Es war einmal ein Medizinstudent …
Tracys Plan war es immer, in den Bergen zu leben. Deshalb zog es ihn für seine Facharztausbildung zum Anästhesisten und Intensivmediziner vom Flachland in der Mitte der USA nach Denver, Colorado. Er lernte seine spätere Ehefrau kennen, eine Österreicherin, sie heirateten und bekamen zwei Kinder. 2009 stand für beide fest, dass es eine Veränderung brauchte: Sie wollten es ihren Kindern ermöglichen, einen deutschsprachigen Kulturkreis kennenzulernen und beschlossen, für einige Jahre nach Österreich zu ziehen.
Die Wahl fiel auf Innsbruck, und bereits nach einem halben Jahr stand für Tracy fest, dass sie bleiben würden: „Ich habe zweimal als Fahrer an der Transalp-Challenge teilgenommen und war schon durch diese Erlebnisse in Österreich verliebt. Nach den ersten sechs Monaten, in denen wir in Tirol gewohnt haben, war uns klar, dass wir nicht mehr in die USA zurückgehen. Ich hatte bereits gewusst, dass Österreich super zum Radfahren ist. Aber was ich nicht bedacht hatte: Es ist auch für Familien mit Kindern schön hier, vor allem was die Lebensqualität betrifft.“
Der Entschluss, sich permanent in Österreich anzusiedeln, war gefasst. Es stellte sich für Tracy nur noch die Frage: „Ok, was mache ich jetzt? Ich war eine Zeit lang mit der Nostrifikation meines Medizindiploms beschäftigt. Das war ein riesengroßer, langer Papierkrieg. Neben dem Radfahren war auch Fotografieren meine Leidenschaft. Also habe ich erstmal angefangen, als Berufsfotograf zu arbeiten und kam dabei unter anderem mit einem Mountainbike-Guide zusammen. Da habe ich mir schon gedacht, dass auch dieser Job etwas für mich sein könnte.“
2015 übersiedelte Tracy mit seiner Familie nach Mittersill und war dort fünf Monate lang im Tauernklinikum tätig. Aus diversen Gründen war es für ihn dann nicht möglich, seinen medizinischen Beruf weiter auszuüben. Also entschied er sich für die Mountainbike-Guide-Ausbildung. Das war der erste Schritt in seiner beruflichen Evolution, wie er seine Karriere gern bezeichnet.
Von kleinen und großen Erfolgen
In Mittersill stellte Tracy bald fest, dass das Freizeitangebot für seine Kinder und deren Freunde noch ausbaufähig war: „Die Kinder waren zu groß für den Spielplatz, aber zu klein, um selbstständig oder außerhalb des Gemeindegebiets unterwegs zu sein. Da kam mir die Idee mit dem Pumptrack für alle, die sich bewegen und einfach Spaß haben möchten – an der frischen Luft, ohne Handy und fernab vom Computer- oder Fernsehbildschirm.“
Auch wenn er selbst von seiner Idee überzeugt war, musste er diese im nächsten Schritt der Gemeinde schmackhaft machen. Er zeigte Videos aus seiner Heimat, um zu verdeutlichen, wie vielseitig Pumptracks im Training einsetzbar sind: für Bikes, Skateboards oder Roller Blades. Und natürlich auch, welch ausgezeichnetes Angebot die Pumptracks für die Mittersiller:innen sind. Vom ersten konstruktiven Gespräch bis zur Fertigstellung vergingen rund zehn Monate, in denen Tracy eng mit der Gemeinde Mittersill zusammenarbeitete.
Der Pumptrack wurde im August 2018 feierlich eröffnet. Im Mai 2019 fanden schließlich die Qualifikationen für die Red-Bull-Weltmeisterschaft in Mittersill statt. Und das sind bei weitem noch nicht alle Erfolge, auf die Tracy mit Stolz zurückblickt. Er hat die Sektion Radsport des Sportclubs Mittersill gegründet und trainiert regelmäßig rund 50 junge Biker:innen. Zudem entwickelte er ein spezielles Langzeit-Mietprogramm:
Die meisten Familien können sich Bikes um 2.000 oder 2.500 Euro nicht leisten. Deshalb kaufe ich die Räder, und die Kinder bekommen die Bikes zur Langzeitmiete. Aktuell habe ich 30 Räder im Programm. Wenn die Kids das nächstgrößere Rad brauchen, können sie es ganz einfach gegen das aktuelle Rad eintauschen. Ein Rad im Wert von 2.000 Euro kostet zum Beispiel 50 Euro im Monat. Das ist leistbar.
