Im Leben des gebürtigen Gasteiners Bernd Radler hat die Autoschleuse zwischen Gastein und Mallnitz in Kärnten schon immer eine große Rolle gespielt. Für den ORF hat der Moderator seine erste längere Doku über die Bahnverbindung zwischen den beiden Bergtälern gedreht. Wir haben ihn in seiner Wahlheimat am Wörthersee getroffen und mit ihm über sein ‚erstes Mal‘ durch die Tauern, diesen speziellen Geruch im Wagon und den für ihn unverkennbaren Geschmack seiner Heimat Salzburg gesprochen.
Bernd, Gratulation zu deiner Dokumentation ‚Autoschleuse Tauernbahn. 100 Jahre huckepack durch die Tauern‘. Kannst du dich noch an dein erstes Mal ‚mit dem Auto am Zug durch den Berg‘ erinnern?
Vielen Dank! An das erste Mal so wirklich bewusst nicht mehr, aber es sind gesammelte Erinnerungen an die Kindheit, die ich mit der Autoschleuse ganz eng verbinde. Es ist ein ganz eigener Geruch auf der Schleuse, von Bremsen und Metall, auch die Geräusche, wie das charakteristische Klappern der Waggons wenn die Autos darauf fahren, sind einzigartig. Und in Kombination stehen sie in meinen Erinnerungen für Urlaub, für Süden, für Seen, Sonne und unbeschwerte Zeiten. Weil für einen Gasteiner beginnt der Urlaub auf der Autoschleuse! Sobald man drauffährt ist man dem Süden schon ein Stück weit näher und dann eben recht flott in Kärnten und weiter an der oberen Adria.
Wie ist es denn zu dieser Dokumentation gekommen? Was hat dich an dem Thema fasziniert?
Man ist als Journalist freilich immer auf der Suche nach spannenden Geschichten, die womöglich noch nie erzählt wurden und die so besonders sind, dass sie zudem auch noch einzigartig sind. Und das trifft bei der Autoschleuse zu. Es hat bisher keine Dokumentation über die Verkehrsverbindung gegeben und die Autoschleuse ist zumindest für Österreich einzigartig. Die Betriebsform, dass Autos auf einen Zug fahren, um sich durch einen Tunnel befördern zu lassen, vergleichbar mit einer Fähre, gibt es bei uns eben nur zwischen Böckstein in Salzburg und Mallnitz in Kärnten. Einzelne Verbindungen im europäischen Vergleich gibt es noch in der Schweiz und in Slowenien, deren Bedeutung ist aber bei weitem nicht so groß wie jene der Autoschleuse Tauernbahn.
Fasziniert hat mich am Thema eben die Einzigartigkeit, aber auch die persönliche Verbindung, über die wir schon gesprochen haben. Als gebürtiger Gasteiner hat es mich beruflich nach Kärnten verschlagen und die Autoschleuse ist eben ein Bindeglied in die alte Heimat, das hat mich fasziniert. Noch dazu war mein Opa jahrzehntelang beruflich bei der Eisenbahn, im Verschub am Ausgangspunkt der Tauernbahn, in Schwarzach im Pongau. Die Begeisterung dafür hat er mir weitergegeben, mit zahlreichen Besuchen am Bahnhof, auf Sonderfahrten mit Museumszügen und der gemeinsamen Zeit im Modellbahnkeller.
Erzähl doch mal ein bisschen von den Dreharbeiten
Die Dreharbeiten waren zeitaufwändig und auch fordernd. Denn oft ist es bei Fernsehdrehs so, dass einzelne Bewegungen und Handlungen von Menschen oder Fahrzeugen mehrmals wiederholt werden müssen, damit Szenen im Schnitt spannend und interessant aufgelöst werden können. Nur ist es bei der Tauernschleuse schwierig, Dinge zu wiederholen, weil es die Garnitur eben nur einmal gibt und sie ganztags von Tagesanbruch bis fast Mitternacht im Pendelverkehr im Einsatz steht. Um dann alle Einstellungen des Zugs von allen spannenden Perspektiven zu haben, hat das echt lange Zeit in Anspruch genommen. Weil man eben pro Stunde nur eine Chance für die besten Bilder hat. Und dann ist der Zug schon wieder weg. Die Schleuse pendelt ja pro Stunde einmal in jede Richtung. Das war echt tricky, aber es ist alles aufgegangen und wir haben super Bilder bekommen.
Wie oft seid ihr denn dabei gefühlt durch den Berg gefahren?
Oft, sehr oft. Denn auch bei den Dreharbeiten im Zug war das ganze recht tricky, macht man Interviews ganz im Dunkeln oder noch am Streckenabschnitt der hell ist? Wie viel Zeit hat man wofür? Da war wirklich viel Engagement vom gesamten Team notwendig, um das alles in der optimalen Qualität für unsere Zuschauerinnen und Zuschauer festzuhalten. Da hat es viel Planung und manchmal auch ein wenig Reporterglück gebraucht.
