der alle zwei Jahre stattfindende Almabtrieb bildet das traditionsreiche Finale des Almsommers und den Höhepunkt des Salzburger Bauernherbstes in Radstadt. Viele Monate dauern die Vorbereitungen. Vor allem die Herstellung des Schmuckes, mit denen die Kühe „aufgekranzt“ werden, ist nach wie vor Handarbeit, die von Maria Haym gemeinsam mit ihren Schwiegereltern übernommen wird. Am zweiten Septemberwochenende ist es dann soweit: Die Milchkühe des Untersulzberghofes und eines weiteren Auftreibers werden die ganze Strecke vom Tauern ins historische Städtchen Radstadt getrieben. 22 Kilometer legen Kühe und Treiber in rasantem Tempo zurück, denn die Kühe sind übermütig und voll Vorfreude, wieder nach Hause zurückzukehren. Der Verkehr auf dem Radstädter Tauern wird angehalten, die Kühe haben nun „Vorfahrt“ und werden in Radstadt von bis zu tausend Besuchern freudig begrüßt und bejubelt. Auch Paul und Kaspar sind mit ihren Eltern dabei: Was für ein aufregender Tag am Ende ihrer Ferien.
Nach einem kleinen Schaulaufen der Kühe durch das mittelalterliche Ortszentrum von Radstadt geht es dann weiter zum Untersulzberghof, wo die Kühe versorgt und die Besucherschar mit feinsten Schmankerln verköstigt werden. Nach diesem langen und anstrengenden Tag des Almabtriebs sitzt Familie Haym dann erschöpft, aber glücklich in der Küche und weiß, was sie geleistet hat. Der Tradition zuliebe, aber auch weil es ihnen am Herzen liegt, dass ihre Kinder so aufwachsen, wie es Generationen am Untersulzberghof getan haben.
Bauernherbstliche Rezepte vom Untersulzberghof zum Almabtrieb
- Hoamfohrkrapfen – Mehlspeise aus Germteig mit Weinbeerl’n (Rosinen)
Zutaten für den Germteig:
1 kg Mehl
½ Tl Salz
1/2 l Vollmilch
4 Eier
100 g Zucker
100 g Butter
1 Packung Germ (42 g) oder 2 Packungen Trockenhefe
Rum
1 Packung Vanillezucker
Zitronenabrieb
Butterschmalz
Zutaten für die Fülle:
250 g Weinbeeren (Rosinen), Rum, Zimt und Zucker
Weinbeeren mit Rum, Zucker und Zimt vermischen und über Nacht ziehen lassen.
Zutaten für die Eiermasse für die Fransen:
2 Eier, 1 Tl Mehl, etwas Salz, Rum;
Butterschmalz zum Backen, Staubzucker zum Bestreuen.
Für die Eierfransen die Eier mit Mehl, Salz und Rum in einer Schüssel gut verrühren.
Zubereitung:
Für das Dampfl einen Teil der Milch leicht erwärmen, mit dem Germ und etwas Zucker und Mehl vermischen und gehen lassen.
Die übrige Milch ebenfalls erwärmen, Zucker, Vanillezucker, Zitronenabrieb, Rum, Salz und die zerlassene Butter dazugeben. (Achtung: Nicht zu heiß werden lassen!)
Das Dampfl, das Milchgemisch und die Eier mit dem Mehl vermengen und den Germteig mit einem Holzlöffel glatt schlagen bis er Blasen wirft. Sollte der Teig zu fest sein, kann man noch etwas Milch dazugeben.
Man lässt den Teig an einem warmen Ort zugedeckt rasten, bis sich sein Volumen verdoppelt hat. Nun sticht man esslöffelgroße Portionen aus, schleift sie mit der hohlen Hand und lässt sie zugedeckt nochmals aufgehen. Dann drückt man den Teig auseinander und gibt in die Mitte mit einem Löffel die Weinbeeren und klappt sie zusammen. Die Krapfen wieder gehen lassen, dann schwimmend in Butterschmalz herausbacken und auskühlen lassen.
Die ausgekühlten Krapfen einzeln in die Eiermasse tauchen, in dem Fett ein Gitter einlaufen lassen, Krapfen in die Mitte der Eiermasse legen, umdrehen und auf der anderen Seite fertig backen. Die ausgekühlten Krapfen mit Staubzucker bestreuen.
- Schnuraus – Ein spezieller Lebkuchen zum Almabtrieb
Zutaten:
90 dag Roggenmehl
50 dag Weizenbrotmehl
4 Tl Natron
10 Eier
1 kg Rohzucker fein
30 dag Honig
2 Packerl Lebkuchengewürz
Zitronenabrieb
1 Ei zum Bestreichen
Zubereitung:
Eier, Zucker, Honig, Lebkuchengewürz und Zitronenabrieb mit dem Mixer gut verrühren. Mehl mit Natron vermischen und alles gut durchkneten. Den Teig einen Tag rasten lassen.
Am nächsten Tage den Teig 3 mm dünn auswalken, auf ein Blech legen, mit Ei bestreichen und bei auf mittlerer Schiene ca. 15 Minuten backen (190°C Ober- und Unterhitze).
Wenn der Teig fertig gebacken und warm ist, in kleine würfelige Stücke schneiden.
Der Schnuraus ist fertig!