Wie ein Formel 1-Renningenieur feilt der Forstauer Servicemann Richard Weißenbacher am perfekten Setup von Local Hero und Top-Rennläufer Manuel Feller. Ein Blick über die Schulter des Atomic Service-Profi bei seiner Arbeit im Rennzirkus.
Unvergessen der Moment, als Manuel Feller beim Weltcup Finale 2024 in Saalbach nach einer entfesselten Fahrt und dem zweiten Platz vor 50.000 begeisterten Zuschauern die kleine Kristallkugel der Slalomwertung jubelnd in Händen hielt. Mindestens genauso laut gejubelt hat in diesem Moment aber auch Feller-Servicemann Richard „Richie“ Weißenbacher. Denn, dass die letzte Saison so richtig gut gelaufen ist mit neun Slaloms und nie einem schlechteren Resultat als Platz fünf und Feller zur Krönung die begehrte Kugel in Händen halten konnte, geht nicht zuletzt auch auf das Konto seines Servicemanns aus dem SalzburgerLand.
Fellers Schatten
Fragt man Richie, wie eng seine Zusammenarbeit mit dem Rennfahrer ist, so lacht er: „Ich bin wie sein Schatten!“ Ein nicht ganz unauffälliger Schatten, denn der gebürtige Steirer ist mit seinen 1,94 m Körpergröße und tätowierten, muskulösen Armen eine echte Type. Wie eben Manuel Feller auch, vielleicht harmonieren die beiden deswegen so gut? „Am Musikgeschmack kann es nicht liegen“, lacht Richie, der als eingefleischter Rocker mit dem Reggae Dancehall von Manuel wenig anfangen kann. „Doch in den letzten fünf Jahren haben wir uns wie ein altes Ehepaar gut zusammengelebt.“ Es war nach der Olympiade in Korea, als er nach zehn Jahren im Rennservice von Atomic gefragt wurde, ob er Lust hätte, einen Top-Läufer zu betreuen. „Man sagte mir nur, der Läufer hätte lange Haare – es konnte also nur Mikaela Shiffrin oder Feller sein und ich sagte begeistert zu. Seitdem bin ich Manus Schatten und im Renngeschehen immer an seiner Seite.“
Doch lange vor dem Renntag beginnt die Arbeit des Servicemanns, wie Richie erklärt: „Anfangs sah ich mir viele Läufe von Manuel auf Video an, analysierte und brachte Ideen ein, was man im Setup ändern oder verbessern könne. Nach der Umsetzung sind wir bis heute grundsätzlich bei diesem Setup geblieben. Im Setup gibt es 100.000 Möglichkeiten, an denen man tüfteln kann – Bindung, Platte, Sprengung, Belag, Kante … da kann man sich auch völlig hineinsteigern und falsch abbiegen.“ Falsch abgebogen sind die beiden, die auch bei der Anreise im Auto meist ein gutes Team aus Fahrer und Beifahrer bilden, noch nie. Der mit Frau und Kindern in Forstau lebende Steirer erinnert sich noch gut an die erste gemeinsame lange Anfahrt zu einem Training: „In den acht Stunden nach Zermatt lernten wir uns gut kennen. Wir ticken in vielem ähnlich und beim Skifahren ist Manuel wie beim Fischen oder in der Musik – wenn er etwas macht, dann richtig und mit ganzem Herzen.“
Kein 9-to-5 Job
Mit ganzem Herzen ist auch Richie dabei, wenn er noch vor der Anreise zum nächsten Rennort mit Locals telefoniert, den Wetterbericht studiert und mit seinen Erfahrungswerten aus seiner eigenen Zeit als Skirennläufer die richtigen Paar Ski für den Renneinsatz einpackt. „Man kennt die Piste, man kennt den Kurssetzer, sieht die Wetterprognosen und packt sechs bis acht Paar Ski mit einer Grundpräparierung ein. Nach der Ankunft geht es für mich gleich mal zum CheckIn im Skiraum, wo ich meinen Arbeitsplatz aufbaue und vom Trainer schon die ersten Infos direkt von der Piste bekomme. Nach den ersten Trainingsläufen kommuniziere ich wieder mit Manuel und bereite mindestens vier Paar Rennski, zwei Reserveski und ein paar Backups vor. Da endet der Tag im Skiraum meist nicht vor 20 oder 21 Uhr.“ Am Renntag kommt Richie mit Manuel und den Skiern auf den Berg, wie er schmunzelnd meint: „Da bin ich wieder sein Schatten. Ich sehe mir die Läufe vor ihm an und bekomm so ein Gespür für die Piste. Falls durch einen Temperatursturz oder plötzlich einsetzenden Regen eine Planänderung ansteht, zaubere ich selbst oben am Start dafür immer noch ein paar Asse aus dem Ärmel. Da haben wir alle unsere eigenen Schmähs.“ Ist Manuel dann an der Reihe, ins Starthaus zu gehen, klopft der Servicemann den Schnee von den Schuhen, hilft in die Bindung und kontrolliert den Anpressdruck. Kurz vor dem Start wird der Belag abgewischt und eventuell angeeiste Kanten frei gemacht. Und dann öffnet sich das Startgate und Richie kann nur noch Daumen drücken.
