Vom Senner-Sein, archaischen Naturgewalten und dem alljährlichen Almsommer-Blues…
Georg und Christina Meilinger aus Bramberg sind die Senner der Seebachalm unterhalb des idyllischen Seebachsees in der Venedigergruppe. Sie leben den Traum vieler Städter: denn gemeinsam mit ihren beiden Söhnen Georg jun. und Jakob verbringen sie den ganzen Sommer mit Schafen, Kühen und Pferden auf ihrer Alm auf 1.992 m. „Allein sind wir dort oben aber nicht, denn wir haben ja uns und das Vieh“, meint der junge Landwirt Georg schmunzelnd. Und wenn er vom Vieh spricht, dann meint er 600 Schafe, 10 Pferde und 80 Rinder. Der Großteil ist Leihvieh von Bauern ohne Almflächen. Diese vierbeinigen Sommergäste verbringen mit der Familie Meilinger hoch oben im Nationalpark Hohe Tauern den Almsommer.
Nicht immer einfach – aber einfach schön
Den verklärt-träumerischen Blicken, wenn man von Sennern und Almsommer erzählt, nehmen sie schmunzelnd ein wenig Wind aus den klischee-geblähten Segeln: „Der Almsommer ist traumhaft schön – aber geprägt von harter Arbeit.“ Schon ab Juni ist Georg auf der Alm, Christina ist Lehrerin und kommt mit den beiden Jungs in dieser Zeit nur an den Wochenenden nach. In den Ferien packen auch sie am heimischen Hof ihre sieben Sachen und übersiedeln für die Ferienzeit zu Georg auf die Alm. Georg ist dem Ruf des Almsommers schon als kleiner Junge gefolgt und kennt die Verpflichtungen, Mühen und erhebenden Momente. Schon mit sieben Jahren wurde er zum Hüten der Schafe auf die Alm geschickt. Die Versorgung der Seebachalm erfolgt durch eine kleine Materialseilbahn oder zu Fuß. Mit einem Auto erreicht man die Hütte nicht. „Im Zweifelsfall müssen wir eben den Rucksack packen und den Einkauf am Rücken nach oben tragen“, meint Christine Meilinger achselzuckend. Christina, die mit ihrem Mann das „Baderlehen“ am Eingang des Habachtals bewirtschaftet, ist zwar Landwirtschafts-Quereinsteigerin, doch das Almleben ist ganz nach ihrem Geschmack. Sie meint: „Auch wenn es nicht immer einfach ist – oder gerade, weil alles dort oben so einfach ist.“
Eine Parallelwelt
Einen Fernseher sucht man auf der Seebachalm vergeblich – nein, nicht mal elektrischen Strom gibt es auf der Alm. Die Abende sind aber ohnehin selten lang, man ist einfach müde vom Tagwerk. Die 6- und 9-jährigen Brüder vermissen den Fernseher nicht, sie spielen am liebsten mit den Eltern Karten. Eine kleine Photovoltaikanlage sorgt für genug Strom zum Laden des Handys. „Über das Handy lesen wir auch Nachrichten und checken den Wetterbericht.“ Das ist enorm wichtig, denn Gewitter oder Wintereinbrüche auf dieser Höhe sind nicht ungefährlich. „Es kam schon vor, dass wir im August die Schafe von den Höhen runtertreiben mussten, da am nächsten Tag vierzig Zentimeter Schnee fiel.“ Und immer gilt die Sorge der Meilingers ihrem Leihvieh.
Arbeitsreicher Alm-Alltag
„Um fünf Uhr früh starten wir einmal die Woche, um nach den Schafen zu sehen. Kreisende Geier zeigen meist ein verunfalltes Tier an. Die Schafe verziehen sich oft bis in Regionen um 3.000 m Höhe – ein langer und felsiger Marsch für uns. Die Rinder zählen wir täglich – da helfen uns natürlich auch die Jungs mit Begeisterung. Um 11 Uhr sind wir wieder an der Hütte, denn es kommen immer hungrige Wanderer vorbei, die wir mit einer kleinen Jause und Getränken versorgen. Die Wanderung hinauf zum Seebachsee ist echt ein Tipp für alle Wanderer und Naturliebhaber. Sind wir mal nicht pünktlich zurück, finden sie im Brunntrog Getränke eingekühlt. Ab etwa 14 Uhr kümmern wir uns wieder um die Almwirtschaft – da ist ohnehin immer genug zu tun. Trotz all der Arbeit haben wir eine wunderschöne Zeit dort oben und viele magische Momente: unvergleichliche Sonnenaufgänge, spektakuläre Regenbogen nach einschüchternden Gewittern, freudige Lämmergeburten, entspannte Familienabende oder einfach die unglaubliche Stille unter den Sternen.“
Am ersten Samstag im September packt die Familie wieder ihre Sachen und die Meilingers machen sich bereit zum Almabtrieb. „Um diese Zeit freuen wir uns ehrlich gesagt schon wieder auf daheim. Warmwasser, ein komfortables Bett, ein Bier mit Freunden und viel Platz. Das lernt man in den Sommermonaten auf der Alm schon sehr zu schätzen. Und doch setzt jedes Jahr erneut Wehmut ein, wenn wir den Almsommer beenden. Der Almsommerblues sorgt aber auch dafür, dass wir uns den ganzen Winter lang auf den nächsten Almsommer hoch oben am Berg auf der Seelbachalm freuen!“