Es ist ein seltenes Handwerk geworden und doch sieht man sie ab und zu noch: die mit Federkiel-Stickerei kunstvoll verzierten Ranzen.
Entstanden sind diese rund 20 Zentimeter breiten Ledergürtel aus den Zinnstiftranzen. Diese Ledergürtel wurden damals mit tausenden Zinnnägeln verziert und dienten den Männern als Schutz vor Bajonettstichen. Während der Napoleonischen Kriege um 1810, als man das Zinn zur Herstellung von Munition benötigte, suchte man nach einer neuen Methode, um die Ranzen schmuckvoll zu verzieren. Aus dem Kiel der Schwanzfeder des Pfaus wurden hauchdünne Fäden gespalten und in hunderten Arbeitsstunden die Rindsledergürtel per Hand mit Ornamenten, Initialen und Figuren bestickt. Als Statussymbol galten diese Ranzen, denn nur Wohlhabende konnten sich dieses zur Tracht getragene Schmuckstück leisten.
Salzburgs letzte Federkiel-Sticker
Heute beherrschen nur noch ganz wenige diese alte Handwerkskunst, die meist nur innerhalb der Familie weitergegeben wird, doch immer noch sind die handbestickten Gürtel unter Trachtenliebhabern heiß begehrt. Walter Grübl und Herbert Klieber aus Eben im Pongau sind eine der Letzten, die dieses Handwerk in Salzburg ausüben und ihre Kundenliste liest sich wie das Who-is-Who der Promiszene.
Schon lange fasziniert mich diese Kunst, und das Erlernen des Federkielstickens stand ganz oben auf meiner kreativen „Will-Lernen-Liste“. Doch mir war bewusst, dass ich nur mit viel Glück jemanden finden würde, der mir sein Wissen preis gibt. Und das Glück war auf meiner Seite, denn eines Tages kam der Anruf eines Freundes: „Ich habe ihn gefunden, deinen Federkiel-Lehrmeister. Du hast diese Woche schon deinen ersten Termin.“
Das erste Treffen mit meinem Lehrmeister
Und so traf ich ihn. Sepp, ein pensionierter Schuhmachermeister mit südtiroler Wurzeln, der sich aus Liebe zum Leder, großteils autodidaktisch, das Federkielspleißen und –sticken beibrachte. „Anfangs wollte mich niemand über die Schulter blicken lassen, doch in einem abgelegenen Tal in Südtirol fand ich nach langer Suche einen alten Mann, der mich bereitwillig in die Geheimnisse um dieses aussterbende Handwerk einweihte. Seitdem ist das Federkielsticken ein liebgewordenes Hobby von mir“, erzählt Sepp als ich ihn zum ersten Mal in seiner kleinen Werkstatt treffe. Ein leuchtendes Strahlen liegt in seinen Augen als er mir seinen Arbeitsraum zeigt: Antikes Schuster-Werkzeug liegt auf der alten Werkbank, rot-weiß karierte Vorhänge umsäumen die Fenster, Volksmusik ertönt aus dem alten Radio und der herbe Duft von Leder erfüllt die Luft. Genauso hatte ich es mir vorgestellt!
Die symbolträchtige Pfauenfeder
In einer Ecke stapeln sich Pfauenfedern. Grün-gold schillernd drängen sich die Pfauenaugen ins Blickfeld. Die Schwanzfedern des männlichen Pfaus galten schon immer als Symbol für Schönheit und Reichtum aber auch Unsterblichkeit und Eitelkeit. Für den Federkielsticker sind es aber nicht die schillernden Federn, sondern der dicke weiße Kiel, der im Mittelpunkt des Interesses steht. Und hier liegt auch das eigentliche Geheimnis und die große Schwierigkeit dieser Handwerkskunst. Das feine Aufspalten der Kiele in biegsame Fäden.
Das Geheimnis des Spleißens
Sepp hat sich mit viel Tüftlerei für diese schwierige Arbeit des Spleißens eine eigene Vorrichtung gebaut und erklärt: „Das Spleißen der Federkiele ist mitunter der schwierigste Schritt am Handwerk – und auch das bestgehütete Geheimnis, das nur innerhalb der Familie weitergegeben wird. Rund drei bis vier Fäden bekomme ich aus einem Kiel, doch nur, wenn ich konzentriert und genau arbeite. Denn schnell ist der Faden beim Spleißen gerissen und unbrauchbar.“ Mit einer Schere entfernt er die feinen Federn vom Kiel und nimmt vor seiner selbst entworfenen Spleißvorrichtung Platz. Jetzt ist eine ruhige, sichere Hand und Erfahrung gefragt, denn hauchdünn werden die Streifen aus dem Kiel geschnitten. Die so gewonnenen Fäden müssen aber noch vom Mark befreit werden, um schließlich elastisch genug für das Besticken des Leders zu sein.
Auf der Hasenspur
Direkt vor dem Fenster steht das Rössl, der Arbeitsplatz des Federkielstickers. Wie ein Stuhl ohne Lehne, dafür aber mit einer senkrechten Holz-Zwinge, in die das zu bestickende Leder eingespannt wird. Hier nehme ich jetzt Platz und an einem Stück Rindsleder hat mir Sepp die ersten Übungen mit Kreide und Stechrad vorgezeichnet: Stielstich, Hasenspur und „der laufende Hund“, wie das parallele, dicht gestickte Flächenmuster in Wellenform genannt wird.
Mit dem Stichel, einem Werkzeug mit leicht abgeflachter Metallspitze, drücke ich vorsichtig ein Loch durch das Leder, um danach den Federkiel von einer Seite zur anderen durch das Loch zu fädeln. Sepp sieht mir über die Schulter und mahnt: „Du musst immer darauf achten, gleichmäßig einzustechen und den Faden beim Durchziehen nicht zu verdehen, denn das würde im feinen Muster sofort erkennbar sein.“
Hunderte Arbeitsstunden
Stich für Stich arbeite ich unter Sepps Anleitung konzentriert weiter und nach wenigen Minuten ist schon das erste Muster, der Stielstich, erkennbar. In einer kurzen Arbeitspause zeigt er mir seinen eigenen Ranzen, den er in hunderten geduldigen Stunden Stickarbeit angefertigt hat. Filigrane Ornamente und Figuren zieren den Gürtel und nachdem ich soeben selbst erlebt habe, wie aufwändig das Anfertigen selbst eines einfachen Musters ist, steigt nochmals meine Hochachtung vor dieser alten Handwerkskunst.
Als „Hausaufgabe“ gibt mir Sepp bis zum nächsten Treffen ein Stück Leder mit einem vorgezeichneten floralen Muster, Rössel, Werkzeug und Fäden mit auf den Weg. Beim Verlassen der Werkstatt merke ich, wie ich lächle. Ich bin auf dem besten Weg mir – mit Sepp´s Hilfe – einen Traum zu erfüllen: Ich erlerne das Federkielsticken!