Kornelia Grundmann ist Agentur-Inhaberin, Expertin für touristisches Bauen, Weltenbummlerin und bekennende SalzburgerLand-Liebhaberin. Und sie sitzt seit über zehn Jahren im Rollstuhl. Ein Schicksal, das vielen Menschen sicherlich den Boden unter den Füßen wegziehen würde, für die gebürtige Wiesbadenerin jedoch schnell Ansporn wurde, ihr Leben auch weiterhin in den eigenen Händen zu behalten und für Barrierefreiheit zu kämpfen. Der Satz „Barrierefreiheit ist das Gegenteil von Barrieren“ prägte sich mir bei unserem gemeinsamen Gespräch ein, ließ mich auch noch Stunden nachdem wir uns verabschiedeten, nicht los. Hindernisse aus dem Weg zu räumen darf kein Trend sein, kein Siegel, das man sich stolz auf die Türe klebt. Es muss selbstverständlich sein, den Menschen, die darauf angewiesen sind, nach allen Kräften zu helfen und ihr Leben zu erleichtern. Im Alltag, wie auch in der Freizeit.
Frau Grundmann, Sie sind ja eine bekennende Liebhaberin des SalzburgerLandes. Was gefällt Ihnen denn besonders hier bei uns?
Sie starten ja gleich mit der schwierigsten Frage, was soll ich darauf antworten!? Hier ist es doch überall zauberhaft schön. Zugegeben…, früher, als ich noch Skifahren konnte, wollte ich so viele Pisten und Orte wie möglich kennenlernen. Heute als Rollstuhlnutzerin zähle ich eher zu den Menschen, die in Dankbarkeit das Geschenk dieser unbeschreiblich beeindruckenden Natur genießen.
Jeder hat schon einmal davon gehört, doch nur die wenigsten haben ein konkretes Bild davon. Was bedeutet denn ‚Barrierefreiheit’ genau?
Das sagt schon der Name: Barrierefreiheit ist das Gegenteil von Barriere! Barrieren blockieren und behindern Menschen darin, bestimmte Dinge zu tun, die sie gerne tun würden. Bereits kleinste Schwellen, Treppen oder zu enge Durchgänge können eine Barriere sein. Wenn z.B. eine junge Mutter mit einem Zwillingskinderwagen nicht durch eine zu enge Türe, oder ein Rollstuhlnutzer aufgrund von Stufen nicht in ein Café kommt. Oder, wenn man Dinge nicht versteht, weil man sie nicht lesen oder nicht hören kann.
Barrierefreiheit bedeutet, dass alles zugänglich und nutzbar wird. Ist eine Gaststätte ebenerdig erreichbar, dann ist sie zwar zugänglich, verfügt sie jedoch über keine barrierefreie Toilette, dann ist diese für Menschen im Rollstuhl einfach nicht benutzbar. In diesem Falle ist die Gaststätte auch nicht barrierefrei.
Sie als Rollstuhlnutzerin sind ja auch leidenschaftliche Reisende. Welchen Herausforderungen müssen Sie sich denn dabei Tag für Tag stellen?
Jede Reise und jeder Termin muss in Voraus gut geplant sein. Es ist nicht nur zeitraubend, sondern auch sehr mühsam, verlässliche barrierefreie Restaurants, Hotels oder Sehenswürdigkeiten zu finden. Die Spontanität geht komplett verloren. Mein Mann und ich können nicht mehr wie früher einfach ungezwungen losfahren und unterwegs dort einkehren, wo es uns gefällt. Das scheitert sehr oft an Schwellen und nicht vorhandenen barrierefreien WC´s.
Wie kann man diese Hürden aus der Welt schaffen?
In erster Linie muss das Bewusstsein der Bevölkerung für diese Thematik geschaffen werden. Jeder sollte verstehen, dass Barrierefreiheit für die, die darauf angewiesen sind, absolut notwendig ist. Für alle Anderen ist es vorerst geschätzter Komfort, was sich aber rasch ändern kann. Bedenken Sie, wir werden nicht nur älter. Durch Unfälle, Operationen oder Sportverletzungen sind bereits auch junge Menschen auf Barrierefreiheit angewiesen, um am Leben weiterhin voll teilnehmen zu können. Ein weiterer wichtiger und notwendiger Schritt ist die Einbindung von Experten in Sachen Barrierefreiheit schon bei der Planung und Umsetzung. Vor allem bei baulichen Maßnahmen. Hier ist Fachwissen dringend erforderlich!
Bei den negativen Erfahrungen, die Sie wahrscheinlich schon in Ihrem Leben gemacht haben. Gibt es positive Erlebnisse bezüglich Barrierefreiheit, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind?
Ja, die gibt es tatsächlich. Erst kürzlich lud mich eine junge Frau zu einem Mozart Requiem in das Festspielhaus nach Erl ein. Um mir eine Freude zu machen, erkundigte sie sich im Voraus über die dortige Barrierefreiheit und sendete mir einen Link zu Barrierefrei Austria. Ich war natürlich sehr geschmeichelt, denn was sie nicht wissen konnte: Es handelt sich dabei um unser eigenes Online-Portal mit den besten barrierefreien Reisezielen Österreichs. Und ich persönlich hatte das Festspielhaus in Erl begutachtete.
