Los geht’s für mich heute am Parkplatz beim Gasthof Fürberg direkt am See. Obwohl es noch nicht einmal neun Uhr morgens ist, lacht die Sonne schon ziemlich kräftig vom Himmel, und es verspricht ein schöner Sommertag zu werden. Das merkt man auch schon an den ersten Badegästen, die sich auf der wunderschönen Sonnenwiese hier ausbreiten und ihre Füße in den See halten. Wie sehr freue ich mich schon auf einen Kopfsprung hinein in den See, doch der muss noch ein bisschen auf sich warten und will verdient sein. Jetzt geht es erstmal hinauf auf den Falkenstein. Der Pilgerweg 28 führt zunächst relativ steil einer Forststraße entlang nach oben, und die ersten Schweißperlen stehen schon nach wenigen Minuten auf meiner Stirn. Gut so, ein bisschen was spüren soll man ja auch beim Pilgern. Immer wieder fallen mir die hübschen Informationspunkte auf, auf denen man so allerlei über die Geschichte des Weges, die Pilger, den Heiligen Wolfgang und das heilige Wasser lesen kann. Bei der Abzweigung zum Scheffelblick halte ich kurz inne und werfe einen Blick in meine Wanderkarte. Der direkte Weg zur Einsiedelei und dann weiter zum Falkenstein führt ja eigentlich gerade weiter, doch den wunderbaren Blick, den man von da oben haben soll, möchte ich ja schon gerne einmal erleben. Na dann, wer nichts wagt der nichts gewinnt, und schon befinde ich mich auf dem schmalen, rechts abzweigenden Weg. Über Stock und Stein geht es hier durch dichten Wald, immer wieder blitzt das Blau des Sees durch das Grün der Bäume und meine Vorfreude steigt proportional zu den zurückgelegten Höhenmetern. Nach ca. einer halben Stunde weist ein kleiner Pfeil zu einem schmucken Holzhüttchen am Wegesrand.
Der wahrscheinlich schönste Blick der Welt
Es passiert ja nicht oft, dass ich sprachlos bin, doch der Blick, der sich mir hier eröffnet, der schafft das mit Links. Was für ein spektakuläres Schauspiel der Natur, das muss wohl der schönste Blick der ganzen Welt sein! Gefühlte 30 Minuten genieße ich dieses Panorama, schieße unzählige Bilder und freue mich, an der Weggabelung die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Einige Meter weiter bergauf öffnet sich der Wald und gibt ein kleines Plateau am höchsten Punkt meines ‚Umwegs’ frei. Der Blick von hier ist nicht minder spektakulär, und man kann ihn von gemütlichen Holzliegen aus in sich aufsaugen. Da hat sich wirklich jemand etwas ganz Tolles einfallen lassen. Nach einer kurzen Rast und einigen Schlucken Wasser geht es weiter. Diesmal wieder bergab. Immer wieder liegt der See malerisch unter mir, die weißen Segel der Segelboote komplettieren das idyllische Bild. Die leichte Prise heute tut also nicht nur uns Wanderern gut, sondern sorgt auch für einen herrlichen Segeltag. Am Aberseeblick, übrigens der höchste Punkt der Wanderung (ja, es geht dann noch einmal bergauf), hole ich noch einmal meine Kamera aus der Tasche und schieße Bilder im dreistelligen Bereich. Ja, solche Momente sollte man für immer festhalten. Der Weg zur Kapelle führt dann wieder nach unten durch einen alten Laubwald, immer wieder einmal müssen befestigte Treppen zurückgelegt und leichte Anstiege überwunden werden. Wandern macht hier einfach richtig Spaß.
Die Einsiedelei
Ein idyllischeres Plätzchen hätte sich der Heilige Wolfgang ja nicht für seine Einsiedelei aussuchen können. Auf einer sonnigen Lichtung liegt die kleine Kirche direkt an einer aufragenden Felswand, mit der sie eine fast natürliche Einheit eingeht. Im Jahre 976 soll Bischof Wolfgang ins Kloster Mondsee gekommen sein. Durch die Wirren des Krieges zwischen Kaiser Otto II. und Bayernherzog Henrich II., genannt „der Zänker“, war er der Menschen und ihrer Auseinandersetzungen überdrüssig geworden und sehnte sich nach einem Leben als Einsiedler. Dieses fand er hier am Falkenstein, wo er mehrere Jahre lang sehr zurückgezogen in einer kleinen Höhle lebte und sich dem Gebet zuwandte. An dieser Stelle soll heute die kleine Kirche stehen. Freudig nehme ich die letzten Meter hinauf, schreite flotten Schrittes die Treppen empor und stehe im kleinen, sehr hübschen Altarraum. Pilger, die den Weg hier herauf fanden, glaubten, dass der Schlupfstein rechts oberhalb des Altars ein Kraftort sei, der die Gesundheit fördere. Na dann werde ich da wohl auch hindurchkriechen, auch wenn ich mich eigentlich gerade bester Gesundheit erfreue. Aber hilft es nicht, schadet es hoffentlich auch nicht! Am Weg wieder hinunter läute ich noch an der Turmglocke, deren dreimaliges Erklingen Wünschen beim Erfüllt-werden helfen soll.
Die Heilquelle am Falkenstein
In unmittelbarer Nähe zur Kirche befindet sich ein weiteres kleines Häuschen, in dem sich die Heilquelle des Falkensteins befindet. Die Legende besagt, dass der Heilige Wolfgang einen Klosterbruder zum Begleiter hatte, dem das entbehrungsreiche Leben ohne Trinkwasser jedoch viel zu hart war. Also stieß Wolfgang seinen Stab in den Boden und wie durch ein Wunder tat sich an genau dieser Stelle eine Quelle mit frischem Wasser auf. Trotzdem ließ der Mönch den Bischof alleine in der Einsiedelei zurück, die Quelle jedoch gibt es bis zum heutigen Tag und das Wasser ist seit vielen Jahrhunderten dafür bekannt, Heilkräfte zu haben. Besonders für die Augen soll es wahre Wunder bewirken. Ab dem 14. Jahrhundert war der Falkenstein die viertgrößte Wallfahrtsstätte Europas. Bis zu 80.000 Pilger kamen jedes Jahr hierher, füllten das glasklare Wasser in die sogenannten ‚Wolfgangiflascherl’ und nahmen es mit nach Hause, wo sie es als Heilmittel aufbewahrten. Noch heute zeugen, so liest man immer wieder, zahlreiche blaue und weiße Scherben im Boden rund um die Quelle von dieser Tradition.
Nach einem Schluck aus der Quelle, sicher ist sicher, mache ich mich wieder auf den Weg hinunter zum See. Mittlerweile heizt die Sonne auch schon ordentlich vom Himmel und ich kann es gar nicht erwarten, endlich aus den Wanderschuhen zu kommen und in den See zu springen. Der Falkenstein hat mich heute sicher nicht zum letzten Mal gesehen.