Habt ihr schon einmal eine Prozession im SalzburgerLand gesehen? Ja? Sind euch die Damen im schwarzen Gewand mit den bunten Schürzen aufgefallen? Das sind die Trachtenfrauen. Fast in jedem Ort gibt es sie. Dennoch sind sie überall anders. Nuancen unterscheiden die Trachten – und machen sie besonders.
Beim schnellen Hinsehen bemerken wir schwarze Gewänder. Mit bunten Schürzen. Schaut das nächste Mal genauer hin! Es verbergen sich so viele Details in jedem einzelnen Mieder, in jedem einzelnen Überrock, in jedem einzelnen Rock.
Früher gab es strenge Regeln, wer einen Überrock anziehen darf. Vor der Heirat war das Tragen dieses Prunkstückes verboten. Erst zur Hochzeit schlüpften die Bräute das erste Mal in einen Überrock – in Schwarz. Und ohne Hut. Dieser war ein Privileg der verheirateten Frauen.
Erst in den 1970er wurde es Mode, dass die Bräute im weißen Überrock zu ihrer Hochzeit kamen und ihn danach einfärbten. Ursprünglich heirateten sie in Schwarz mit einer hellen Schürze und einem hellen Tuch.
Vor der Heirat kleideten sie sich in Miedergewand – vor allem im SalzburgerLand und in Teilen Tirols. Das Oberteil und der Rock sind getrennt und die Trägerinnen verbinden diese mit einem Silberhaken. Das Oberteil, das Mieder oder Steppmieder, ist traditionell schwarz mit verschiedenen Mustern. In städtischen Gegenden waren sie sehr elegant und gradlinig, innergebirg reichlich verziert mit Blumen, Enzianen und Edelweißen. Typisch im Pongau sind Tulpensträuße. Das Mieder ist aus Wolle, bei wohlhabenden Städterinnen war es aus Seide.
Überrock = Garnierspenzer
Hinten sind die Träger des Mieders fix, vorne angenäht. Hat den Vorteil, dass gemeinsam mit der „Rockverlängerung“ locker bis zu 8 kg zusätzliches Gewicht eingepackt werden können – so versteckten früher die Damen so manche Schwangerschaft. Die „Bluse“ war immer schwarz. Obwohl es sich nicht um eine Bluse handelte, sondern um einen „Unterrock“. Ist jetzt verwirrend, da im heutigen Sprachgebrauch der Rock ans Bein kommt. Unterrock und Überrock beziehen sich auf die „Jacke“. Und „Kittel“ war der heutige Rock. Beim schnellen Hinsehen erkennen viele den Unterschied zwischen Mieder und Überrock nicht – da alles schwarz ist. Dennoch gibt es ihn:
Der Überrock – der Garnierspenzer – ist die Festtagstracht im SalzburgerLand. Wobei Garnier das Muster und traditionell eine Ergänzung zum Miedergewand ist. Heute haben die Damen oftmals nur mehr eine Festtagstracht. Ein Überrock kostete so viel wie eine Kuh – es war nur für wohlhabendere Damen möglich.
Drüber der Garnierspenzer, drunter die lange Unterhose. Schicht für Schicht zur Trachtenfrau
Pro Gau zieren feine Unterschiede die Überröcke – auch die Schneiderinnen verewigten sich in ihrem Stil. Im Pongau und Pinzgau verschönern Blumenrankenmuster die Garnierspenzer, im Tennengau und Flachgau Rüschen und im Lungau unterlegten die Schneiderinnen die Rüschen und Blumen mit Samt.
Lange Unterhose, Unterrock, Mieder, dann Überrock. Ich fange zu lachen an, als mir die ehemalige Lehrerin für Trachtenschneiderei mir das erklärt. Mir kommt vor, dass es irgendwann dann doch heiß wird. Ja, das stimmt. Dennoch saugen die lange Unterhose sowie der Unterrock den meisten Schweiß auf und die kostbaren Trachten bleiben verschont. Schicht für Schicht Kleidung hat einen Sinn. Denn die Unterhose und den Unterrock waschen die Damen in der Waschmaschine.
Zu jedem Überrock gehört eine Seidenschürze und ein gleichfarbiges Tuch. Ursprünglich schmückten Schürzen aus einer Mischung aus lachsfarben und rosa die Bäuerinnen im Pongau. Mittlerweile entscheidet die Trägerin. Es gibt keine Richtlinien. Beispielsweise tragen die Trachtenfrauen in Großarl eher pastellige Farben, in Kleinarl sehr kräftige. Bei Beerdigungen sind die Schürze und das Tuch schwarz. Sicher wisst ihr, dass es etwas auf sich hat, wo die Dirndlschürze gebunden ist?
Bei Überröcken binden Frauen ihre Schürze immer rechts, weil frau es verboten war, ihn vor der Hochzeit zu tragen. Bei Miedergewändern binden die ledigen Damen links, die verheirateten rechts. Diese Regel gilt auch für normale Dirndlkleider.
Zu jedem Überrock gehört ein Hut mit gestickten Seiden- oder Samtbändern, der passende Schmuck sowie ein schwarzer Beutel mit Goldstickereien.
Überrock-Damen bei großen kirchlichen Festen
Diesen Augenschmaus an edlen Trachten geschmückt mit bunten Schürzen erlebt ihr bei Prozessionen. Dort treten die Trachtenfrauen gesammelt auf. Die schwarzen Schönheiten glänzen mit ihren bunten Seidenschürzen, die Schmucksteine glitzern in der Sonne, die gleichmäßige Andersartigkeit verzaubert.
