An ihrem Traum von ihrem ersten Almsommer auf einer Hütte im SalzburgerLand halten Oli & Sasch fest. Nach dem Buttern, Melken und der Käseherstellung widmen sie sich in ihrer Vorbereitung auf das Almleben diesmal dem Thema Almkräuter. Kräuterexpertin Susanne Mitterer erklärt den beiden, wie ihnen unsere heimischen Almkräuter bei kleinen Wehwehchen helfen können oder welch schmackhafte Zugabe sie beim Kochen sind.
Nicht immer läuft im Senner-Alltag alles glatt und schnell hat man sich mal geschnitten, einen Sonnenbrand geholt oder wurde von einem Insekt gestochen. „Aber keine Angst. Auf einer unserer schönen Almen im SalzburgerLand sitzt ihr sozusagen direkt an der Quelle für wirksame Helferlein aus der Natur“, erklärt TEH Kräuterkundlerin Susanne Mitterer. TEH steht für die „Traditionelle Europäische Heilkunde im Pinzgau“, welche hier von Generation zu Generation überliefert und erhalten wurde und sie ist sogar Teil des immateriellen Weltkulturerbes. Die Ausbildung zur TEH-Praktikerin hat Susanne 2014 absolviert. Das hat ihr Wissen, welches sie bereits von ihrer Oma mitbekommen hat, auf eine solide Basis gesetzt. Es folgten weitere Ausbildungen und über die Jahre wurde die Berufung der vierfachen Mutter zum Beruf – als selbstständige Kräuterpädagogin vermittelt sie ihr Wissen in Kräuterkursen und Workshops unter dem Namen „Pinzgauer Naturzauberwerke“.
Auf der Suche nach Heilkräutern
Obwohl in den höheren Bergregionen der Schnee erst vor nicht allzu langer Zeit geschmolzen ist, sprießen schon die ersten Kräuter hervor. „Nur finden und erkennen müsste man sie“, gestehen Oli & Sasch, als wir uns zur Kräutersuche am Mitterberg bei Zell am See-Kaprun mit wunderschönem Ausblick über den Zeller See treffen. Susanne lacht und meint: „Ihr steht direkt darauf! Ihr müsst euch nur bücken!“ Sie zeigt auf zierliche Gänseblümchen, die ihre Köpfchen zögerlich bei den ersten Sonnenstrahlen öffnen. „Gleich daneben wächst der Löwenzahn. Verkennt ihn nicht als Unkraut, denn der schmeckt hervorragend und ist gesund.“ Etwas skeptisch blicken die beiden auf die Blumen in Susannes Hand und lauschen gespannt, welche guten Eigenschaften in den kleinen Pflanzen stecken.
Löwenzahn & Gänseblümchen
„Gänseblümchen sind der Inbegriff von sanfter Schönheit. Das besagt auch der volkstümliche Name Tausendschön. Doch dahinter verbirgt sich noch viel mehr“, erklärt Susanne, während Oli & Sasch die Pflanzen aus der Nähe inspizieren. „Von der großen Wirkung dieses kleinen Pflänzchens wissen nur wenige. Oft wird das Gänseblümchen auch als ,Kinderarnika‘ bezeichnet. Die Wirkungsweise ist der des echten Arnikas nämlich sehr ähnlich. Aber im Gegensatz zu der geschützten Arnika-Pflanze können und dürfen Gänseblümchenblüten und -blätter von Frühlingsbeginn bis zum späten Herbst immer und überall geerntet werden.“
Während sie nun in der Wiese nach den kleinen Blumen suchen, führt Susanne aus: „Gänseblümchensalbe und -tinktur sind wunderbare Schmerz- und Wundheilmittel bei Prellungen, Schürfwunden und Verstauchungen. Diese Wirkung hat es aber auch, wenn man den Blütenkopf frisch von der Wiese pflückt, etwas zerreibt und auf die Wunde gibt. Bei Husten und Heiserkeit wirkt der Tee schleimlösend und lindernd. Und wenn nach der harten Almarbeit die Muskeln schmerzen, sorgt eine Auflage aus Gänseblümchentee für rasche Linderung. Und natürlich sind sie eine tolle essbare Deko in Suppen, Salaten oder am Butterbrot.“ Zum Beweis nimmt Susanne ein Gänseblümchen in den Mund und kaut genüßlich darauf herum. Zögerlich tun es ihr Oli & Sasch gleich und verkünden erstaunt: „Schmeckt irgendwie nach Karotten.“
