Hoch über dem traditionsreichen Schloss Kammer in Maishofen – ein wenig unter dem Gipfel der Schwalbenwand – dort liegt auf einer freien, grünen Almfläche die kleine Kammereggalm, hineingeschmiegt in die Landschaft, als würde sie schon immer dort stehen. Dunkle Holzschindeln und eine kleine hölzerne Terrasse, Rauch aus dem Kamin und eine unglaublich bunte Blumenpracht – das erwartet die Wanderer nach einem etwa eineinhalbstündigen Aufstieg vom Wanderparkplatz beim Schloss Kammer.
Luxus gibt es hier auf der Kammereggalm nicht, aber es ist alles da, was man braucht: herrliche Aussicht auf die sanften Hügel der Pinzgauer Grasberge, frische Bergluft, eine kleine Sonnenterrasse und eine Wirtin, die ein echtes Original ist. Lisl Heugenhauser kommt im Sommer Tag für Tag mit dem alten Almauto über die gewundene Forststraße hinauf auf ihre Kammereggalm. Seit 20 Jahren bewirtet sie hier Wanderer und Mountainbiker, die von Maishofen zu ihr heraufkommen. Unverbogen, ehrlich und direkt. Viele, die hier einkehren, sind längst Stammgäste, die ihre „Lisl“ genau deswegen lieben. Und wegen ihrer Kasnockn, wie mir Freunde verraten haben: „Die Lisl macht weitum die besten Kasnockn.“ Die muss man allerdings vorbestellen, denn Lisl kocht auf dem alten Holzofen in ihrer kleinen Almküche ganz ohne Strom. Auch das Servieren und Abräumen der Terrassentische, das Ausschenken und ein wenig Hoagaschtn mit den Gästen erledigt die ehemalige Bäuerin aus Haid bei Saalfelden ganz nebenbei und ohne Hilfe.
Barfuß auf die Alm
In diese Almidylle setzte vor einigen Jahren der Saalfeldner Filmemacher David Herzog einen (nackten) Fuß. Gemeinsam mit seiner Frau Barbara wanderte er barfuß auf die Schwalbenwand und kehrte bei Lisl Heugenhauser ein. Er erklärt: „Ich war früher Langstreckenläufer, aber meine Knie machten mir Probleme. Ich bekam den Tipp, barfuß wandern zu gehen und wurde dadurch wieder fit. Aber natürlich war es für viele ein ungewohnter Anblick – ein Wanderer ohne Schuhe.“ So wurde er auf der Kammereggalm von deutschen Gästen lachend angesprochen, ob er sich denn keine Schuhe leisten könne. Wirtin Lisl stellte sich an seine Seite und meinte lapidar: „Früher sind wir in Monaten ohne R sowieso immer barfuß gegangen!“ Diese Solidarität mit dem schuhlosen Filmer und der folgende Hoagascht war der Beginn einer Freundschaft – und letztendlich der Grundstein für ein erfolgreiches Filmprojekt.
Der ehemalige Bildregisseur und Kameramann ist heute als Mitarbeiter des Mozarteums in Salzburg verantwortlicher Programmierer für die Digitalisierung der Werke Mozarts. „Ich sorge bei meiner Arbeit dafür, dass diese berühmten Melodien für die Ewigkeit digital konserviert werden. Dieser Job bindet mich an vier Wände – aber viel lieber bin ich draußen unterwegs. Und nach dem Kennenlernen mit Lisl zog es mich hinauf auf diese wunderbare Alm mit ihrer einmaligen Wirtin.“
Mit 85 hör ich auf
Immer wieder mal besuchte der Filmer also die Lisl auf der Kammereggalm. „Das ist mein letzter Sommer auf der Alm!“ – verkündete die Hüttenwirtin dabei einige Male und fügte abschwächend hinzu: „Aber spätestens mit 85 Jahren hör ich auf!“ Das war die kreative Initialzündung für David Herzog, der beschloss, die Hüttenwirtin bei ihrem vermeintlich letzten Almsommer mit der Kamera zu begleiten. Ursprünglich gemeinsam mit Filmer Hans Fuchs als größeres Projekt geplant, verschlankte Corona die Dreharbeiten auf ein Soloprojekt von David Herzog. Einen Sommer lang – vom Aufsperren im April, bis zum Zusperren im Oktober – war der Filmemacher immer wieder zu Besuch bei Lisl und dokumentierte das Almleben. Ausgerüstet mit einer kleinen Profikamera von Hans Fuchs entstanden einzigartige Aufnahmen, mit denen David Herzog diesen letzten Sommer für die Ewigkeit festhalten wollte. Wie ein Schatten folgte er dabei der Wirtin bei ihrer Arbeit. Authentisch, nah und ganz ohne Filter. Aus diesem Zeitdokument entstand der Film „Mein letzter Sommer ?“ „Das Leerzeichen zum Fragezeichen ist gewollt und bewusst gesetzt, es symbolisiert das Zögern der Wirtin, das Almleben ganz aufzugeben,“ meint David Herzog.
Erfolgreicher Film
Seit 2023 läuft David Herzogs Film nun im SalzburgerLand – und bislang war jede der rund 20 Vorstellungen restlos ausverkauft. Ein begeistertes Publikum erlebt in 65 Minuten auf der Leinwand Lisls Almsommer auf der Kammereggalm mit. Stille Momente, atemberaubende Landschaftsbilder, Dialoge zum Schmunzeln und Nachdenken. „Eine kurze Auszeit, als ob man selbst im Almsommer wäre“, beschreiben begeisterte Besucher ihr Kino-Erlebnis nach Standing Ovations.
Prägender Almsommer
Die Arbeiten zum Film haben auch das Leben von David Herzog ordentlich umgekrempelt, wie er meint: „Mich begeistert nachhaltig Lisls echte Zufriedenheit – da ist nichts Aufgesetztes. Ich habe das Gefühl sie schon ewig zu kennen. Gemeinsam sind wir auf der Bühne gestanden – bei der Filmpremiere, bei zahlreichen Vorführungen und Filmgesprächen. Und immer war Lisl ganz Lisl – bescheiden, ehrlich und direkt. In den stillen Momenten auf der Alm, in ehrlichen Gesprächen und auch dem Schweigen, ist mir vieles bewusst geworden. Früher habe ich viel dafür getan, um mir zu beweisen, dass ich etwas kann. Heute ist mir klar, dass man nicht alles können muss – aber das, was man tut, sollte man gut machen. Und man darf dabei auch mal stehenbleiben und Erfüllung finden. Inspiriert von Lisls Almsommer habe ich nach diesem Filmprojekt zu komponieren begonnen. Heute spaziere ich mit meiner Frau Barbara immer noch gern die vielen Kehren über den schattigen Forstweg von Schloss Kammer hinauf zu Lisl und meist sind wir die Letzten, die beim Sonnenuntergang diese wunderschöne Alm verlassen. Und ich hoffe natürlich, dass Lisl trotz ihrer jetzt 85 Jahre noch den einen oder anderen Sommer auf der Alm dranhängt.“