Auch bei Jubiläumsfesten legten die Vereine (früher) großen Wert darauf, dass Ehrendamen im Überrock den Gastvereinen die Ehre erwiesen.
Verheiratet, Bäuerin oder zumindest eine Dame aus der ländlichen Bevölkerung (Die Bürgerinnen aus der Stadt hatten ihre eigenen Trachten. Wahrscheinlich hätten sie bei den Bäuerinnen gar nicht mitgemacht…). Diese „strengen“ Regeln lockern die Trachtenfrauen heutzutage auf. Denn ihnen ist es wichtiger, dass junge Damen die Tradition weiterleben. Dass das Kulturgut bestehen bleibt. Dass sie die Tracht mit Stolz tragen. Wenn ihr von eurer Oma einen Überrock bekommt, dann fragt einfach nach, wann ihr das nächste Mal dabei sein dürft. Egal, ob verheiratet oder nicht. Ob Bäuerin oder nicht. Vielen ist es wichtiger, dass die Tradition erhalten bleibt und sich an die aktuellen Zeiten anpasst.
Einige Trachtenfrauen sind in einem Verein organisiert, manche sind lose Botschafterinnen des Kulturgutes – oftmals ist die Ortsbäuerin die Ansprechpartnerin.
Werktagsdirndl, Festtagsdirndl, Überrock
Früher hatte jeder Tag sein Dirndl. An Werktagen trugen die Dirnen, die Mägde, ihr Werktagsdirndl: praktisch zum Hernehmen, zum Hertragen. Apropos tragen:
Tracht kommt vom Wort tragen. Nicht wie wir manchmal annehmen von traditioneller Kleidung. Die Dirndlkleider wurden früher getragen. Tagein, tagaus.
An Sonntagen kleideten sich die Bäuerinnen in ihrer Sonntagstracht. Echte Trachten sind seit Jahren gleich – sie haben das gleiche Muster, den gleichen Schnitt, die gleichen Knöpfe, die gleiche Schnürung, die gleiche Schürze. Viele Regionen tragen ihre Tracht. Diese entwickelten sich in Gebieten, wo Modetrends erst viel später eingetroffen sind – meist in ländlichen Regionen, Tälern und Orten.
In den Städten gibt es keine einheitlichen Trachten, weil neue Modestile zu schnell neue Interessen brachten.
Im Pongau strahlen die Werktagstracht und die Festtagstracht in ähnlichen Farben. Sind im Wesen jedoch unterschiedlich: Die Werktagstracht aus Baumwolle besteht aus einem blauen Kleid mit rosa Schürze, die Festtagstracht glänzt im blauen Oberteil mit schwarzem Rock und einer rosa Seidenschürze. Obwohl Blau und Rosa in diesem Fall nicht die gleichen Farben sind.
An besonderen Festtagen führten die Damen ihr Miedergewand aus. Viele konnten es sich nicht leisten, eine Sonntagstracht und ein Mieder zu haben. Meistens besaßen die Damen eines davon – außer die sehr gut gesitteten.
Und an den ganz besonderen kirchlichen Feiertagen – die mit einem Umzug (Prangertage, Prozession, Erntedank) – putzten sich die Bäuerinnen mit ihren Überröcken raus. Das ist bis heute geblieben. Und diese besondere Tracht darf auch an Hochzeiten, Taufen oder Beerdigungen aus dem Schrank.
Fakten zum Überrock & zu den Trachtenfrauen
Mindestens 4 m2 Stoff vernäht eine Schneiderin für den Rock und den Überrock. Dazu noch 1,5 bis 1,8 m Reinseiden-Duchesse für den Aufputz. Also, für die Rüschen, die Ranken, die Blumen. Das ist der teuerste Stoff des Überrocks.
Aus dieser Stoffbahn formen sie zum Beispiel Blumen mit je 8 Blättern. Rund 45 Blumen schmücken einen Überrock. Ihr könnt es euch denken oder?
160 bis 170 Stunden rechnen Trachtenschneiderinnen für einen Überrock. Reinste Handarbeit. Dementsprechend hoch ist der Preis. Unter € 2.500,- findet ihr keinen. Die Preise nach oben kennen keine Grenzen – je nachdem, wie viel Liebe ihr in euren Überrock steckt. Bzw. der Schneiderin mitteilt, was alles drauf soll: schwarze Perlen, Schmucksteine und sogar Manggei-Zähne oder Hirschkral. Und bedenkt, dass jeder Überrock eine bunte und eine schwarze Schürze benötigt.
Auch für die Trachtenschneider*innen, die Sticker*innen und die Hutmacher*innen spielen die Überröcke in der obersten Liga. Es ist höchste Schneiderkunst, einen Überrock zu nähen und zu verzieren.
Jedoch lassen sich vererbte Schmuckstücke leicht anpassen. Egal, ob der Überrock zu kurz, zu lang, zu eng oder zu weit ist. Die Trachtenschneiderinnen finden eine Lösung.
Plant zum Anziehen mindestens 20 Minuten ein. Besser eine halbe Stunde. Es ist eine Kunst – ein Kulturgut – wie ihr diese Tracht anzieht. Dies geben die Trachtenfrauen gerne an ihre Töchter weiter. Idealerweise seid ihr beim Anziehen zu zweit – schaffen könnt ihr es auch allein. Nicht vergessen: Die passende Frisur. Die schönsten offenen Haare wirken unterm Hut nicht. Besser ist eine tiefe Hochsteckfrisur.