1.000 Jahre Gastein. Was für eine Zahl! Dabei reicht die Geschichte des Tals noch viel weiter zurück, doch das Jahr 1020 markiert die erste urkundliche Erwähnung und somit den ersten Beweis für kirchliches, gesellschaftliches und wirtschaftliches Leben in einer der schönsten Regionen der Alpen. Eine Geschichte des Wassers, des Bergbaus und des Wintersports.
Wir schreiben das Jahr 1020 AD. Papst Benedikt VIII bittet in fernen Bamberg am Hof Kaiser Heinrichs II untertänig um dessen Unterstützung gegen die Byzantiner, die Normannen setzen sich in Unteritalien fest, die Araber werden aus Sardinien verdrängt und am anderen Ende der Welt feiern die Menschen in China das Jahr des Metall-Affen. Doch kehren wir an dieser Stelle der turbulenten Weltpolitik den Rücken zu und begeben uns ins provinzielle Gastein des aufkommenden Hochmittelalters. Dort nämlich schließen gerade drei Hochadelige einen Tauschvertrag ab, der die Geschichte des Tals für immer verändern sollte.
Provincia Castuna
Der Name Gastein findet sich schon vorher in der Geschichtsschreibung. Etwa in einer Urkunde aus dem Jahr 963, in der die Einmündung der Gasteiner Ache in die Salzach als der Grenzpunkt Gastein bezeichnet wurde. Jedoch erst 1020 wird das Tal, die heutige Region, erstmalig so bezeichnet. Doch alles der Reihe nach. Hartwig, mächtiger Erzbischof Salzburgs, stellt zugunsten zweier Brüder aus dem Geschlecht der Sieghardinger, Graf Sieghard V und Diakon Friedrich, eine Tauschurkunde aus, in der nicht nur die Provincia Castuna an die beiden übergeht, sondern auch erstmalig die Pfarre in Hofgastein als Mutter-Kirche, („… ecclesis, que matre … nominantur“) genannt wird. Ein Beweis für pfarrliches- und daraus resultierend, gesellschaftliches und wirtschaftliches Leben. Im Gegenzug gehen Wals, Tierlaching und Berndorf in den Besitz des Erzbischofs über. Und der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte.
Die Geschichte Gasteins im Zeitraffer
Als erster Hinweis auf Leben im Gasteinertal gilt ein Flintbeil aus 3750 v. Chr., das 1961 unweit des Hotels Straubinger gefunden wurde. Aus der Römerzeit finden sich dann neben Spuren der Straßen über den Korntauern und den Nassfelder Tauern auch viele Münzfunde. Im achten Jahrhundert nach Christus siedeln sich schließlich bajuwarische und karantanische Bauern an. Sie machen das Land an talnahen Hängen durch Rodungen nutzbar und besetzen das Tal mit ihren Höfen. Im Jahr 1020 geht Gastein in den Besitz der Sieghardinger und wird bayerisch. Bis zu jenem Jahr 1297, als sich die Bayern Otto III und Stephan I in ersten Goldsorgen befinden und das Tal an den Salzburger Erzbischof Konrad IV von Fohnsdorf verkaufen. Die ‚Provincia Castuna‘ gehört nun endlich zu Salzburg und definiert die Südgrenze des Reichs. Und schon damals weiß man um die heilende Wirkung des Gasteiner Thermalwassers.
Flüssiges und glänzendes Gold aus den Bergen
Rasch verbreitete sich die Kunde von den Heilkräften des Wassers. Die Bekanntheit Bad Gasteins als Wildbad, eine frühe Form dessen, was später ein Kurort werden sollte, wuchs rasant. Um 1370 kommen mit Herzog Stephan II von Bayern und Meinhard VII die ersten hochrangigen Besucher ins Tal, um sich der Heilkraft des flüssigen Tauerngoldes hinzugeben.
Mitte des 14. Jahrhundert setzt sich dann der zweite Wirtschaftszweig, der das Tal für immer prägen sollte, so richtig durch. Der Bergbau nach Gold und Silber. Schon 1342 wird für Gastein eine eigene Bergbauordnung erlassen, was einer historischen Sensation gleichkommt und die Ausmaße der Schätze aus den Tiefen der Berge eindrucksvoll zeigt: eine Gesetzessammlung, die das Montanwesen regeln und die österreichische Berggesetzgebung bis ins 19. Jahrhundert prägen sollte. Trotz einiger Schwankungen bringt das Tauerngold den Menschen des Tals Wohlstand.
