Mein Wecker zeigt 05:00 Uhr. Draußen ist es noch dunkel. In diesem Moment hätte ich mich am liebsten noch einmal umgedreht und einfach weiter geschlummert. Mein Liebster denkt sich vermutlich dasselbe, denn jetzt höre ich ihn neben mir laut seufzen. Warum muss unser erster freier Tag schon in aller Herrgottsfrühe beginnen? Und dann fällt es mir wieder ein und ich bin mit einem Schlag hellwach: Die Ballonfahrt! Heute ist es soweit!
Am vereinbarten Treffpunkt angekommen, werden wir auch schon von unserer gut gelaunten Ballonpilotin Heidrun Prosch und ihrem Begleiter, der, wie wir wenig später erfahren, mit seinem Kleinbus die Verfolgungsjagd auf unseren Ballon aufnehmen wird, begrüßt. Wobei meine Aufmerksamkeit sofort von dem Ungetüm, das sich auf dem Anhänger befindet, gebannt wird: Ein überdimensionaler Picknickkorb lugt unter einem gelben Meer aus Ballonseide hervor.
Von einem Moment auf den anderen verdunkelt sich der inzwischen zartblaurosa gewordene Himmel ein wenig. Heidrun zückt ihr Handy und konsultiert den Wetterbericht. Ihr Stirnrunzeln lässt mich einen Moment zweifeln, ob wir denn überhaupt abheben können. Doch dann blickt sie mit einem Mal entschlossen auf und sagt zuversichtlich: „Heute klappt es. Wir starten gleich los.“ Mein nervöses Zittern weicht augenblicklich einem aufgeregten Prickeln und auch in den Augen meines Partners sehe ich, wie sich freudige Erwartung breit macht.
Langsam geht es nach oben
Der gelbe Ballon liegt ausgestreckt auf dem noch feuchten Gras und wird vor unseren Augen von Sekunde zu Sekunde größer, bis er sich unter lautem Getöse schließlich majestätisch in den Himmel reckt. Jetzt scheint der Moment gekommen zu sein, in den Weidenkorb zu klettern und wir sputen uns, der Einladung nachzukommen. Zentimeter um Zentimeter hebt sich das monströse Ding vom Erdboden ab und gleitet sachte in die Lüfte.
Nachdem uns Heidrun via Funkgerät beim Tower des Salzburg Airports angemeldet hat, schweben wir kurze Zeit später auf einer Seehöhe von 2.438 Metern beinahe lautlos in der Luft. Der Gasbrenner hat vorübergehend Pause und das einzige Geräusch, das man hört, sind unsere entzückten „Ahs“ und „Ohs“, als wir auf die sanft hügelige Landschaft unter uns blicken, die im Licht der aufgehenden Sonne zunehmend an Farbintensität gewinnt. Die blauen Wassertupfer, die das Grün des Salzburger Seenlands prägen, machen den Anblick doppelt so reizvoll. Über uns das endlose Sommerblau des Himmels – die Weiten des Luftmeeres. Hatte der Ballon eben noch wie ein schweres Ungetüm auf mich gewirkt, so erscheint er nun leicht wie eine Feder. Ich reiße mich für einen Augenblick von den bezaubernden Wasserfarben los, um mich zu meinem Schatz umzudrehen. Als hätte er meinen fragenden Blick erkannt, erklärt er mir, weshalb ein Ballon überhaupt fliegen kann… äh Pardon, „fahren“, wie uns Heidrun wenig später aufklärt.
Heißluftballon – eh klar!
Dass der Ballon mit uns fünf Passagieren an Bord überhaupt abheben und sich in der Luft halten kann, hängt damit zusammen, dass warme Luft leichter ist als kältere und somit aufsteigt. Ergo der Name „Heißluftballon“. Klingt eigentlich logisch. Wie zum Beweis betätigt Heidrun den Brenner, der die Luft im Schirm aufheizt. Sogleich hebt sich der Ballon ein Stück. Meinem Schatz zufolge handle es sich dabei um simpelste Physik, derer sich das Konzept des Ballonfahrens bediene. „Die primitivste Form des Fliegens“, nennt er es und meint das dabei ganz und gar nicht abwertend. Und das ergibt gleich noch mehr Sinn für mich, als ich bedenke, dass es sich dabei tatsächlich um die erste Fortbewegungsmöglichkeit der Menschen in der Luft handelt. Bis dato hatten unsere Vorfahren nur die Schifffahrt gekannt und so war es für sie auch naheliegend, die Ballone „Luftschiffe“ zu nennen. Außerdem habe der Ballon ja keine Flügel, mit denen er „fliegen“ könne, fügt Heidrun mit einem kleinen Augenzwinkern hinzu.
