„Willst du mich ergründen, werd ich dich verschlünden“, soll es aus dem dunklen Fels ertönt sein, als zwei Almhirten in längst vergangener Zeit wissen wollten, wie tief denn der Spalt sei, aus dem das Wasser der Meeräuglquelle hervorsprudelte. Schon damals war die besondere Kraft dieses Wassers in der Region wohl bekannt und so manch einer schwor fest darauf, durch diese Gesundung erfahren zu haben. Bis heute erfreut sich die Quelle hoch über Filzmoos ungebrochener Beliebtheit. Sei es als Ort der Rast am Weg hinauf zum Almsee oder als stiller Kraftort, an dem man den Alltag einmal hinter sich lassen und Körper, Seele und auch Geist wieder in Balance bringen kann. Grund genug, um die Wanderschuhe wieder einmal auszupacken, um diesem besonderen Platz einen Besuch abzustatten.
In Filzmoos angekommen bekomme ich erstmal meinen Mund vor lauter Staunen nicht zu. Was für ein malerischer, imposanter Ort?! Schmucke Häuser reihen sich aneinander, die Mandling fließt rauschend der Salzach entgegen und die markante Bischofsmütze strahlt mit dem ebenso eindrucksvollen Gosaukamm in der Morgensonne um die Wette. Leicht fällt es mir nicht, mich von diesem Blick loszureißen, aber schließlich will ich ja beim Mittagessen schon oben auf der Oberhofalm sein. Also, rein in die Wanderschuhe und los geht’s. Start ist beim Busparkplatz, unten im Tal. Von dort geht es dann gleich links Richtung Hofalmen, später dann vorbei an der Mautstation. Während ich stetig leicht bergauf wandere, mir die Morgensonne ihre ersten warmen Strahlen entgegenschickt und ich die wunderbare Bergluft einatme, denke ich noch einmal an die beiden Hirten aus der Sage. Ziemlich unheimlich, wenn einem plötzlich aus der Tiefe solche Worte entgegenhallen? Finde ich zumindest.
Die Hirten sollen aber trotz der Warnung keine Furcht gekannt haben und eilten ins nahe Filzmoos, um vom örtlichen Weber die längste aller Garnspulen zu besorgen. „Die alten Geschichten sind doch nicht mehr aktuell, wir haben keine Angst davor hinabgezogen zu werden, wenn wir den Grund der Meeräugl bestimmen“, sollen sie laut gelacht und alle Warnungen in den Wind geschossen haben. Unter der ländlichen Bevölkerung hielt sich damals der Glaube, dass die Quelle keinen Grund habe und mit dem Meer verbunden sei. Der noch heute gängige Name stammt von dieser Vorstellung. Wieder zurück, banden die beiden Draufgänger einen schweren Stein an das Ende des Fadens und ließen ihn hinab in die Dunkelheit. Je mehr vom Garn abgespult wurde, desto banger wurden ihnen und als dann noch einmal „Willst du mich ergründen, werd ich dich verschlünden“ erklang, ließen sie alles stehen und liegen und liefen laut schreiend davon. Seit damals hat niemand mehr versucht, den Grund der Meeräugl zu ergründen.
Für mich geht es weiter durch die wirklich schöne Almenwelt über Filzmoos, vorbei an schmucken Hütten und immer wieder entlang der Mandling, die ja oben beim Almsee entspringt. ‚An der Gabelung nehmen Sie den Weg rechts Richtung Oberhofalm, um den Kraftort zu erreichen‘, sagt mein Wanderführer. Na gut, dann also rechts den Schotterweg entlang. Das Wort Kraftort bleibt bei mir hängen und ich muss an das denken, was ich gestern Abend über Filzmoos gelesen habe. Eine besonders hohen Dichte an solchen Kraftorten soll es hier geben. 16 an der Zahl. Die schwarze Lacke, der magische Sesselkreis, der Reinigungsplatz im Hachauer Wald und wie sie sonst noch alle heißen. Jeder für sich einzigartig und sicherlich einen Besuch wert.
Plötzlich liegt es vor mir, das erste Ziel meiner Wanderung. Die Meeräuglquelle. Ein wunderbar-idyllischer Ort, der durch unaufdringliche Schönheit zu wirken weiß und einen so in seinen Bann zieht. Auch wenn eine Bank zum Ausrasten einlädt, entscheide ich mich für einen Stein direkt am Wasser, entledige mich meiner Schuhe und lasse die Füße ins Wasser baumeln. Einige Meter oberhalb liegt die eigentliche Quelle, aus der eine gehörige Menge des kühlen Nasses ans Tageslicht strömt. Mehrere Wasserläufe tauchen den ganzen Ort unter und bilden ein wunderbares, natürliches Biotop für unzählige Pflanzen und Tiere. Rastend sitze ich auf meinem Stein und sehe dem Wasser beim Fließen zu. Das hat etwas Meditatives. Die Bezeichnung Kraftplatz passt hier wohl perfekt.
Nach ca. einer halben Stunde an der Quellen, barfuß watend durchs Wasser und einer kleinen Stärkung in Form eines Müsliriegels, setze ich meinen Weg hinauf zur Oberhofalm fort. Weit ist es ja jetzt wirklich nicht mehr und nach einigen Kurven sehe ich sie auch schon vor mir. Nach einem wirklich sehr guten Mittagessen auf der großen Sonnenterrasse will ich jetzt auch noch den Almsee besuchen. Einzigartig soll er sein. Fast wie von einer anderen Welt. Da kann man ja gespannt sein. Ein kurzer Weg über eine Wiese oberhalb der Alm, dann durch ein kurzes Waldstück und schon liegt er vor mir. Traumhaft spiegeln sich die Bischofsmütze und der Gosaukamm im stillen, glatten Wasser, die Vögel zwitschern ihr immer wiederkehrendes Liedchen und ich erwische mich dabei, wie ich leicht zu lächeln beginne. Kann es denn so einen Ort überhaupt geben? Wie aus einem Gemälde entsprungen. Nur noch intensiver, noch prächtiger. Ich spaziere um den See, besuche den Hochzeitsplatz und den Platz der Dankbarkeit, die beiden Kraftplätze hier oben am See und freue mich, dass ich an einem so schönen Ort sein kann. Immer wieder hebe ich staunend den Blick hinauf auf die Berge und verstehe, warum der Gosaukamm zum Welterbe Hallstatt-Dachstein/ Salzkammergut gehört. Beeindruckend.
Nach der Runde um den See genieße ich auf der Unterhofalm noch Kaffee und Kuchen und wandere dann gemütlich hinunter und zurück nach Filzmoos. Lange wird es sicher nicht dauern bis ich wieder zurückkomme, um die anderen Kraftplatze zu entdecken. Doch das ist eine andere Geschichte…
©alle Bilder: Peter Zeitlhofer-n8musik kreativwerk|stadt