Der 34-jährige Bramberger Hansjörg Voithofer ist ein echtes Multitalent: Ranggler in dritter Generation und Trainer des Ranggel-Nachwuchses, Mundartdichter, Volksmusik-Interpret und Hochzeitslader. Und auf einer Visitenkarte müsste auch noch sein anspruchsvoller Hauptberuf als Forstarbeiter noch Platz finden.
Der Hågmoar
Das Ranggeln hat keltische Wurzeln und wurde erstmals Anfang des 16. Jahrhunderts urkundlich erwähnt. Senner und Bauernburschen trugen so ihre Meinungsverschiedenheiten und Revierkämpfe auf den Almen aus. Der Sieger war der „Hågmoar“ (Håg – Abzäunung auf Almflächen, Moar – Meister) und der genoss Ansehen und Respekt. Barfuß und in einer reinweißen Pfoad (Leinenhemd), Ledergürtel und Leinenhosen besteigen zwei kräftige Burschen die natürliche Arena auf der grünen Wiese unter dem Statzerhaus am Hohen Hundstein. Unter lautem und emotionsreichem Anfeuern der Zuschauer beginnt der maximal sechsminütige Kampf. Mit Griffen und Würfen soll der Gegner mit beiden Schulterblättern auf den Boden gebracht werden, um in die nächste Runde aufzusteigen. Wird das innerhalb der Zeit nicht geschafft, scheiden beide aus. Schiedsrichter und Seitenrichter überwachen den genau reglementierten Kampf, der Ähnlichkeiten mit dem Ringen hat. „Probier‘ an Knupfer!“ „Na, an Kreizwurf mach!“ – schallt es aus der dicht an dicht im Gras sitzenden Menge. Die beiden Kämpfer scheinen sich ebenbürtig zu sein, doch dann geht es schnell. Mit einem geschickten Griff wird der Gegner zu Fall gebracht. Er landet auf dem Rücken und beide Schulterblätter werden auf den Boden gedrückt. Der Schiedsrichter gibt das Signal – der Kampf ist entschieden! Beide Kämpfer erheben sich, richten die längst nicht mehr weißen, sondern vielmehr mit Grasflecken übersäten Hemden und schütteln sich die Hände. Der Sieger hat es in die nächste Runde geschafft und die Menge bis hinauf zum Gipfelkreuz jubelt. Es ist der Bramberger Hansjörg Voithofer, der sich nun auf ein paar Worte zu mir an den Rand der Arena hier oben am legendären Hundstein gesellt. Der 2.117 m hohe Gipfel zwischen Zell am See, Taxenbach und Maria Alm lockt Jahr für Jahr am letzten Sonntag im Juli, dem Jakobitag, die besten Ranggler zum Hundstoa Jakobiranggeln in die Naturarena.
Der Oberpinzgauer Forstarbeiter hat die ideale Statur für einen Ranggler – muskulös, standhaft und trotzdem wendig. Der Sport wurde ihm schon in die Wiege gelegt, wie er lachend erzählt: „Mein Opa Anton und mein Papa Ernst waren begeisterte Ranggler. Ich bin schon als kleiner Bub mit zu den Bewerben gefahren. Mit fünf Jahren lernte mir mein Papa, der damals auch Trainer der Bramberger Ranggler war, einen einfachen Griff, den ,Hufer‘.“ Gut erinnert sich der Bramberger noch an seinen allerersten Kampf im Jahr 1996: „Der dauerte genau sieben Sekunden und ich lag besiegt am Boden. Das hat meinen Ehrgeiz geweckt und ich begann im Verein zu trainieren. In der nächsten Saison gewann ich die ersten vier Kämpfe in jeweils sieben Sekunden und stand erstmals ganz oben am Siegespodest.“ Heute ist Hansjörg selbst Trainer der Bramberger Ranggler und darf auf zahlreiche Erfolge zurückblicken. Doch der Höhepunkt für jeden Ranggler, der Titel des Hundstoa-Hågmoar, blieb ihm bislang verwehrt. Und darum wird Hansjörg auch dieses Jahr Ende Juli zu Fuß den Hundstein erklimmen, denn das Hinaufwandern gehört für die Athleten zur Tradition, und sich unterm Gipfelkreuz der sportlichen Herausforderung stellen, denn, so sagt er: „Der Mythos Hundstein ist einzigartig und der Hågmoar-Titel wäre die Krönung meiner Karriere.“
Der Mundartdichter
Aus seiner Liebe zur Heimat und Tradition entstanden nebenbei auch zahlreiche Gedichte, wie auch das am Ende dieses Artikels abgedruckte Ranggler-Gedicht „Rangglerbluat“. „Unsere Mundart ist mir wichtig und ich möchte sie für die nächsten Generationen bewahren. Einige Ausdrücke sind schon fast in Vergessenheit geraten. Darum habe ich all meine Gedichte über die Jahre gesammelt, mit Originalfotos aus der Familie illustriert und mein erstes Buch ,Pinzgauer Mundartgedichte‘ herausgegeben. Damit tourte ich auf Lesungen durch den Pinzgau und las ehrenamtlich im Seniorenheim. Viele der Ideen für dieses Buch, und auch schon mein nächstes Buch, das 2024 erscheint, bekomme ich vor allem bei meiner Arbeit im Wald. Da kann es schon mal sein, dass ich bei einer Pause zu Stift und Papier greife und voll Inspiration ein Gedicht entstehen lasse.“ Und wenn der Waldarbeiter betont: „Ich habe aber nicht den Drang berühmt zu werden, ich schreibe und singe nur aus Spaß an der Freude“, dann nimmt man ihm diese Bescheidenheit gerne ab.