„Das ist auch der Grund, warum sich ein Ballon nicht steuern lässt“, fährt sie im nächsten Atemzug trocken fort. Wir blicken die Frau, die auf uns komplett unerschrocken wirkt, etwas unsicher an, doch sie beruhigt uns sogleich: Es sei dennoch möglich, die Richtung zu beeinflussen. Das hänge mit den Luftschichten zusammen, in denen der Wind in unterschiedliche Richtungen wehe. Allerdings erfordere das Handling einiges an Übung – ein Glück, dass es sich bei unserer abenteuerlustigen Ballonpilotin keineswegs um eine Anfängerin handelt – „und überhaupt“, so fragt sie uns abschließend, „liegt der Reiz nicht auch darin, sich einfach mal ohne konkretes Ziel vor Augen vom Wind treiben zu lassen?“
Unter uns die Trumen Seen
Also doch nicht bloß heiße Luft. Ich denke über ihre Frage nach und mir kommt die Zeile aus Reinhard Meys Lied in den Sinn: „Über den Wolken, muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“. Damit dürfte er Recht haben – näher kann man diesem Gefühl von endloser Weite wohl kaum kommen. Bevor es jedoch Zeit wird, den Himmelsbalkon zu verlassen, kuschle ich mich nochmals an meinen Liebsten und wir beide genießen schweigend diesen Moment vollkommener Weltentrücktheit. Staunend schweifen unsere Blicke über das Glitzern der Trumer Seen, die sich von hier oben aus gut erkennen lassen, die bestellten Felder der vielen fleißigen Salzburger Bio-Bauern, die bald damit beginnen werden, ihre Ernte einzufahren, hinüber zur VEGA Sternwarte am Haunsberg, welche das drittgrößte Teleskop Österreichs beherbergt… Wahrhaftig, es ist schon pures ein Glück, hier leben zu dürfen!
Die knapp 1,5 Stunden scheinen wie im Flug vergangen zu sein und schon beginnt Heidrun, die warme Luft aus unserem Ballonschirm entweichen zu lassen. Wir sinken langsam, die Felder unter unseren Füßen kommen immer näher und jetzt erkenne ich auch den Kleinbus, der uns entgegengefahren kommt. Unser Korb berührt schon fast den Boden. Aber nur fast. Anmutig gleitet er über die raschelnden Grashalme. Mit viel Fingerspitzengefühl und in gekonnter Teamarbeit setzen Heidrun und ihr Kollege den Korb direkt auf der Ladefläche des Anhängers ab. Unter Klatschen und Jubelrufen beglückwünschen wir sie zu dieser sanften und punktgenauen Landung.
Keine Ballonfahrt ohne Taufe
Zurück am Ausgangspunkt erwartet uns noch eine Überraschung: Wir werden getauft. Heidrun zündet eine Haarsträhne meines Partners an, welche sie sogleich darauf mit Sekt ablöscht, und verkündet feierlich „Ich taufe dich mit dem Feuer, das uns in die Luft trägt und dem Wasser, das wir so sehr lieben. Du hörst ab heute auf den Namen mutiger Himmelstürmer, sanft Landender vom Salzburger Alpenvorland“. Ab nun gehören wir dem Ballonfahrer-Adelsstand an. Stolz grinsen wir uns gegenseitig an. Und nun ist mir auch klar, weshalb wir heute Morgen so früh aufstehen mussten: Inzwischen heizt die Sonne schon ganz schön vom Himmel, sodass es ein Leichtes ist, sich vorzustellen, wie sich dies auf die Thermik auszuwirken vermag.
Daten, Fakten, Infos
Heidrun Prosch nutzt jede Gelegenheit, um mit ihrem heißgeliebten Ballon „Sunshine“ abzuheben. Wer sie auf einer ihrer Fahrten begleiten möchte, kann dies unter Voranmeldung beim Ballonclub Salzburg tun. Die Ballonfahrt eignet sich auch als perfekte Geschenkidee. Für besondere Anlässe bietet sich eine exklusive Zweierfahrt an.
Hier noch ein paar interessante Daten und Fakten zur Ballonpilotin Heidrun Prosch:
- Anzahl absolvierter Ballonfahrten: weit über 1.971 (rund 70 Fahrten im Jahr)
- Längste Tour: 250 km von Gosau bis Hohenems
- Höchste Tour: über 5.000 m von Zell am See bis zum Gardasee
- Seit 2002 Inhaberin des Damenhöhenweltrekords für Heißluftballone, nachdem sie mit ihrem Ballon als erste Frau auf 10.783 Meter über dem Meeresspiegel gestiegen war (bei minus 52 Grad Celsius)
- Auf die Frage nach dem Warum: „Jede Ballonfahrt von einer Stunde ist wie ein paar Tage Urlaub. Da gibt’s nur das Hier und Jetzt.“
Wer beschneite Berggipfel der sommerlichen Seenlandschaft vorzieht, der kann sich auf den nächsten Winter freuen und setzt sich am besten zeitgerecht mit einem der Anbieter für Ballonfahrten im Innergebirge in Kontakt.