Wenn im SalzburgerLand bei traditionellen Umzügen die regionalen Vereine aufmarschieren, wird allen voran die Vereinsfahne präsentiert. Prunkvoll und reich bestickt zeigt die kunstvoll bemalte und bestickte Fahne, getragen von einem ausgewählten Fahnenträger, den Namen und die Herkunft des Vereins. Historische Schützenkompanien, Freiwillige Feuerwehr, Eisschützen oder Trachtenvereine haben eines dieser wertvollen handgefertigten Einzelstücke. Viele der Fahnen im SalzburgerLand stammen aus der Werkstatt der Fuscher Künstlerin Mariloise Jordan.
Durch die Malerei zum Sticken
„Eigentlich bin ich Malerin,“ meint die rüstige 80-Jährige und um ihre strahlenden Augen bilden sich Lachfältchen. Ich sitze mit der Künstlerin in der gemütlichen Stube ihres Hauses in Fusch an der Glocknerstraße bei Kaffee und Kuchen. Geschnitzte Statuen, Glasmalerei, restaurierte Bauernschränke und zahllose kleine Kunstwerke geben Zeugnis, dass hier ein künstlerisches Multitalent wohnt. Versonnen sieht sie aus dem Fenster und erinnert sich: „Ich habe damals, mit fünf Jahren, für meine Mutter ein Bild gemalt. Eine Erdbeere auf die Rückseite der Feigenkaffee-Verpackung, denn Papier hatte ich keines. Meine Mutter hat es für mich signiert und aufbewahrt. Danach habe ich eigentlich immer gemalt, wenn ich nur irgendwo Papier und Stift in die Hände bekam.“
Aufgewachsen in dem kleinen ländlichen Dorf Fusch, mitten in den Kriegswirren des zweiten Weltkriegs, war eine kreative Karriere aber keine Selbstverständlichkeit. Noch während der Hauptschulzeit erhielt Mariloise ihren ersten künstlerischen Auftrag: „Mit Freunden initiierten wir 1947 ein Kinder-Eisstockschießen und ich habe dafür die Preise gestaltet – aus alten Seidenbändern, die ich ausgewaschen und neu bemalt habe. Die Erwachsenen waren so begeistert, dass ich fortan immer wieder Bänder für die Eisstockschützen bemalte.“
Grafiker-Ausbildung statt Kunstschule
So sprach es sich herum, dass in Fusch eine begabte junge Malerin lebte und auch Vereine aus umliegenden Ortschaften wurden auf die Schülerin aufmerksam. Als die Eltern sich aus Geldmangel gegen eine Kunstschule und für den Ausbau der väterlichen Tischlerwerkstatt entscheiden mussten, war für Mariloise klar, dass sie trotzdem eine künstlerische Laufbahn einschlagen würde. Sie fand eine Anstellung bei einem Grafiker in Zell am See, wo sie Schriften malte und viel über das Grafikhandwerk lernte.
1950 bekam sie vom Eisschützenverein Saalfelden den Auftrag, eine neue Vereinsfahne anzufertigen. Für die 17-Jährige war das eine handwerkliche Herausforderung, denn diese großen Seiden-Fahnen sind im Mittelteil gemalt und rundherum aufwändig bestickt. „Mit dem Fahnen-Besticken war ich zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht vertraut und so habe ich viele alte Fahnen auf Stickerei und Malart studiert. In Wien habe ich die Stoffe bestellt und in vielen Stunden das Mittelblatt mit dem Heiligen Michael und dem Saalfeldner Panorama mit Ölfarben bemalt und rundum mit Goldfäden bestickt,“ erklärt sie, als sie das alte Fotoalbum aufblättert und mir in stiller Bescheidenheit Bilder von ihrem ersten großen Auftrag zeigt.
60 Fahnen aus Mariloise´s Hand
Als ich sie frage, wo sie denn ihren Arbeitsplatz hatte, lacht sie: „Also die meisten Werke sind in der Küche entstanden, dort habe ich immer am liebsten gearbeitet. Eine eigene Werkstatt hatte ich nicht.“ Rund ein Jahr dauert die Herstellung einer Vereinsfahne und Mariloise Jordan verfolgt aufmerksam, in welchem Zustand die 60 von ihr angefertigten Fahnen sind. Mit Wehmut deutet sie auf ein Foto und meint: „Diese Fahne sollte schon längst zur Wartung zu mir gebracht werden. Es tut mir manchmal weh, zu sehen, wie sorglos man mit den Fahnen umgeht. Ich habe schon unzählige, teils hundert Jahre alte Fahnen restauriert und je länger man mit der Reparatur wartet, desto schwieriger wird das Restaurieren. Einmal erhielt ich eine bereits ausgebesserte Fahne zum Restaurieren und musste feststellen, dass der abgebildete verletzte Krieger beim ersten Ausbessern zu einer Frau umgemalt wurde. Es kostete mich viel Farbe und Geduld, aus der Frau wieder einen verletzten Krieger zu machen.“
Seit 1951 ist die Fuscherin selbständige Malerin und 1962 wurde sie in die Berufsvereinigung der bildenden Künstler aufgenommen. Bei zahlreichen nationalen Ausstellungen wurden ihre Malereien bewundert und auch mit ihren kunstvollen Freundschafts- und Ostereiern hat sie Bekanntheit in ganz Österreich erlangt. Wie das war, als Künstlerin in so einem kleinen Ort aufzuwachsen, möchte ich wissen und eine gewisse Verbitterung legt sich über das sonst so strahlende Gesicht der Malerin. „Es war nicht einfach. Als Mädchen wurde ich aufgrund meiner künstlerischen Interessen belächelt und ausgegrenzt. Ich war isoliert und hatte keine Verbindungen zu anderen Künstlern. Um mich durchzubringen habe ich alle Aufträge angenommen – vom Plakat bis zum Grabkreuz hab ich alles gemalt und alte Ölbilder und Krippen habe ich auch restauriert. Auswärts galt ich und meine Kunst immer mehr als im eigenen Dorf. Ich bin oftmals angeeckt, wenn ich versuchte, historische Gebäude in Fusch vor dem Abriss zu retten. Heute mache ich das nicht mehr – ich habe mich zurückgezogen.“
Als mich Mariloise Jordan durch ihr Atelier in einem alten Schuppen im Garten führt, zeigt sich ihr umfassendes künstlerisches Talent. Gravierte und zu wertvollen Schatullen gestaltete Schwaneneier, Ölgemälde, Zeichnungen, sakrale Wachsfiguren unter Glasstürzen, Perlenstickerei und Wandmalereien sind in der Malerstube ausgestellt. Im März 2013 feierte Mariloise Jordan ihren 80. Geburtstag. Während sie eigentlich schon lange einen wohlverdienten Ruhestand genießen könnte, denkt sie noch lange nicht ans Aufhören: „Solange meine Augen und Hände noch so gut mitspielen, mache ich weiter.“
Malerstube Jordan
5672 Fusch
T: +43 6546 214