Am Anfang stand der Wunsch nach einer Tasche aus Leder. Eine, die voll und ganz den eigenen Vorstellungen entsprach. Heute fertigt Christina Roth hochwertige Lederwaren nach altem Handwerk und traditionellen Methoden in ihrer eigenen Manufaktur in der Getreidegasse. Wir haben sie zum Gespräch getroffen und erfahren, warum sie nach zwei Studien ihr berufliches Leben noch einmal völlig umgekrempelt hat, wieviel Salzburg in ihren Stücken steckt und wo ihre Lieblingsplätze in der Mozartstadt liegen.
Christina, ist Salzburg eine gute Stadt für das Handwerk?
Absolut. Es passen die Atmosphäre und die Architektur, es gibt sehr viele Menschen, die ein Gespür und vor allem die Wertschätzung für Handgemachtes haben, tolle Handwerkskolleg:innen, mit denen ich zusammenarbeiten kann und ein starkes Altstadtmarketing, das uns sehr unterstützt.
Du hast nach zwei Wirtschafts-Abschlüssen dein berufliches Leben noch einmal völlig neu gedacht. Hast eine Lehre begonnen und auf´s Ledergalanteriewarenhandwerk gesetzt. Wie bist du auf diese Idee gekommen?
Nach meinem zweiten Studienabschluss wollte ich mich mit einer schönen, einzigartigen, hochwertigen Tasche belohnen, aber mit den bekannten Marken hatte ich wenig am Hut. Ich hatte auch sehr genaue Vorstellungen und war auf der Suche nach jemandem, der diese umsetzen konnte. Ich wurde in Wien fündig, bei einer Dame, die das Handwerk heute leider nicht mehr ausführt. Weil mich viele Menschen auf die Tasche angesprochen hatten, kam die BWLerin in mir durch und ich dachte erst, ich könnte einfach noch fünf Stück mehr machen lassen und diese verkaufen. So bin ich in Salzburg zu Mark Kainberger gekommen. Als ich die Werkstatt betrat, war ich hin und weg, es war wie Liebe auf den ersten Blick. Naiv und ehrgeizig wie frau in jungen Jahren ist, dachte ich mir: das kann nicht so schwer sein, das schaffe ich auch und so fuhr ich einfach mal ins Bauhaus, um mich mit notwenigen Utensilien auszustatten – gut, ich wurde dann schnell eines Besseren belehrt.
Da ich einen sehr anspruchsvollen Job hatte, konnte ich nur nachts und wochenends an meinen Fertigkeiten arbeiten, und so habe ich über Jahre exzessiv eigentlich zwei Berufe gleichzeitig gemacht. In Österreich darf man allerdings ohne Gewerbeberechtigung nichts aus Leder verkaufen, also habe ich gekündigt und mich ohne Lehrbetrieb auf eigene Faust daran gemacht, die Berufsschule und die Lehrabschlussprüfung nachzuholen. Ich war in meinem Jahr der einzige Mensch aus ganz Österreich, der eine Lehre als Ledergalanteriewarenerzeugerin begann. Ich erkannte einfach, dass dieses Handwerk nahezu niemand mehr ausübt, dass aber die Nachfrage durchaus da ist und, dass wir ein so altes Kulturgut nicht einfach verkommen lassen können. Und so habe ich heute meine eigene Werkstatt in der Getreidegasse.
Und warum gerade Leder?
Leder ist eines der ältesten Materialien der Welt und man kann so ziemlich alles daraus machen. Es ist weich, fast lebendig und kann ewig halten. Die Arbeit ist wahnsinnig vielfältig: es braucht auf der einen Seite oft sehr viel Kraft, aber auf der anderen Seite wird im 0,1 mm Bereich gearbeitet. Außerdem übt diesen Beruf in Österreich fast niemand mehr aus.
Würdest du diesen Schritt noch einmal machen, bzw. gibt es etwas, was du heute besser weißt?
Ich würde ein paar Nächte schlecht schlafen, wenn ich alles nochmal von vorne machen müsste, denn es hat mir wirklich sehr, sehr viel abverlangt – finanziell, physisch und psychisch. Aber es war dennoch die beste Entscheidung meines Lebens. Wobei der Weg ja jetzt erst beginnt, noch immer nicht leicht ist, da ich nicht nur unternehmerisch wachsen muss, sondern gleichzeitig auch handwerklich oft an meine Grenzen komme, da ich immer noch lerne.
