Sie sind die Nahversorger und Kommunikationsknoten in dörflichen Strukturen. Für manche sind sie unverzichtbar, und trotzdem verschwanden sie in den letzten Jahrzehnten fast von der Bildfläche: die Kramer, Greißler, Tante-Emma-Läden und kleine Gemischtwarenhändler im SalzburgerLand.
Große Diskonter und Supermarktketten, online Schnäppchenjagd oder das Verlangen nach grenzenloser Produktauswahl haben landesweit zu einem „Greißler-Sterben“ geführt. Die überlebenden Kramer im SalzburgerLand haben sich spezialisiert, setzen auf Nischenprodukte, Delikatessen, Bio oder selbsterzeugte Produkte aus dem Dorf. Für die einen verströmen sie einen Hauch von Vintage und die kunterbunte Mischung birgt einen besonderen Charme. Für die anderen sind die Kramer überlebenswichtige Nahversorger und auch ein wenig Seelentröster, Anlaufpunkt für Fragen und Quelle für Neuigkeiten. Ich habe zwei echte Kramer-Urgesteine im SalzburgerLand besucht.
Da Stoff-Kramer in Bichl
So hörte ich schon vor einigen Jahren – bei einem Artikel über das Dirndlschneidern – von diesem kleinen Laden im Ortsteil Bichl bei Bramberg. „Wenn du ausgefallene Dirndlstoffe, Loden oder Leinen willst, dann musst zur Hanna Brandstätter in den Oberpinzgau fahren!“, so riet man mir schon damals. Und jetzt führte mich meine Recherche zur Hanna vom „Kaufhaus Wieser“ in Bichln. Etwas versteckt, doch allseits bekannt, finde ich nach kurzer Nachfrage schnell zum kleinen Kaufhaus. Hanna ist gerade mit Kundschaft beschäftigt – mit einer alten Dame verfällt sie in einen fröhlichen Dialog „Resi, was weigt di heid o?“ (Resi, wonach steht dir heut der Sinn?), worauf die Resi meint: „Marillen und eine Dreiviertelhose!“ „Die nimmst dir zum Probieren mit nach Hause, und wenn sie nicht passt, nähen wir sie um!“, versichert die Hanna.
Nähservice beim Kramer? Das erklärt sich so: Der Bichl-Kramer hat sich schon vor Jahren auf Stoffe und Zubehör spezialisiert und konnte sich so sein Überleben sichern. Hanna und ihre Schwester Doris kümmern sich mit den helfenden Händen von Christl und Helga um den Laden – und das schon seit 40 Jahren. Blickt man sich um, sind die Regale bunt gefüllt und bieten alles, was das Herz begehrt. Man muss schon wissen, wo man sucht, denn die Grabkerzen stehen zwischen den Süßigkeiten und die Muskatnuss versteckt sich hinter dem Sommerkleid. „Es herrscht ziemlicher Platzmangel für unser breites Sortiment“, erklärt Hanna Brandstätter lachend, die sich mittlerweile von Resi verabschiedet hat. „Wir haben zwar keine 52 Sorten Fruchtgummi und auch nur die gängigsten Sorten Katzenfutter – doch es gibt kaum etwas, was man bei uns nicht findet.“ Ob man beim Bichl-Kramer auch etwas findet, was man sonst nicht mehr bekommt, möchte ich wissen und prompt antwortet die Kauffrau: „Hosenträger und Stofftaschentücher!“
Stoff-Wechsel als Überlebensstrategie
Stoffe gab es beim Bichl-Kramer immer schon, doch seit etwa 15 Jahren sind Stoffe und Kurzwaren mehr als nur ein zweites Standbein. „Viele Kunden kommen von weit her. So passiert es nicht selten, dass Näherinnen aus Gastein, St.Martin bei Lofer oder Bischofshofen zu uns finden. Nähen ist ,in’ und beim Verkauf eines Reißverschlusses bleibt uns mehr, als beim Verkauf von 10 Kilo Zucker. Doch wenn ich in Pension gehe, bedeutet dies auch das Ende des Bichl-Kramers“, verrät Hanna während sie schon die nächste Kundin, eine junge Mutter, an der kleinen Frischetheke bedient.
