„Walt Disney-Team ‚schoß‘ am Prebersee“ titulierte am 21. August 1957 die Salzburger Nachrichten einen Artikel über das traditionelle Preberschießen im Lungau. Es glich einer kleinen Sensation, dass der „Vater der Mickey Mouse“ eine Delegation unter der Leitung eines gewissen Mr. Knapp nach Österreich geschickt hatte, um das spektakuläre Brauchtum zu filmen. Hintergrund der Aufnahmen war wohl der Wunsch, dem Geheimnis des Prebersees auf die Spur zu kommen und diesen in den USA zu rekonstruieren. Das Unterfangen misslang: Der Prebersee hat sich bis heute sein Geheimnis bewahrt und geschossen wird allein im Salzburger Lungau und am steirischen Schattensee. Dieser liegt nur rund drei Kilometer Luftlinie vom Prebersee entfernt und soll mit diesem durch einen unterirdischen Wasserkanal verbunden sein. Das Wasser der beiden Seen scheint in seiner Zusammensetzung und Konsistenz dasselbe zu sein: Die moorigen Schwebeteilchen lenken die Geschosse ab, sodass diese nicht versinken, sondern abprallen und – mit viel Glück – die Zielscheibe am Ufer treffen.
Schützengesellschaft der Privilegierten Schießstätte Tamsweg-Prebersee
Rund 170 bis 200 Schützen beteiligen sich jährlich am öffentlichen Preberschießen am letzten Augustwochenende: Sie reisen aus zahlreichen europäischen Ländern an, um sich mit den einheimischen Schützen zu messen. 220 Mitglieder zählt die „Schützengesellschaft der Privilegierten Schießstätte Tamsweg-Prebersee“, aber nur rund vierzig Vereinsmitglieder nehmen am Preberschießen teil. Die Schützinnen und Schützen zielen beim Preberschießen auf den oberen Rand des Spiegelbildes, etwa drei Meter von der Zielscheibe entfernt, ins Wasser. Der Verein kümmert sich um die Aufsicht und weist die Neo-Schützen ein. Sogar die Waffen müssen nicht selbst mitgebracht werden. Große Holzbalken sogenannte Wellenbrecher, sorgen für ein ruhiges Wasser. Doch auch das ist kein Garant für den Erfolg.
Das Glück spielt immer eine große Rolle
Einer, der sich bestens mit dem Preberschießen auskennt, ist Oberschützenmeister Heimo Waibl aus Tamsweg. Der geübte Schütze und Jäger hat schon ungefähr tausend Mal auf die Wasserscheiben geschossen: Mit Kleinkalibergewehren. Aber er weiß aus Erfahrung: „Das Glück spielt immer mit. Das Preberschießen wird zu sechzig Prozent von Anfängern gewonnen. Ändert sich beispielsweise der Wasserspiegel aufgrund von Regenfall, verändert sich sofort der Anhaltspunkt. Auch wenn die Profis mit dabei sind, hat das noch lange nichts zu bedeuten.“ Vierzig Jahre lang hat es gedauert, bis Heimo Waibl selbst das Preberschießen gewann.
Schon Waibls Großvater und Vater waren Preberschützen, inzwischen schießen auch seine eigenen Söhne: Er selbst hat mit elf Jahren die ersten Schüsse abgefeuert und als „Zielerer“ gearbeitet.
Fahrtkarte, Fisch oder das begehrte Hexenblattl
Beim großen Preberschießen sorgen damals wie heute 24 fleißige Kinder an den sechs Wasserscheiben- und sechs Standscheibenstände dafür, dass die Veranstaltung reibungslos abläuft: In ihrer Funktion als „Zielerer“ zeigen sie die Treffer oder Nicht-Treffer der Schützen an und schreiben die Ergebnisse mit. An Nachwuchs mangelt es nicht. „Gerade eben hat mich wieder ein Bub auf der Straße aufgehalten und mich gefragt, ob er eh heuer wieder mitmachen darf“, schmunzelt Heimo Waibl, der sich über so viel Begeisterung freut. Die Kinder selbst sind mit vollem Eifer dabei und erlernen auch das Preberschießen-Vokabular schnell. Nach jedem Schuss müssen sie die Zielscheibe per Hand einfahren: Ist kein Einschuss auf der Scheibe zu sehen, hat das Wasser die Kugel verschluckt und es wird durch ein Winken mit dem roten Zieler-Löffel ein wenig spöttisch ein „Fisch“ oder eine „Fahrkarte“ angezeigt. Bei einem Treffer wird dem Schützen die Position auf der Scheibe angedeutet. Knallt die Munition direkt in den 7-Zentimeter-Durchmesser des Zentrums, ist das ein „Blattl“. Ein Zehner wird „Hexenblattl“ genannt und mit dem schönsten Geräusch des Preberschießens belohnt: Mit dem Läuten der Kuhglocke!
Der Prebersee und seine sagenhaften Geheimnisse
Die Trophäe des großen Preberschießens geht auf eine der zahlreichen Sagen zurück, dich sich um den dunklen Moorsee auf 1.514 Metern Seehöhe ranken: Dem Sieger wird eine Scheibe überreicht, auf der eine Hexe mit feuerroten Haaren zu sehen ist, die auf ihrem Besen reitet. Die Lungauer erzählen sich, dass diese Hexe noch heute in Vollmondnächten um den See spukt. Ebenso sind die Einheimischen davon überzeugt, dass auf dem Grund des Sees nicht nur Edelkrebse leben, sondern auch ein kostbarer Goldschatz liegt. So idyllisch der See mit seinen wippenden Moospolstern, widerkäuenden Kühen, Badegästen und Sonnenanbetern, Zirben und Lärchen tagsüber wirkt, so mystisch erscheint er in der Dämmerung: Wenn etwa die morgendlichen Nebelschwaden über das dunkle Wasser ziehen oder die Mücken im letzten Sonnenlicht tanzen.
Vom Zufall zum beliebten Brauchtum
Das Geheimnis des Wasserscheibenschießens ist jedoch ein rationales physikalisches Gesetz, das auf das weiche, dunkle und sauerstoffarme Wasser zurückzuführen ist. Der Legende nach sollen Jäger das Phänomen entdeckt haben, erzählt Heimo Waibl: „Die Jäger saßen am Seeufer als plötzlich ein Hirsch aus dem Gebüsch zog. Der eine zielte versehentlich auf das Spiegelbild des Tieres und erntete erst Schadenfreude. Doch dann fiel der Hirsch um und die Freude war auf seiner Seite.“
Heute fällt kein Hirsch mehr um und gezielt wird ganz bewusst auf das Spiegelbild. Wenn die Schüsse knallen und das Wasser spritzt, die Musik spielt und die Menge jubelt, weiß man, dass das Preberschießen in vollem Gange ist. Die Edelkrebse lässt das kalt. Die Hexe tut ohnehin was sie will. Und die Schützen haben ihre helle Freude, solang keine „Fahrkarte“ zu den Fischen angezeigt wird.