Ein geregelter Tagesablauf? Fehlanzeige! Tracys beruflicher Alltag ist äußerst abwechslungsreich. Er arbeitet als Guide, hat Verträge mit verschiedenen Gemeinden und ist als Platzwart beim Pumptrack im Einsatz. In Zusammenarbeit mit dem Tourismusverband verantwortet er die regionalen Beschilderungen der Rad-, Mountainbike- und Gravelbike-Touren. Zudem leitet er Kindertrainings, ist Sektionsleiter und bietet in seiner Werkstatt umfassenden Radservice an. Seine Geschäftszeiten beschränken sich auf den Nachmittag, da vormittags hauptsächlich Fahrtechniktrainings stattfinden.
Aufschwung in der Krise
Wir fragten Tracy, inwiefern die Corona-Pandemie seinen Arbeitsalltag beeinflusst hat. Der Rad-Boom, der in ganz Österreich zu beobachten war, hatte auch bei ihm drei- bis viermal mehr Anfragen zur Folge. Vor allem sein Service-Angebot wurde verstärkt in Anspruch genommen. Also entschloss er sich dazu, eine kleine professionelle Werkstatt neben seinem Wohnhaus zu bauen. Er ergänzt:
Die Nachfrage ist einfach mehr und die Situation nicht unbedingt schwieriger geworden, eher im Gegenteil. Was sich allerdings geändert hat, sind die Herkunftsländer der Kids, die an meinem Programm teilnehmen. In den ersten Jahren kamen diese aus Europa, aber auch aus den USA, Großbritannien und Mexiko. Die Buchungen im letzten Jahr betrafen fast ausschließlich Kund:innen aus Österreich und Deutschland – und das ist auch heuer so.
Projekte für die Zukunft im SalzburgerLand
Hat jemand, der schon so viel für seine Leidenschaft Radsport erreicht hat, noch Pläne? Und ob, berichtet uns Tracy voller Stolz: „Vor Corona habe ich mit vier anderen Vereinen den Junior Bike Cup ins Leben gerufen – einen Nachwuchscup für das SalzburgerLand. Der konnte letztes Jahr zwar leider nicht stattfinden, wir bleiben aber dran. Heuer wird es ein paar Rennen geben.“
Ein weiteres Herzensprojekt: Er möchte, dass die vielen Möglichkeiten, die das SalzburgerLand zum Biken bietet, bestmöglich genutzt werden. Sobald die Kinder den Pumptrack beherrschen, mangelt es – seiner Meinung nach – an weiteren sportlichen Herausforderungen. Strecken, um sich legal mit dem Bike auszutoben, fehlen – obwohl diese landschaftlich gesehen durchaus vorhanden wären. Diverse Areale nutzbar zu machen, sieht er als seine nächste Challenge.
Wenn das SalzburgerLand zur Wahlheimat wird
Ehe Tracy vollends im SalzburgerLand ankommen konnte, galt es, gewisse sprachliche Hürden zu überwinden. Anders als in Innsbruck wurde er im Pinzgau quasi „gezwungen“, Deutsch zu lernen. Zu seinem Glück, wie er findet: „In Innsbruck habe ich kein Deutsch gelernt, weil alle Englisch sprechen. Aber dann sind wir hierhergezogen, und haben das Haus gebaut. Im Pinzgau ist es genau das Gegenteil: Niemand spricht Englisch, und dann musste ich Deutsch lernen.“
Was bedeutet es für den gebürtigen Amerikaner, im SalzburgerLand zu leben? Es sei die Verbindung zu den Menschen, die ihm ein Gefühl von Heimat gibt, erklärt er. Selbst wenn er kein Einheimischer ist, findet er es wichtig, eine Beziehung zu den Salzburger:innen aufzubauen:
Eines meiner Lieblingswörter ist Wahlheimat. Ich habe das Gefühl, ich bin ganz gut integriert. Die Leute sind so offen und nett. Sie schätzen es, dass ich ein bisschen anders bin. Ich bin in zehn Jahren nur einmal zurück in die USA gereist – und auch nach zehn Jahren noch in die Gegend hier verliebt. Für mich fühlt es sich an, als wäre ich einheimisch. Das SalzburgerLand ist zu meiner neuen Heimat geworden.