Dreiseitl – Kramer mit langer Geschichte
In Thumersbach, am Ostufer des Zeller Sees, treffe ich Dagmar und Hannes Dreiseitl, die Kaufleute vom Kaufhaus Dreiseitl. Sie geben mir einen Einblick in die lange Geschichte der Krämerei in Thumersbach: „Bereits 1903 befand sich im Saghäusl – etwas weiter drinnen im Tal – eine kleine Krämerei. Aus einem Kasten im Vorhaus wurden Nadeln, Zwirn und Knöpfe – aber auch Zucker und Salz verkauft. Nach und nach wurde ein richtiger Laden eingerichtet und man holte die Waren mit dem Pferdefuhrwerk vom Bahnhof in Zell am See. Schon 1930 war es eine echte Gemischtwarenhandlung wo man Nägel, Petroleum für die Lampen, Stoffe, Futtermittel und Lebensmittel erhielt. Durch den Aufschwung der Sommerfrische baute man in Seenähe einen Verkaufskiosk mit Ansichtskarten, Obst, Süßigkeiten und Tabakwaren. Das Brot kam per Boot vom Bäcker und wurde mit der Schubkarre zum Kiosk gebracht.“ Am 11. Juni 1956 eröffnete dann das heutige Kaufhaus am Dorfplatz und seit 1991 führt Hannes die Familientradition der „Kromara“ fort. Die Kunden sind einerseits Touristen aus den nahen Pensionen oder Arbeiter, die sich am Weg zu den umliegenden Baustellen mit Leberkäs-Semmeln und Getränken eindecken. Aber auch sehr viel Stammkundschaft aus dem Ort kauft trotz der großen Einkaufszentren rundum immer wieder beim Kramer.
Das Kaspressknödel-SMS
„Wir haben alles, was Sie brauchen – was wir nicht haben, brauchen Sie nicht“, prangt am Eingang und genau so ist es auch. Doch neben dem breiten Sortiment ist das Kaufhaus Dreiseitl auch Anlaufstelle für allerlei kleine und große Notfälle. „Nicht selten erreicht uns am Wochenende ein Notruf, dass Windeln, Bier oder Milch zur Neige gehen – dann springen wir selbst am Sonntag schnell in den Laden. Wir kennen unsere Kunden und machen uns auch schon mal Sorgen, wenn jemand nicht kommt. Schwere Einkäufe werden älteren Stammkunden auch direkt vor die Tür geliefert – das ist unser Service“, verrät Hannes. Und ein weiteres Service ist das Kaspressknödel-SMS, das die Dreiseitl-Kunden alle sechs Wochen erhalten. Nämlich dann, wenn Dagmar wieder rund 400 Kaspressknödel für den Verkauf zubereitet. „Da heißt es, schnell bestellen, denn die Knödel sind ein wahrer Renner“, lacht sie und verabschiedet sich, denn Kundschaft wartet an der Kasse.
Gutes aus der Nachbarschaft
Neben Luftmatratzen, Zwirn, Konfetti, Schokoladezigaretten, Brausepulver, Trachtenhüten und Tischtennisbällen findet man im Kaufhaus Dreiseitl aber auch regionale Spezialitäten. Mit der Initiative „Gutes aus der Nachbarschaft“ werden selbsterzeugte Produkte der einheimischen Bauern vermarktet. So kann hier etwa der beliebte Käse vom Thumersbacher Tödlingbauern, Bio-XXL-Eier aus Saalfelden oder Honig von der Tante Annemarie Brandstätter gekauft werden. Natürlich setzen die Supermärkte auch diesem Kaufhaus zu, doch Hannes sieht es gelassen: „Reich wirst du als Kramer ohnehin nicht. Du arbeitest fünf Tage von 7 bis 18 Uhr und auch am Samstag ist in der Saison nachmittags geöffnet. Am Sonntag mache ich meine Bestellungen. Doch die Kramerei ist mein Leben und selbst wenn wir manchmal nur Lückenfüller für die im Großeinkauf vergessenen Lebensmittel sind, oder wenn eben schnell mal die Milch ausgeht, dann können wir auch schon überleben. Und bei älteren Einwohnern, die nicht mehr mobil genug sind, um zu den Supermärkten zu fahren, merken wir die Dankbarkeit für den ,Kramer um’s Eck’.“
Fotos © Edith Danzer