Urlaub als „digitale Auszeit“? Das klingt ganz schön trendig. Aber wenn man erst einmal ganz oben im tiefsten winterlichen Lungau angelangt ist, wo es kein WLAN gibt und kein Handy funktioniert, dann blühen die Sinne wieder auf. Die Gastgeber nennen dieses Gefühl „Almness“. Gemeint ist Urlaub ohne Netz und doppelten Boden.
Immer stur die Autobahn lang. Links und rechts flitzen Ortschaften an uns vorbei. Werfen, Eben, Altenmarkt, Flachau. Überall haben wir exzellenten Empfang. Dann fahren wir ab. Unter dem Motto: „Letzte Ausfahrt St. Michael“. Der Weg führt nach Tamsweg. Immer noch guter Empfang. Wir haben ein Wochenende auf einer einsamen Alm gebucht. Die Karneralm befindet sich auf 1.900 Meter Seehöhe. Dort oben befand sich eines der ersten Skigebiete Salzburgs. Während in den Alpen die Liftstützen wie die Schwammerl aus dem Boden schießen, hat man sich hier entschlossen, die Bergbahnen wieder abzubauen. Verrückt, oder? Aber genau deshalb sind wir hier.
Die „Almness“-Chalets sind Selbstversorgerhütten. Die Vermieter haben geraten, uns im Spezialitätenladen der Tamsweger Wochenmarktfahrer einzudecken. Eine gute Idee. Während in anderen Urlaubsorten die Suche nach gutem Essen oft einem Spießrutenlauf ähnelt, sind wir hier mitten im Schlaraffenland gelandet. Das Motto des Ladens lautet: „Kemmts eina! Mia gfrein ins auf enk!“. Hier gibt es etwa Käse von Günther Naynar-Lanschützer, der allein schon die Anreise rechtfertigen würde. Und erst das Bauernbrot. Ganz zu schweigen von den Lungauer Erdäpfeln, die hier Eachtling heißen und nahezu hysterisch verehrt werden. Marmeladen, Speck, Gemüse, Fleisch, Nudeln – alles handgemacht. Wir kaufen ein, als ob wir ein Jahr gebucht hätten. Und wir haben immer noch super Empfang.
Der Weg auf die Alm ist beschaulich und gut geräumt. Am Straßenrand türmt sich der Schnee, die Steigung ist sanft, aber acht Kilometer lang. Es gibt Lungauer, die sind so urban, dass sie sagen, die Karneralm sei ihnen viel zu abgelegen. Oben angekommen steigen wir aus dem Auto. „Kein Empfang“, sagt meine Frau Eva. Das war eindeutig doppeldeutig. Das Handy wirkt scheintot. Es verfügt zwar noch über Energie. Aber es reagiert nicht mehr auf Zurufe von der Außenwelt. Und unsere Vermieter sind auch nicht da. Aber wir haben einen Code für den Tresor, der sich im Anbau verbirgt. Da ist unser Schlüssel drin. Ab jetzt brauchen wir keine Codes mehr. Selbst der Schlüssel wirkt in der Einsamkeit völlig deplatziert.
Schon am Nachmittag verschwindet die Wintersonne hinter dem Bergrücken. Man ist ihr hier oben zwar näher, dafür wird es früher dunkel. Im Ofen knistern Holzscheite. Ansonsten: Ruhe. Jedes Wort wird zum Ereignis. Zunächst zieht der Ofen unsere ganze Aufmerksamkeit auf sich. Das ist ein Nachbau jener alten Öfen, die früher auf den Almen benutzt wurden. Sie müssen sich dieses Wunderwerk als massives Stück Architektur vorstellen, als ein rauchendes Panzernashorn, ein kulinarisches Schlachtross. Ein Induktionsherd wäre auch da. Aber mit dem Holzofen zu kochen, fühlt sich viel besser an. An solchen Öfen hat früher die alte Bäuerin gewerkt. Die junge Bäuerin musste jahrelang bei ihr studieren, bis es auch ihr gelang, Buchteln mit so einem Ungetüm zu machen. Mit so einem Ofen ist Kochen noch als ein Ritual zu begreifen. Ein Ritual, bei dem die Betrachtung des Essens bis zum Spirituellen gesteigert werden kann.
Sie sehen: Man neigt zum Philosophieren, wenn kein Empfang und kein WLAN mehr da ist, das uns im Alltag so gut vernetzt, dass wir kaum noch Luft zum Atmen, Denken und Träumen haben. Wir nehmen unsere Bücher zur Hand und verkriechen uns auf die Bank, die unter die Stiege hineingebastelt wurde. „Wann sind wir eigentlich zuletzt in einer Lesehöhle eingeschlafen?“, frage ich Eva, nachdem wir zwei Stunden später aufgewacht sind. Es ist so ruhig, dass ich mir einbilde, ihren Augenaufschlag zu hören. Dann ein Glas Wein und immer wieder miteinander reden, zuhören, reden. Dann halten wir unsere Nasen ins Freie. Es riecht nach Schnee. Wir gehen raus, schauen uns an und machen das, was wir uns wohl unbewusst seit Jahren gewünscht haben: Nichts.
Schnell, viel zu schnell, müssen wir wieder runter. „Zwei Tage sind gar nichts“, sagt Eva. Unten in Ramingstein beginnen unsere Handys nervös zu zittern. Die Nachrichten des Wochenendes trudeln ein. „Fette Ernte!“, freut sich der digitale Idiot in uns. Wir fahren auf die Autobahn und haben wieder super Empfang. Aber irgendwas haben wir vergessen dort oben, wo es nur leise und kuschelig war. Was es ist? Keine Ahnung. Aber wir wollen dieses leise, saustarke Gefühl ab sofort „Kuschelmonster von Almness“ nennen.
Fotos © SalzburgerLand Tourismus