Der Musikant & Hochzeitslader
Der kreative Tausendsassa entdeckte vor rund fünf Jahren zufällig beim Verfassen des „Bramberger Rangglerlieds“ für die Wildkogel Buam seine musische Ader. Das Texten wurde zum Hobby und mittlerweile hat Hansjörg rund 400 Songtexte in der Schublade liegen. 20 Lieder wurden von diversen Volksmusikgruppen schon erfolgreich eingesungen. Und weil er den Text für ein Lied über die Holzknechte probeweise selbst einsang und damit umgehend Erfolg erntete, wurde er über Nacht auch noch zum Interpreten volkstümlicher Lieder. Er erzählt: „Ich hielt mich nie für einen großartigen Sänger. Ich bin Holzarbeiter, wie schon mein Papa und Opa. Doch als Wertschätzung für die harte und oft gefährliche Arbeit schrieb ich die Songs ,Hoiz geh Toi` und ,Wanns Kniedl hoglt‘. Beide Lieder kamen so gut an, dass wir kurzerhand Musikvideos drehten und diese auf YouTube stellten.“ Und als er eines Tages gefragt wurde, bei der Hochzeit eines Freundes als Hochzeitslader zu fungieren, bewies er auch darin ein ungeahntes Talent. Bei großen, traditionellen Hochzeiten im SalzburgerLand ist es der Hochzeitslader, der seinen Hochzeitslader-Stock schwingend durch den Tag führt. Er übernimmt die Koordination und den Ablauf von Zeremonie, traditionellen Einlagen bis zum Beenden der Feier mit dem offiziellen Hinausspielen des Brautpaars. „So kann das Brautpaar eine entspannte Feier genießen und ortsfremde Gäste werden mit regionalen Hochzeitsbräuchen vertraut gemacht,“ erzählt Hansjörg. Doch jetzt hat er es plötzlich eilig, wieder zur Arena zu kommen und verabschiedet sich aufgeregt: „Eines meiner 30 Kinder ist jetzt im Ring!“ Damit meint er einen der 30 Buben zwischen fünf und 14 Jahren, die er als Trainer des Bramberger Rangglervereins trainiert. Hansjörgs Vater, Ernst Voithofer, heuer 30 Jahre Obmann des Rangglervereins, ist an seiner Seite und beide feuern sie den kleinen Athleten an: „Bleib standhaft, mach an Knupfer, jetzt probier‘ an Hufer…!“
Rangglerbluat
Ranggeln, des lieg ma an Bluat.
Des hod kunnt da Vota schon vöeng guad.
Er is woi oiwei a letz Mandl g´wen,
owa mitn Schuitara hoad as meng
an Bodn eiche stähn.
Da Großvota hiad ah oiwei gern tu,
owa leida hod a nid meng va da Orwat davu.
Groß, storch und bad de Griff vöent fei.
Jo, so kust a guada Ranggler sei,
Owa wehla, wonnst bist, kust a epas g´winga
Und ba de Guadn aweg mitschwimma.
Rangglen, das liegt mir im Blut,
das konnte schon der Vater sehr gut.
Er war wohl schmal in der Gestalt,
aber mit dem Schulterwurf hat er
sie zu Boden gebracht.
Der Großvater hätt auch gern geranggelt,
aber leider konnte er nicht von der Arbeit weg.
Groß, stark und mit ganz feinen Griffen.
Ja, so kannst du ein guter Ranggler sein.
Aber wenn du hartnäckig bist kannst du auch etwas gewinnen
Und bei den Guten ein wenig mitschwimmen.
Das Buch von Hansjörg Voithofer ist in den Tourismusverbänden Bramberg und Neukirchen sowie direkt beim Autor (Dorf 16, 5733 Bramberg, Tel.: 0664/429 51 42, Mail: hans.voithofer@gmx.at) erhältlich.