Welchen Wert hat das Handwerk in unserer schnelllebigen Zeit, in der Waren immer und überall verfügbar sein müssen?
Ich denke, wir müssen aufhören eine Konkurrenz in der maschinellen Fertigung zu sehen, denn da kann niemand mithalten. Maschinen sollen das machen worin sie gut sind, sodass die Menschen das machen können, wo es Liebe, Seele, Sorgsamkeit und ehrliches Interesse für die Wünsche der Kund:innen braucht. Und das Groteske ist, trotz dieser Verfügbarkeit und Schnelligkeit kommen immer mehr Menschen in meine Werkstatt und schätzen den Austausch. Das muss das Handwerk in Zukunft leisten, sich zu spezialisieren, das Besondere machen.
Wieviel Salzburger Tradition steckt in deinen Waren?
Jeden Tag sauge ich in der Früh die Luft in der Getreidegasse ein, wenn ich mein Schild aufhänge und bin ehrfürchtig vor der Geschichte, die diese Häuser erzählen. Ich glaube, dass unterbewusst so auch immer etwas mitschwingt. Ich tausche mich mit erfahrenen Handwerker:innen aus Salzburg aus, die mir viel über die Geschichte erzählen. Und auch Kund:innen erzählen mir oft von ihren Wünschen, wodurch ich viel von der Tradition lerne.
Du hast ja mittlerweile schon eine recht gute Bekanntschaft erreicht und dir einen guten Ruf erarbeitet.
Ja, ich nehme jede Gelegenheit wahr, um über Leder und unseren Beruf zu sprechen. Dabei geht es nicht darum, etwas zu verkaufen, sondern den Menschen den Wert von Handgemachtem näher zu bringen. Ich habe Spaß daran, über Werkzeuge und Leder zu sprechen und sehe es auch als meine Aufgabe, über den Geschäftsalltag hinaus, meinen Beitrag zu leisten. Außerdem habe ich kein Schaufenster, das heißt, ich nutze Social Media, wo mir täglich tausende Menschen aus der ganzen Welt zuschauen und lernen. So geht die Reichweite von Australien bis Argentinien und das von Salzburg aus.
Was sind denn deine drei Lieblingsplätze in der Stadt Salzburg?
Ich hatte die Ehre, schon mit drei Cafes & Bars zusammenzuarbeiten, die ihren Gästen meine designten Menükarten anbieten – da bin ich wahnsinnig gerne auch selbst vor Ort: Tortelier, EinserBar und Nyt. Außerdem liebe ich den Blick auf die Salzach zum Beispiel im Cafe Bazar aus oder in einer kleinen Bucht Richtung Süden. Am allerliebsten sitze ich aber mittags in der Getreidegasse vor unserem Tor und genieße es, die Freude zu sehen, die Menschen bei ihrem Salzburgbesuch haben.
Was wünscht du dir für die Zukunft deines Unternehmens, wohin geht die Reise?
Ich habe gerade meinen ersten Lehrling eingestellt und hoffe noch viele ausbilden zu können. Mein Ziel ist, dass ich handwerklich nie aufhöre zu lernen und eine der besten Ledergalanteriewarenerzeugerinnen Europas werde. Ich würde gerne meine Lehrtätigkeiten ausweiten, indem ich Trainings, Workshops und Schulungen für andere Lederhandwerker anbiete, B2B Produkte entwickle, hinter denen ich stehe (Farben, Kleber, Fäden etc.) und mich auch vermehrt auf die Restaurierung und Reparatur konzentrieren. Ich möchte aber natürlich auch Anlaufstelle für die Anfertigung hochwertiger Lederwaren bleiben.
News:
Mittlerweile bietet Christina Workshops für Hobbyisten und Profis in der Werkstatt in der Getreidegasse an. Diese widmen sich der Herstellung von Kreditkartenetuis, Schlüsselanhängern oder Gürtel. Infos zu den Workshops und den genauen Terminen findet man auf der offiziellen Website.
Christina Roth Ledermanufaktur
Getreidegasse 30
5020 Salzburg
T +43 664 496 88 45
christinaroth.at