Stunden für Sekunden
Rund eine Minute dauert eine Abfahrt für den Läufer, in der sich zeigt, ob das in vielen Stunden erarbeitete Setup genau so funktioniert, wie geplant. Unten im Ziel wartet schon Andreas Dudek, technischer Koordinator von Atomic, der von Manuel die ersten Infos holt, während Richie selbst vom Berg fährt, um diese Infos und die eben gefahrenen Rennski abzuholen. Damit geht es bis zum zweiten Durchgang wieder an die Werkbank, um weiter zu optimieren. Eine Tüftelei, wie Richie meint: „Der Bereich, wo alles ideal läuft, ist schmal. Da muss das Setup genau eingestellt sein.“ Und nach dem Rennen ist vor dem Rennen, da werden gleich die Skier wieder eingewachselt und es geht zum nächsten Austragungsort. Außer, es gibt einen Podestplatz zu feiern: „Dann trinken wir erst einmal gemeinsam ein Bier auf unseren Erfolg.“ Der Erfolg und die Lorbeeren werden im Team geteilt, denn Rennläufer und Servicemann bilden eine Symbiose. Auch wenn es Manuel ist, der durch die Tore muss, ohne die Abstimmung und das Feintuning seines Servicemanns würde er es vielleicht nicht beständig aufs Podium schaffen.
Gespür, Können und Handarbeit
Als Schnittstelle zwischen dem Läufer und seinem Material setzt der Servicemann mit viel Erfahrung und noch mehr Gespür um, was der Athlet haben will, damit er schnell Skifahren kann. Dafür muss man gut hinschauen und hineinhorchen und auf eine große Portion Können zurückgreifen können. Für Richie kein Problem, denn er versteht sein Handwerk, das er sich über die vielen Jahre im Rennzirkus angeeignet hat. In den Skiraum hat natürlich niemand Zutritt, denn wie bei allen Nationen gibt es die einen oder anderen geheimen Tricks für einen schnellen Ski. So viel sei aber verraten: „Wir Österreicher machen die Kanten noch von Hand! Das ist zwar viel Arbeit und Tüftlerei, aber es zahlt sich aus. Und wenn man am Ende gemeinsam jubelt, ist der Aufwand ohnehin vergessen.“
Gejubelt wird hoffentlich auch bei den FIS Alpine Ski Weltmeisterschaften von 4. bis 16. Februar 2025 in Saalbach, dem Heimspiel für Manuel Feller. „Saalbach wird auf jeden Fall interessant. Der Slalom am Zwölfer schiebt schön, da kann Manuel richtig schnell sein. Beim Riesenslalom wird es ordentlich zum Ziehen, aber Manuel wird bei seinem Heimrennen alles hineinlegen in seine Läufe! Der Druck ist dann natürlich auch für mich hoch, aber ich freue mich auf die Weltmeisterschaft in Saalbach!“
Alle Informationen zur FIS Alpine Ski WM in Saalbach findet man unter www.saalbach2025.com