Bad Gastein. Schon immer zog es die Kreativen hierher. Um zu arbeiten, zu feiern, um sich zu verlieren, manche sogar, um sich hier niederzulassen. Früher nannten sie es das Monte Carlo der Alpen. Schubert war hier und auch der große Falco konnte nach einer durchzechten Nacht seine Ray Ban nicht abnehmen. Dann verfiel der Ort in einen heilsamen Dornröschenschlaf, nur um heute in Richtung eine für den Alpenraum einzigartige Zukunft aufzuleben.
Dafür sorgen die vielen Dreamers & Doers, die nicht locker lassen und gemeinsam ihr neues Bad Gastein kreieren. Nadin Brendel ist eine von ihnen. Ihre Story ist klassisch. Aus Berlin gekommen – um zu bleiben. Um die Zukunft eines Ortes mitzugestalten, der für sie die Essenz aus all dem ist, was sie liebt. Wir haben Nadin zu einem Plausch an der langen Tafel im Hotel Miramonte getroffen und mit der Agenturbesitzerin über die alte und die neue Heimat, einen Social Supper Club in den Bergen und Bad Gastein als innovativer First Mover hinein in eine alpine Traumwelt philosophiert.
Ist Bad Gastein das neue Berlin?
Na wir steigen ja gleich direkt ins Thema ein. Auf ganz vielen Ebenen und Levels schon. Ich kann mich erinnern, als ich die Bezeichnung ‚das Berlin der Berge‘ erstmalig gehört habe. Das kam vom Sänger Ian Hooper von der Berliner Band ‚Mighty Oaks‘. Als ich vor ein paar Jahren hierher kam und angefangen habe, Bilder von Bad Gastein zu posten, habe ich eine Nachricht von ihm bekommen, in der er meinte, dass er früher mit seinen Eltern öfters hier war und dass sie den Ort immer das Berlin der Berge nannten. Ich fand die Bezeichnungen auf vielen Ebenen sehr passend. Berlin ist aus Ruinen auferstanden und es war für die Berliner ein riesiges Geschenk, aus dem Leerstand neu beginnen zu können. Das hat viele Künstler und Kreative angezogen. Auch in Bad Gastein gab und gibt es diesen Leerstand. Und durch Projekte wie die Sommer.Frische.Kunst haben wir bewiesen, dass es auch hier funktioniert.
Viele Berliner fühlen sich zu Hause hier im Ort. Vielleicht liegt es daran, dass es das nostalgische Gefühl, das wir früher in Berlin hatten, hier noch gibt? Das gilt nicht nur für den Urlaub, den man in den Bergen verbringt, sondern viele Berliner siedeln sich auch hier an und versuchen, etwas auf die Beine zu stellen. Wie zum Beispiel Jan und Stefan von der Rudolfshöhe. Die Leute kommen aber auch aus anderen Städten und Ländern hierher und bauen sich eine neue Zukunft auf. Anna & Mark von Betty’s Bar sind aus Schweden und Neuseeland, Dave vom Drop Inn aus England. Der Betreiber des Regina kommt aus Hamburg, der Ike vom Miramonte ist aus Linz. Wir heissen alle herzlich willkommen hier ihren Traum zu leben!
Was macht ‚dein‘ Bad Gastein aus?
Ich liebe Kontraste. Darin liegt für mich viel Inspiration. Und ich habe hier auf kleinstem Raum all das, was mich glücklich macht. Heißes Wasser – kaltes Wasser, Belle Epoque – Brutalismus, einen Social Supper Club an der langen Tafel mit Fremden und Freunden – man kann aber auch auf die Alm gehen. Du kannst im Wald abschalten und wenig später auf einer guten Party auftauchen. Man kommt aus einer Ausstellung auf der Promenade und geht direkt zum Entspannen in die Felsentherme. Es gibt so viele Welten hier, zwischen denen man wandeln kann. All das habe ich mir für mein Leben gewünscht. Bad Gastein ist die Essenz aus allem, was ich liebe.
Was mir noch ein bisschen fehlt, ist eine wirkliche Bad Gastein Small Business Community, mit der man auch zusammenkommt und sich austauscht. Derzeit sind alle so busy im Operativen und hackeln quasi auf Overdrive parallel ihr Business und Bad Gastein mitzugestalten. Es braucht einen achtsamen Umgang mit den Resourcen dieser BG Enthusiasten und eine innovative Small Business Initiative, die auch finanziell gefördert wird, Damit all die Dreamers & Doers ihren Fokus auf ihr Business lenken können und nicht ausbrennen. Aber daran arbeiten wir bereits.
Musste Bad Gastein sterben, um neu aufzuleben?
Ja. Der Niedergang von Bad Gastein ist ein absolutes Geschenk. Die amerikanische Autorin Elizabeth Gilbert schrieb in ihrem internationalen Bestseller „Eat. Pray. Love“: „Ruin is a gift. Ruin is the road to transformation.“ So möchte ich es gern begreifen. Dahingehend, dass viel Ursprüngliches, viel Originales noch existiert und eine Kulisse bildet, die es sonst nur in den großen Städten gibt. Mitten drinnen dann der brutalistische Bau vom Garstenauer. All das steht im Leerstand und bildet eine riesige Chance, mit neuen Ideen befüllt zu werden. Bad Gastein kann sich hier als innovativer First-Mover hervortun. So, wie der Ort es in der Geschichte immer wieder gemacht hat. Mit dem bestehenden kulturellen Netzwerk, mit all den Gegensätzen, die es hier gibt und die wir jetzt schon (aus)leben. Dafür gibt es viele Dreamers und Doers und die werden aus dem Verfall eine neue Blüte entstehen lassen. Das ist die große Chance dieses Ortes. Wir können eine Richtung einschlagen, die für die Alpen einzigartig ist.
Was wünscht du dir für die Zukunft des Ortes?
Ich wünsche mir einen sensiblen Umgang und eine Wertschätzung für die Architektur und allem, was vorhanden ist. Und eine Transformation in eine für die Alpenwelt einzigartige Zukunft. Fernab des typischen Tourismus und hin zu einem lebens- und liebenswerten Ort in den Bergen, wo die Einheimischen gemeinsam mit den Gästen ein großes Miteinander feiern. Eine einmalige Atmosphäre für alle.
Nadin Brendel
Mit nur 23 Jahren startete Nadin Brendel als Europas jüngste Bookingagentin und Tourmanagerin von GrammyAward-nominierten Bands wie Arcade Fire, Broken Social Scene oder Death Cab For Cutie ihre Karriere im Musikbusiness. Nach über 10 Jahren unermüdlichem Einsatz und zahlreichen Auszeichnungen sehnte sie sich nach „Less Noise, More Quiet“ und zog 2015 von Berlin ins „Berlin der Berge“ – in den österreichischen Kurort Bad Gastein. Dem Charme der Stadt erlegen, gründete sie 2017 das Studio5640 und betreut zusammen mit befreundeten und einheimischen Kreativen inspirierende Projekte und Kunden in den Bereichen Fotografie, Pressearbeit, Social Media, Design, Marketing, Webdesign, Inneneinrichtung und mehr.
©Titelbild: Rachel Demy