Wie kam es zu den Festspielen?
Lange vor dem Gründungsjahr 1920 war in Salzburg die Idee geboren, zu Ehren des berühmtesten Sohnes der Stadt – die Rede ist natürlich von Wolfgang Amadeus Mozart – regelmäßige Musikfeste auszurichten. Konkret wurde diese Idee aber erst, als sich während der letzten Jahre des ersten Weltkriegs eine Gruppe rund um Max Reinhardt, Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss konkret mit diesen Plänen auseinandersetzten. Als Gegenstück zu den Bayreuther Festspielen sollten sich die Salzburger Festspiele mit dem künstlerischen Erbe und aktuellen Wirken österreichischer Komponisten beschäftigen.
Ideengeber und Visionäre
Im Jahr 1917 – noch während des Ersten Weltkrieges – gründeten Friedrich Gehmacher und Heinrich Damisch den Verein „Salzburger Festspielhausgemeinde“. Ihr erklärtes Ziel war es, den Bau eines Festspielhauses in Salzburg voranzutreiben, in dem regelmäßig Mozart-Festspiele veranstaltet werden sollten. Ebenfalls 1917 übermittelte Max Reinhardt seine „Denkschrift zur Errichtung eines Festspielhauses in Hellbrunn“ an die Generalintendanz der k. k. Hoftheater in Wien. Eindringlich warb er darin für Festspiele in Salzburg „als erstes Friedenswerk“. Die Idee, in Salzburg Festspiele einzurichten, wurde in weiterer Folge von zahlreichen Künstlern aufgegriffen. Als Gründerväter gelten Max Reinhardt, Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss.
In der Mozartstadt Salzburg, weitab von hektischem Großstadtgetriebe, „im Herz vom Herzen Europas“, sollten sich jeden Sommer die besten Künstler treffen, um Oper und Schauspiel auf die Bühne zu bringen – „von beidem das Höchste“, so formulierte Max Reinhardt sein Bestreben in der Gründungsschrift. Hugo von Hofmannsthal ergänzte: „Unser Salzburger Festspielhaus soll ein Symbol sein. Es ist keine Theatergründung, nicht das Projekt einiger träumerischer Phantasten und nicht die lokale Angelegenheit einer Provinzstadt. Es ist eine Angelegenheit der europäischen Kultur. Und von eminenter politischer, wirtschaftlicher und sozialer Bedeutung.“
Die Geburtsstunde der Salzburger Festspiele
Am 22. August 1920 war es dann soweit: Der „Jedermann“ von Hugo von Hofmannsthal wurde in der Inszenierung von Max Reinhardt vor dem Dom, wo auch heute noch gespielt wird, aufgeführt. Neben den vier „öffentlichen“ Vorführungen waren zwei Abende nur den Salzburgern vorbehalten.
Ein Jahr später sollten bereits zusätzliche Orchester- und Kammerkonzerte dargeboten werden, und als 1922 das erste Mal verschiedene Opern von Mozart aufgeführt wurden, hatten die Festspiele bereits ihre drei Grundpfeiler erhalten, die bis heute geblieben sind: Schauspiel, Konzerte & Opern.
Nach einem kurzen Rückfall (1924 mussten sie finanziell bedingt ausfallen) wuchsen die Festspiele kontinuierlich. Mehr Spieltage und zusätzliche Spielstätten gehörten ab nun zu den regelmäßigen Neuerungen.
Neustart nach dem Krieg
Der Nationalsozialismus und der Eingriff der Führungsriege in Berlin und Wien in die Kulturpolitik veränderten die Festspiele: Manche Komponisten und Werke durften nicht mehr aufgeführt werden, Künstler blieben fern oder mussten fern bleiben, und als das Stauffenberg-Attentat 1944 scheiterte, wurden die Festspiele sogar im gesamten Reich abgesagt.
Allerdings schaffte man es nach Kriegsende, die Festspiele in stark verkleinerter Form, aber mit dem Jedermann am Programm, wieder auf die Bühne zu stellen. Mit dem Neuaufbau und einem neuen politischen System konnte man bald schon wieder Dirigenten und Musiker nach Salzburg bringen, die während der Hitler-Zeit nicht willkommen waren: Eine goldene Ära der Festspiele sollte folgen.