Aber zurück zur Frage, wir sind schon sehr oft durch den Tunnel geschleust, bis wir dann alles an Material zusammen hatten. Aber ich hatte ein großartiges Team, das mich bei der Dokumentation unterstützt hat. Denn Fernsehen ist immer Teamarbeit! Wenn alle an einem Strang ziehen, kann was Großes daraus entstehen. Allein ist man da hilflos.
An der Kamera waren Benito Oliva und Christian Finding, die im Winter für den ORF auch den Schiweltcup international groß in Szene setzen und auch bei Olympia und Weltmeisterschaften am Start sind, die sind es gewohnt, mit schwierigen Situationen umzugehen. Für den perfekten Ton bei den Dreharbeiten haben der noch sehr junge aber umso engagiertere Sandro Kalt gesorgt, ebenso Dieter Pfeiffer. Und ganz wichtig bei einer Dokumentation ist der spannende und ansprechende Schnitt, wo das beste aus dem gesammelten Filmmaterial herausgeholt wird, da hat Pia Hiebaum alles gegeben. Und so entsteht dann ein tolles Produkt, auf das wir gemeinsam wirklich recht stolz sind. Es war zudem meine erste Großproduktion. Das ist dann schon was anderes, 24 Minuten Sendezeit spannend aufzuarbeiten, als das gewohnte Tagesgeschäft, wo es darum geht, aktuelle Ereignisse in Kärnten heute oder der Zeit im Bild in möglichst kurzen, verständlichen Beiträgen zu vermitteln.
Der Weg durch die Berge war für die Menschen gleichzeitig wichtig und äußerst beschwerlich. Was hat sich durch die Eröffnung der Schleuse für das Gasteinertal und das Mölltal verändert?
Das Gasteinertal ist ja durch den Tourismus und die Kurgäste wirtschaftlich seit jeher auf der Butterseite der Alpen, wenn man es mit dem oberen Mölltal vergleicht. Mallnitz auf der anderen Seite des Tunnels ist in der direkten Gegenüberstellung relativ strukturschwach, der Tourismus ist ein wenig im Dornröschenschlaf und die gesamte Region wird von Abwanderung geplagt und dadurch natürlich auch geschwächt. Wirtschaftliche Zentren sind fern, die nächste Kleinstadt ist Spittal an der Drau, deshalb profitieren vor allem die Mallnitzerinnen und Mallnitzer von der Autoschleuse. Viele von ihnen pendeln nach Gastein, um zu arbeiten. Vor allem im Tourismus, in den Hotels, in den Thermen. Für sie ist die Verbindung zum Pendeln unverzichtbar. Aber auch die Gasteiner nutzen die Schleuse, touristisch und auch wirtschaftlich. Es ist der kürzeste Weg in den Süden, der vor allem in Zeiten von steigenden Spritpreisen neuerlich ungemein beliebt wird. Einige Menschen, die auf die Schleuse angewiesen sind, kommen auch in unserer Dokumentation vor. Aber auch welche, die sie seit Jahrzenten nutzen. Werner Gatterer zum Beispiel. Er lebt in Mallnitz, ist aber 45 Jahre nach Gastein gependelt, um dort in der Tourismusschule Rechnungswesen zu unterrichten. Ohne Schleuse sagt er, wäre sein Job nicht möglich gewesen.
Hat es die Menschen näher zusammengebracht?
Mit Sicherheit! Es gibt etliche Freundschaften über den Tauern hinweg, die Pendler-Community aus der Schleuse veranstaltet sogar gemeinsame Weihnachtsfeiern und dergleichen, weil der tägliche Weg durch den Berg einfach zusammenschweißt. Es sollen auch schon Liebesbeziehungen entstanden sein, die ohne Schleuse so wohl nicht zustande gekommen wären. Denn mit der Schleuse ist man nur eine Viertelstunde von Böckstein nach Mallnitz unterwegs, mit dem Auto rundherum sind es etwa zweieinhalb Stunden. Und zu Fuß über den Berg ist es schon eine sehr anspruchsvolle und vor allem weite Wanderung. Die Rede ist oft sogar von einem Nachbarort. Grotesk, denn schließlich werden die beiden Gemeinden von einem der mächtigsten Gebirgsmassive der Welt getrennt, dem Tauernhauptkamm. Aber der Zug verbindet und so entsteht trotz Tunnel das Gefühl der direkten Nachbargemeinde.
Würdest du sagen, dass die Schleuse auch für den Tourismus wichtig war? Hat sich dadurch etwas geändert?