Wie sieht denn eigentlich Ihr ganz persönlicher Traumurlaub hier im SalzburgerLand aus?
Kürzlich waren finnische Freunde in Werfenweng auf Urlaub. Gerne hätten wir einige Tage mit ihnen verbracht, konnten aber leider kein Hotel mit barrierefreien Zimmern finden. Mein Traum von Urlaub im SalzburgerLand wäre stressfrei dort hinfahren zu können, wohin ich gerade möchte.
Sie beraten beruflich sehr viele Unternehmen aus dem Tourismus auf deren Weg in die Barrierefreiheit. Erzählen Sie uns doch ein bisschen von Ihrer Arbeit, Ihrer Herangehensweise und dem Wert der Barrierefreiheit in diesem speziellen Feld.
Barrierefreiheit umzusetzen ist meist ein längerer Prozess und es bedarf einiger ambitionierter Akteure. Zuerst braucht es aber die Menschen, die Barrierefreiheit richtig umsetzen wollen. Nicht nur halbherzig oder notgedrungen, sondern mit Lust und Freude. Denn nur so wird es langfristig ein Erfolgsgarant. Mit solchen Menschen lässt sich übrigens Großartiges bewegen. Wir entwickeln Konzepte, beraten, begleiten bei der Umsetzung und vermarkten das barrierefreie Angebot unserer Kunden. Denn das beste Angebot nutzt nichts, wenn es keiner kennt.
Es gibt genug Beispiele, wo sich diese Maßnahmen nicht nur in dankbaren und treuen Gästen sondern in ganz klarem wirtschaftlichen Erfolg messen lassen. Und genau darauf zielen wir ab.
Eine vielleicht etwas provokante Frage: Warum sollten sich Tourismusbetriebe dem Thema überhaupt stellen? Geht es nicht auch ohne?
Darauf möchte ich ebenso provokant antworten: Damit sie damit viel Geld verdienen. Antwort zwei: natürlich geht es noch ohne. Es ist nur die Frage, wie lange noch. Da bereits heute die Hälfte der Gäste über 50 Jahre alt ist, sollte man dieser rasant wachsenden Zielgruppe den größtmöglichen Komfort durch Barrierefreiheit bieten.
Aus meiner Praxis kenne ich genug Beispiele, dass die Investitionen in Barrierefreiheit – konsequent umgesetzt – ein maßgeblicher Erfolgsfaktor sind. Man bedenkt viel zu wenig, dass oft nur eine Person mit Mobilitätseinschränkung ausschlaggebend für die Buchung eines Hotels, eines Seminar- oder eines Veranstaltungsraumes einer ganzen Gruppe ist. Ein Beispiel: In Ellmau buchte eine private Gruppe von 40 Schweizer Gästen für eine Woche. Sie wählten das Hotel, weil drei Personen mobilitätseingeschränkt waren. Das Hotel verfügt zwar nur über zwei perfekt barrierefreie Zimmer, die waren jedoch buchungsentscheidend für die ganze Gruppe. Damit nicht genug, diese Gäste waren derart begeistert, dass sie gleich für das nächste Jahr wieder reservierten.
Was würden Sie sich denn hier für die nähere Zukunft wünschen?
Dass Barrierefreiheit überall zur Selbstverständlichkeit wird! So selbstverständlich, wie wir uns heute im Auto anschnallen, was in den 70er Jahren auch anfangs für viele undenkbar war.
Abschließend: Was ist denn Ihr Lieblingsplatz, Ihr ganz persönlicher Logenplatz hier im SalzburgerLand?
Aktuell ist es das Lounge Café und manchmal auch das Restaurant Ikarus im Hangar 7. Nicht nur wegen der Kulinarik, dem überaus aufmerksamen und freundlichen Personal, sondern vornehmlich auch wegen der Barrierefreiheit. So banal das klingen mag, gäbe es dort keine barrierefreie Toilette, wäre ich nicht Gast.
Hier kann man im SalzburgerLand barrierefrei Urlaub machen.
Kornelia Grundmann ist Inhaberin von gabana, der Full Service Agentur für Barrierefreiheit mit internationalem Netzwerk. Sie lernte Ihren Mann Ralf Grundmann, Dipl.-Ing. Architekt, während des Studiums kennen. Erfahrungen im Ausland holte sie sich in den USA, Australien & Fernost. Viele Jahre war sie Projekt- und Vertriebsleiterin im Wohnungsbau. Nach der Diagnose Multiple Sklerose im Jahre 2001 ist sie selbst seit einigen Jahren Rollstuhlnutzerin. Sie vereint langjähriges Fachwissen mit gesundem Menschenverstand vor dem Hintergrund der Praxistauglichkeit, verfügt über ein länderübergreifendes Netzwerk und ein hochqualifiziertes Team.
LINKS:
Barrierefrei Austria
Agentur Gabana
In ihrem Buch, ‚Lust auf Barrierefreiheit – Das Handbuch für Hoteliers, Gastronomen und Touristen‘, erfährt man, wie man im Tourismus gewinnbringend und profitabel in Barrierefreiheit investieren kann.
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