Herbert von Karajan-Zeit
Neben Georg Solti, Wilhelm Furtwängler, Karl Böhm und vielen anderen großen Dirigenten, sticht vor allem Herbert von Karajan hervor. Der gebürtige Salzburger – er wurde nur wenige hundert Meter vom heutigen Festspielbezirk geboren – war ab 1960 bis zu seinem Tod die zentrale Figur des Klassik-Festivals. 1960 begann eine neue Ära: Herbert von Karajan eröffnete das neu erbaute Große Festspielhaus mit der Oper „Der Rosenkavalier“ von Richard Strauss. Als Mitglied des Direktoriums von 1964 bis 1988 nahm er großen Einfluss auf die Programmgestaltung. Mit ihm wurde die Weltgeltung der Salzburger Festspiele eminent. Als besondere Leistung gründete er 1967 die Osterfestspiele und 1973 die Pfingstkonzerte, die bald darauf in Pfingstfestspiele umbenannt wurden. Somit schuf er nicht nur Außergewöhnliches auf der Bühne, sondern schaffte sich diese Bühnen zum Teil sogar selbst.
Ein Festival von Weltrang
Als Herbert von Karajan 1989 während der Proben zu Verdis „Maskenball“ verstarb, verloren die Festspiele ihre Führungsfigur – ein Vakuum entstand, das Stück für Stück erst gefüllt werden musste. Gerard Mortier wurde ab 1991 Intendant und machte es sich zur Aufgabe, die Festspiele zu modernisieren und zu verjüngen. Uraufführungen von neuen Opern gehörten ebenso zu seiner Linie wie eine Stärkung des Theaters. Nicht zuletzt sein Einsatz hat den Weg geebnet für die Festspiele, wie wir sie heute erleben dürfen: Als Fest der Musik, das in der Stadt Salzburg für mehrere Wochen pro Jahr spürbar ist und neben dem reichen kulturellen Erbe auch Neues ausprobiert – aber das war ja auch einer der Gründungsgedanken von Max Reinhardt und Hugo von Hofmannsthal …
Eintrag in das UNESCO „Memory of the World“-Register
Vor 30 Jahren, 1992, gründete die UNESCO das Programm „Memory of the World“, das zum Ziel hat, die weltweiten Bemühungen um den Dokumentenerhalt und die Zugänglichmachung von Information zu fördern. Seit 2014 führt die Österreichische UNESCO-Kommission das nationale österreichische Dokumentenerbe-Register, das Dokumente und Dokumentenbestände mit herausragender Bedeutung für die österreichische Geschichte listet.
Die Salzburger Festspiele verwahren ein über die Jahrzehnte gewachsenes Archiv von Mitschnitten und Aufnahmen aus über 80 Jahren Festspielgeschichte. Dieser Schatz, der einzigartige Höhepunkte der europäischen Musik- und Theatergeschichte dokumentiert, wurde seit 2020 in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Mediathek des Technischen Museums Wien gehoben, durch die Mediathek professionell digitalisiert und dauerhaft gesichert, womit auch der langfristige Zugang zu der Sammlung gewährleistet ist.
„Mit dieser Kooperation hatten sich die Salzburger Festspiele 2020 zum 100-Jahr-Jubiläum und die Österreichische Mediathek zum 60. Geburtstag gegenseitig ein kostbares Geschenk gemacht: Durch die Digitalisierung von Hausmitschnitten konnten wir wichtige Produktionen dem Vergessen entreißen. Der Mediathek kommt dabei eine bedeutende Rolle als Bewahrerin des kulturellen Erbes Österreichs zu. Dass die österreichische UNESCO-Kommission die außergewöhnlichen Dokumente der Festspielgeschichte nun in das nationale ,Memory of the World‘-Register aufnimmt, erfüllt uns mit Dankbarkeit und ist zugleich Ansporn, auch andere Schätze des Festspielarchivs zu heben und besser zugänglich zu machen“, freut sich Margarethe Lasinger, Leitung Dramaturgie, Publikationen & Archiv der Salzburger Festspiele.
Wer noch tiefer in die Geschichte der Salzburger Festspiele eintauchen will, findet auf deren Internetpräsenz eine äußerst interessante Chronik nach Jahren und Produktionen.