Wo vor tausenden Jahren schon Samer mit ihren schwer beladenen Pferden, Viehhirten und Handwerker auf ihrem Handelsweg von Norden nach Süden über den Tauern Richtung Venedig zogen, bewegen sich heute erholungssuchende Biker, Wanderer und Naturliebhaber entlang des Krimmler Achentals und genießen – damals wie heute – die Gastfreundschaft des Krimmler Tauernhauses.
Über steile Wege, vorbei an dem beeindruckenden Naturschauspiel der Krimmler Wasserfälle, mit einer Fallhöhe von 380 m die fünfthöchsten Wasserfälle der Welt, geht es ins malerische Krimmler Achental. Anfangs zeigt sich das Tauerntal noch wildromantisch und die schäumende Ache rauscht durch die mächtigen Felsblöcke den Wasserfällen entgegen. Doch schon oberhalb des Schönrainbühles öffnet sich der flache Talboden und über sanfte grüne Almweiden, entlang großer Zirbenwälder, schlängelt sich hier das Wasser ruhig und beschaulich.
Das Krimmler Tauernhaus, in der Außenzone des Nationalparks Hohe Tauern, ist nicht nur durch die Lage in der einzigartig idyllischen Landschaft des Krimmler Achentals ein echtes Juwel: Seit dem Jahr 1389 ist das Krimmler Tauernhaus Schutzhütte, Gasthof und Bergrettungsdienst für Reisende und Wanderer. Die Familie Geisler bewirtschaften das über 600 Jahre alte Tauernhaus und die dazugehörige Landwirtschaft bereits seit 1507 und sie sind auch die einzigen Menschen, die ganzjährig im Achental leben. Seit 1984 der Nationalpark Hohe Tauern errichtet worden ist, ist das Krimmler Tauernhaus auch der einzige Bauernhof auf Nationalparkgebiet.
Wechselhafte Geschichte des Tauernhauses
Friedl und Gundi Geisler, die 1999 den Betrieb übernommen haben, sind sich der jahrhundertealten Tradition ihres Hauses bewusst und erzählen von den Anfängen: „Der Übergang über den Tauern ins Südtiroler Ahrntal war immer schon viel begangen. So war das Krimmler Tauernhaus – oder Taferna, wie man damals sagte – eine oft lebensnotwendige Raststation für Reisende oder Viehhirten, die ihre Kühe von Südtirol auf die Weiden im Achental trieben. Gegen eine erzbischöfliche Zuwendung von 20 Metzen Getreide war es damals die ganzjährige Pflicht der Wirtsleute, den Weg instand zu halten, arme Wanderer zu verpflegen und Verletzte Reisende zu bergen und zu pflegen.“
So blickt das Tauernhaus auch auf eine abwechslungsreiche Geschichte mit vielen Höhen und Tiefen zurück. Missernten, Rückläufige Frequenz auf der Handelsroute und strenge Winter sorgten für Hungersnöte. Erst mit der Gründung des Österreichischen Alpenvereins im Jahr 1862 wurden die Alpen für eine neue Gästeschicht, die Wanderer, erschlossen. Nach den Wirren der beiden Weltkriege setzte sich im Sommer des Jahres 1947 ein wahrer Flüchtlingsstrom über den Tauern in Bewegung. 5000 heimatlose Juden traten ihre Flucht über Südtirol nach Palästina an. Zwischen Wegsehen, passieren lassen und aufopfernder Unterstützung dieser Judenwanderung spielte auch das Tauernhaus, mit seiner damaligen Wirtin Liesl Geisler, eine zentrale helfende Rolle. Sie verpflegte die in der Nacht ankommenden Gruppen von bis zu 300 Personen und bot ihnen Platz zum Rasten für diesen so beschwerlichen Weg über den Tauern. Neben einer Gedenktafel am Tauernpass erinnert heute noch ein jährlicher Gedenkmarsch. Dieses „Alpine Peace Crossing“ findet Ende Juni mit dem Krimmler Friedensdialog statt.
Trotz der Abgeschiedenheit des Tauernhauses könnte sich Friedl Geisler kein schöneres Zuhause für sich und seine Familie vorstellen: „Ich bin hier aufgewachsen, da bin ich daheim. Heute sind wir mobil und selbst im tiefsten Winter für Schneeschuhwanderer, Tourengeher oder über die Loipe gut erreichbar. Da hatten es meine Vorfahren schon bedeutend schwerer, denn der Schulweg war für die Kinder extrem beschwerlich und nicht ungefährlich. Das erste geländegängige Motorrad – das Gebirgsdreirad – und der Motorschlitten, den mein Vater 1964 gekauft hat, erleichterten das Leben hier enorm. Heute ist das Krimmler Achental als Teil des Nationalparks autofrei, doch können Besucher mit dem Nationalpark Tälertaxi oder dem Pistentaxi kräftesparend anreisen.“
Oischneidnidei und Gamsbraten
Zahlreiche Mountainbiker auf der Transalp-Route von Chiemsee bis zum Gardasee sind Hausgäste im Tauernhaus. Mit Waschplatz, Bike-Garage, Waschmaschine und Trockner haben sich die Geislers auf die Bedürfnisse dieser neuen Gästeschicht gut eingerichtet. Fast zu 80 % ist das Tauernhaus Selbstversorger und so stammen die servierten Speisen wie Graukas, Wurst, Wildbret, Jogurt, Butter und Milch natürlich aus der eigenen Landwirtschaft und Jagd. Während Gundi in der Küche die Spezialistin für traditionelle Hausmannskost ist (Tipp: unbedingt die Oischneidnidei probieren) zaubert der gelernte Koch Friedl gerne Klassiker der Österreichischen Küche oder Wildgerichte wie den Gamsbraten auf Wilderer-Art. Ein Highlight im Almsommer des Tauernhauses ist das im September stattfindende Schutzengel-Ranggeln. Alle zwei Jahre treffen am ersten Sonntag des Septembers (Schutzengelsonntag genannt) an die 120 Ranggler aus Südtirol, Salzburg und Tirol zusammen, um ihren „Hogmoa“ bei dieser traditionellen Form des Ringkampfes zu küren.
Man meint, Friedl Geislers Tag müsse mehr als 24 Stunden haben, denn neben Gasthaus, Landwirtschaft und Jagd hat er auch noch mehre Ehrenämter, so ist er auch Obmann der Tauernweggenossenschaft, doch der Hüttenwirt verneint lachend: „Ich muss zwar hier das ganze Jahr präsent sein, doch meine Familie und die Mitarbeiter unterstützen mich. Da kann ich mir sogar einmal einen Berglauf zu meinen eigenen Logenplatz einteilen: Der Rosskarkopf unterhalb des Rainbachsees. Wenn mein Kopf voll ist komm ich hier rauf, das gibt mir Energie und ist nebenbei noch ein gutes Training für die Langlaufmarathons, die ich im Winter bestreite.“
Das Krimmler Tauernhaus ist übrigens eine offizielle „SalzburgerLand“ Almsommerhütte.
Kontakt
Krimmler Tauernhaus
Familie Geisler
Tel. +43 (0)664 26 12 174
www.krimmler-tauernhaus.at
Weitere lesenswerte Informationen über das Krimmler Achental und die Geschichte des Tauernhauses findet man in dem Buch „Das Krimmler Tauernhaus und seine Umgebung in Geschichte und Gegenwart“ des Salzburger Nationalparkfonds.