Bis ins turbulente 19. Jahrhundert. Das Ende des Fürsterzbistums Salzburg, die zwischenzeitliche Herrschaft der Habsburger, die Zeit der französischen Besetzung, später die Eingliederung in den bayerischen Staat und schließlich die Aufnahme in das Habsburgerreich 1816 lassen keinen Stein auf dem anderen. Dazu kommen wirtschaftliche Probleme, denn die Gewinne aus dem Edelmetallbergbau können schon lange nicht mehr den Aufwand ausgleichen. Der Niedergang ist unausweichlich, dafür nimmt das Kurwesen immer mehr Fahrt auf. In mehreren Bauabschnitten wird aus der Straubinger Wirtstaverne das legendäre Hotel Straubinger. Auch der gegenüberliegende alte Schweinestall muss der Modernisierung weichen. An seiner statt steht seit 1794 das Badeschloss. Die von Oberkunstmeister Joseph Gainschnigg im Auftrag von Erzbischof Ladislaus Pyrker und später mit Unterstützung durch Erzherzog Johann 1828 fertiggestellte leistungsfähige und für Thermalwasser geeignete Röhrenleitung von Bad Gastein nach Bad Hofgastein läutet endgültig die Neuzeit ein und ermöglichte dem nördlichen Ort ebenfalls den Betrieb einer eigenen Badeanstalt.
Gastein ist plötzlich en vogue
Franz Schubert, Franz Grillparzer, später dann Kaiser Wilhelm I., Kanzler Fürst Otto von Bismarck, Kaiser Franz Joseph I. und Kaiserin Elisabeth, zählen sich fortan zur großen Gruppe der Gasteinliebhaber und machen den Kuraufenthalt im Tal auch in den großen Städten des Österreichischen Reiches angesagt. Mit der Eröffnung der durchgehendem Eisenbahntrasse von Schwarzach-St. Veit bis Spittal an der Drau durch das Gasteinertal wird ein neues Zeitalter eingeläutet und eine bis dahin nicht zu erträumen gewesene Zahl von Gästen besuchen das Tal per Bahn.
Die Entdeckung des Heilstollens
1938 kommt es dann zur nächsten großen Entdeckung. Bei Bohrungen im Radhausberg, bei denen man eigentlich hofft, neue Erzvorkommen zu finden, stößt man plötzlich auf eine Lufttemperatur von rund 40° C und einem Gehalt an Radongas von 44 kBq/m3. In einem Stollen mitten im Berg. Eine Kombination, die der Heilkraft des Gasteiner Thermalwassers gleichkommt, dieses in seiner Wirkung jedoch merklich übertrifft. Unverhofft kommt schließlich oft und fortan erzielen Kranke mit Leiden des rheumatischen Formenkreises ausgezeichnete und nachhaltige Erfolge im neuentdeckten Heilstollen. Doch dann kommt der große Krieg über Europa, der kleinen Stein auf dem anderen lässt.
Aufkommender Wintersport
In den Nachkriegsjahren stehen Hotellerie, Gastronomie und Tourismusverantwortliche vor der großen Aufgabe, die Strukturen, Gebäude und Angebote so zu modernisieren, dass neue Gäste gewonnen und der alte Ruf Gasteins wiederhergestellt werden kann. Und die Gasteiner, mutig wie sie sind, setzen neben dem Bau moderner öffentlicher Bäder, auch auf den alpinen Wintersport als Breitenphänomen. Ausbau der Liftanlagen der Gasteiner Bergbahnen in Sportgastein, Bad Gastein und Bad Hofgastein, die Erschließung des Fulseck und der Zusammenschluss mit den Großarler Bergbahnen stellen nur einige der Meilensteine dar, die im Neubau und der Eröffnung der Schlossalmbahn 2018 gipfelt.
2020, also 1.000 Jahre nach seiner erstmaligen urkundlichen Erwähnung, ist Gastein ein Tal des Wintersports, des Naturgenusses und der Kur gleichermaßen. Eine durch und durch gesunde Alpenregion. Oder wie bereits die Kurärzte des 19. Jahrhunderts sagten, ein ‚locus amoenus’, also ein wonnig-schönes und gesundheitsförderndes Tal. Mit einer vielfältigen, aufregenden und ereignisreichen Geschichte, wie sie in dieser Form wohl kein anderes Tauerntal zu bieten hat.
Unser Buchtipp:
BAD GASTEIN – ab I an I aufgebaut
Urbane Baukultur am wilden Wasser
Der Bildband ‚BAD GASTEIN – ab I an I aufgebaut – Urbane Baukultur am wilden Wasser‘ von Judith Eiblmayr und Philipp Balga erzählt die außergewöhnliche Baugeschichte des Tourismusortes. Die Texte und Abbildungen des Bandes spannen einen Bogen von der frühen Bebauung im Dorf Wildbad Gastein über die ersten Villen des Klassizismus, über die Hotelbauten des Historismus bis zu den Höhen und Tiefen des Baugeschehens im 20. Jahrhundert. Nach jahrzehntelangem Stillstand regt sich derzeit erneut Bautätigkeit in Bad Gastein. Wie wird mit dem gebauten historischen Erbe im Rahmen der architektonischen Erneuerung umgegangen? Das Buch bietet einen historischen Überblick zur Bau- und Kulturgeschichte, aktuelle Einblicke und einen Ausblick in eine hoffentlich spannende Zukunft.