Auf der Autofahrt nach Weißbach sind mir schon oft die mächtigen Druckrohrleitungen an der steilen Felswand aufgefallen. „Wohin diese Rohre wohl führen? Welches Gewässer speist das Kraftwerk, in dem sauberer Strom aus Wasserkraft gewonnen wird?“, diese Fragen will ich mir heute beantworten und habe mich mit Waltraud Lohfeyer aus Lofer verabredet. Waltraud ist Bikeguide im Salzburger Saalachtal und passend zu meiner Suche nach der Wasserquelle für das Kraftwerk schlägt sie lachend vor: „Diese Tour hinauf zum Dießbachstausee unternehmen wir mit den E-Mountainbikes – so schließt sich der Kreislauf und dank voller Akkus schonen wir unsere Wadeln.“
Abstecher zum Schaustadel im Naturpark Weißbach
Direkt in Lofer leihe ich mein E-Mountainbike und lasse mich von Waltraud einschulen. Zum Aufwärmen radeln wir entlang der Saalach auf dem Tauernradweg nach Weißbach. Das smaragdgrüne Wasser des Flusses begleitet uns auf der 13 Kilometer langen Strecke bis Weißbach. Dort sehen wir schon von Weitem die ersten Kletterer auf der Felsplatte oberhalb des Bergsteigerdorfs. Auch am Klettersteig „Zahme Gams“ bewegen sich Sportler. Wir radeln durchs Zentrum und biegen ein auf die Hirschlbichler Landesstraße ins Hinterthal. Dank E-Motor ist diese steile Asphaltstraße für uns aber kein Problem. „Komm, wir machen einen kurzen Abstecher zum Schaustadl“, meint Waltraud und wir legen eine Rast ein, um hier im Naturpark Weißbach mehr über die Holzwirtschaft, die traditionelle Holzverarbeitung und die alte Handwerkskunst der Schindeldächer und Pinzgauer Zäune zu erfahren.
Die geflutete Alm
Nach der lehrreichen Rast schwingen wir uns wieder in den Sattel. Über Forststraßen durch die wunderbar grünen Weiden der Kallbrunnalm geht es bergan. An der urigen Kashütte sehen wir Almwirtin Helga bereits erste Gäste bewirten. Mit dem Versprechen, später einzukehren, radeln wir weiter. Nach einem kurzen Stück bergab stehen wir plötzlich vor der großen Wasserfläche des Sees, und bei diesem wunderschönen Anblick bin ich erst einmal völlig sprachlos. Wie ein Spiegel reflektiert die glatte Wasseroberfläche die Bergflanken. Steil abfallende Felswände reichen bis zum Wasser und grüne Latschenfelder durchsetzen das Grau des Gesteins. Hie und da blüht noch der Almrausch und setzt so bunte Farbtupfer in die idyllische Szenerie. „Der Dießbachstausee ist noch gar nicht so alt“, verrät mir Waltraud und fügt hinzu: „Vor über einem halben Jahrhundert war hier noch Almgebiet und Kühe weideten das Gras. Die Dießbachalm wurde bereits 1386 urkundlich erwähnt und auch ein Kaser befand sich hier. 1961 wurde aus diesem Kessel der Dießbachstausee und das gesamte Almgebiet mitsamt dem Kaser überflutet. Der rund einen Kilometer lange Staudamm ist 36 Meter hoch und hält fast 5 Millionen Kubikmeter Wasser zurück.“
Vom Bergsee zur Energie
Beeindruckt blicke ich hinaus aufs unergründlich tiefe Wasser. Ich empfinde dieses stille Gewässer eher als idyllischen Bergsee, als einen von Menschenhand erschaffenen Stausee. Ich blicke mich suchend nach den markanten Rohrleitungen um, die ich vom Auto aus sah. Doch Waltraud verrät mir: „Aus dem See fließt das Wasser über einen 1.500 Meter langen Stollen durch den Fels zur Stoßwand und fällt erst dort in die rund 700 Meter lange Druckrohrleitung – eine der steilsten Europas. So gelangt das Wasser zum Dießbach-Kraftwerk und weiter in die Saalach. Während wir unsere Füße im eiskalten Wasser des Sees kühlen, stelle ich mir in Gedanken den steilen Fall des Wassers von diesem so natürlich in die Landschaft eingebetteten Bergsees vor – vorbei an den Turbinen des Kraftwerks und hinein in die Saalach. Das Panorama ist überwältigend. Über uns lacht das Seehorn und der Rücken des Hundstod und in der Ferne erkennt man das Ingolstädter Haus. Doch nach einiger Zeit meint Waltraud lachend: „Also meine Energietanks sind jetzt wieder gut gefüllt, was hältst du von einer Einkehr auf der Kashütte?“
Abstecher ins Naturbadegebiet Vorderkaserklamm
Schnell bin ich zum Aufbruch bereit, denn beim Gedanken an Käsebrote und Hollersaft knurrt mein Magen hörbar. Wir radeln also beschwingt zurück und lassen uns bei Helga auf der Terrasse der Kashütte nieder. Herzlich werden wir bewirtet und genießen die gemütliche Auszeit auf der Alm. Mittlerweile hat die Sonne längst ihren höchsten Punkt erreicht und als wir wieder auf der selben Route ins Tal zurückkehren ist die Sommerhitze deutlich spürbar. „Was hältst du von einem kleinen Abstecher ins Naturbadegebiet Vorderkaserklamm? Das liegt auf unserer Strecke und wäre ein wunderschöner Abschluss für diese wasserreiche Tour. Dann haben wir die perfekte Mischung von stillem und prickelndem Wasser“, meint Waltraud. Begeistert stimme ich zu, denn ein Sprung ins kalte, klare Wasser der Vorderkaserklamm ist ganz nach meinem Geschmack. Also radeln wir vorbei an der Lamprechtshöhle entlang der Saalach zum Naturbadegebiet und genießen dort die erfrischende Abkühlung.