Auf jeden Fall. Die Schleuse hat sicherlich auch touristische Relevanz, keine Frage. Man darf nicht vergessen, in den 60er und 70er Jahren hat es noch keine Tauernautobahn gegeben, der Straßentunnel durch den Radstädter Tauern und den Katschberg war noch nicht gegraben. Das heißt, sämtlicher Nord-Süd-Verkehr, von Deutschland beispielsweise an die obere Adria, damals war Italien sehr beliebt, ist durch das Gasteinertal gefahren und mit der Tauernschleuse weiter. Stundenlange Wartezeiten und Zig-Kilometer Stau waren die Folge. Viele Gasteiner Betriebe haben davon massiv profitiert, von Übernachtungsgästen, die einfach erschöpft waren, oder auch Gastronomen, die die Wartenden verpflegt haben, mit Essen oder einfach kühlen Getränken. Viele Gasteinerinnen und Gasteiner erinnern sich auch daran, dass sie privat Getränke entlang der Strecke verteilt haben, gegen ein Taschengeld, mein Papa hat davon auch öfter erzählt. Denn auch Klimaanlagen hat es damals noch keine gegeben.
Heutzutage reisen viele Kurgäste aus Kärnten mit der Autoschleuse an, aber ganz wichtig geworden ist die Verbindung auch für den Radtourismus. Der „Ciclovia Alpe Adria“, der Radweg von Salzburg bis Grado in Italien, entwickelt sich ja als touristisches Erfolgsmodell. Die Alpenüberquerung erfolgt dabei mit der Autoschleuse, wo dann eben kein Auto sondern ein Rad verladen wird. Hier explodieren die Transportzahlen förmlich und die ÖBB sind laufend damit beschäftigt, die Kapazitäten für den Fahrradtransport auszubauen. Hier gibt es touristisch sicherlich noch enormes Potential, auf beiden Seiten der Tauern.
Du bist ja in Bad Hofgastein aufgewachsen und lebst jetzt in Kärnten. Nutzt du die Bahn auch privat regelmäßig?
Ja natürlich, wenn ich nach Hause ins Gasteinertal fahre, nutze ich selbstverständlich die Autoschleuse. Im Herbst und Winter öfter als im Sommer, denn den genieße ich am liebsten in meiner neuen Heimat, am Wörthersee.
Wenn du nach Hause kommst ins SalzburgerLand, was machst du immer zuerst?
Heimkommen ist natürlich in erster Linie auch ankommen, bei Familie und Freunden. Ich besuche dann zuerst immer meine Großeltern und Eltern. Immer am Herzen liegt mir auch ein Besuch in meiner ‚Heimatstadt‘ Salzburg, in der ich viele Jahre als Student und beim Privatradio verbracht habe. Hier hängen auch viele schöne Erinnerungen dran die ich oft mit Freunden Revue passieren lasse, unter anderem an ‚Originalschauplätzen‘ und dann muss ich immer die richtigen originalen Mozartkugeln einkaufen, für den Eigenbedarf aber auch für Kolleginnen und Kollegen in der Redaktion, als Nervennahrung für oft stressige und herausfordernde Stunden im Job. Damit kann ich immer punkten. Ich muss sie aber im Schreibtisch verstecken, damit wir länger was davon haben und damit sie nicht sofort weg sind.
Wie schmeckt Salzburg für dich? Gibt’s eine Lieblingsspeise, die du nur zu Hause bekommst?
Es gibt viele Speisen, die ich mit Salzburg verbinde und die mich immer wieder aufs Neue überzeugen. Denn kulinarisch unterscheidet sich Salzburg durchaus stark von der Kärntner Küche, die deutlich mehr mediterrane Einflüsse hat. Aber „Erdäpfinudei“ von der Mama mit Sauerkraut, Bauernkrapfen oder Fleischkrapfen von der Oma oder Kaspressknödel von meiner Tante sind schon besonders gschmackige Gerichte aus der Heimat. Nicht zu vergessen der Alltime-Klassiker: ‚Pinzgauer Kasnock’n‘, nur echt mit ‚Bierkas‘, den ich mir dafür immer aus Salzburg mitnehme und auf Vorrat einfriere, weil er in Kärnten kaum zu bekommen ist. Mit ein wenig Abstand zu Salzburg ist es mir auch nicht mehr peinlich, in der Landeshauptstadt bei einem Besuch Salzburger Nockerl zu bestellen. Die mag ich einfach! Und die Fürst Mozartkugeln gehören selbstverständlich für mich auch zum kulinarischen Erbe von Salzburg.
Wie geht es bei dir weiter? Gibt es schon Pläne für die nächste Dokumentation?
Pläne und Ideen gibt es viele. Da jedes Landesstudio aber nur gewisse Sendeplätze für größere Dokumentationen im ORF2-Hauptprogramm zur Verfügung hat, muss man dafür immer auch ein wenig kämpfen. Deshalb heißt es mal abwarten, was es im nächsten Jahr in die Programmplanung schafft.