Währenddessen pflückt sich die Kräuterexpertin den gelben Blütenkopf des Löwenzahns und steckt ihn ebenfalls in den Mund, während sie verkündet: „Den Ruf als Unkraut hat der Löwenzahn zu Unrecht. In Wirklichkeit ist er nämlich ein echtes Wunderkraut. Durch den hohen Gehalt an Bitterstoffen regt er die Verdauung an, pflegt Leber und Galle und sogar bei Rheuma und Nierensteinen leistet er gute Dienste. Täglich einige Blätter frischer Löwenzahn im Salat bringen den Stoffwechsel so richtig in Schuss.“ Mutig kosten die Alm-Anwärter auch diese Wiesenblume und lauschen Susannes Ausführungen: „Auf der Alm werden die Blätter gemeinsam mit etwas Öl auch schnell zum köstlichen Pesto, und aus den gelben Blüten entsteht ein süßer Brotaufstrich fürs perfekte Almfrühstück. Mit etwas Geduld kann aus den Wurzeln sogar Pflanzenkaffee hergestellt werden.“
Klein, grün und voller Heilkraft
Aber noch viel unscheinbarere Almkräuter zeigen sich auf der Wiese über dem Zeller See. Hier sprießen schon die schlanken Blätter des Spitzwegerichs, der nicht nur ein idealer Ersthelfer bei Insektenstichen ist, sondern seine volle Heilkraft in einem leckeren Hustensirup entwickelt. Die beiden Alm-Neulinge sind überrascht, wie viele Kräuter sich entdecken lassen, wenn man seinen Blick ein wenig auf die Kräutersuche fokussiert. Nach Susannes Einweisung schwärmen die beiden aus und schnell werden sie fündig: Schafgarbe, Spitzwegerich und Gänseblümchen landen im Sammelkorb.
Nach kurzer Zeit machen es sich die drei mit Premium-Ausblick auf Zell am See und das Kapruner Kitzsteinhorn auf der Wiese bequem und sortieren die Kräuter-Ausbeute. „Aus dem Spitzwegerich und der Schafgarbe können wir sofort eine wunderbare Tinktur zaubern. Klein geschnitten und mit gutem Obstler aufgegossen, ergibt das nach zwei bis drei Wochen Ziehzeit eine juckreizlindernde und schmerzstillende Einreibung bei Insektenstichen. Die Schafgarbe wird in der Naturheilkunde außerdem als Tee bei Magenverstimmungen und zur Beruhigung sowie als Kompresse zur Wundheilung eingesetzt. Die kleinen zart-gefiederten Blätter schmecken leicht würzig-herb und sind eine wunderbare Beigabe zu allerlei Gerichten.“
Johanniskraut & Bergthymian
Noch ist es zu früh, um einen wahren Sonnenschein unter den Almheilkräutern zu finden: das Johanniskraut. Susanne zeigt den beiden ein Foto dieser Almpflanze und erklärt: „Die kleinen gelben Blüten sprießen meist um den Johannestag, dem 24. Juni. Pflückt man die Blüten und drückt sie zwischen Daumen und Zeigefinger, tritt sofort roter Pflanzensaft aus. Dieser rote Farbstoff ist für die Heilkraft des Johanniskrauts verantwortlich. Es wird auch Hypericin genannt. Legt man die gelben Blüten in Öl ein, erhält man nach wenigen Wochen das weitum bekannte und heilsame ,Rotöl‘. Dieses besondere Öl darf in keiner Haus- oder Almapotheke fehlen. Ob bei kleinen Verletzungen, Entzündungen oder Verbrennungen – das Johanniskrautöl ist vielfältig einsetzbar. Auch bei den tierischen Almbewohnern ist das Rotöl ein wirkungsvolles Heilmittel, wenn sie sich kleine Wunden zugezogen haben.“
Aufpassen muss man bei der Anwendung allerdings in Kombination mit Sonne. Johanniskrautöl macht die Haut durchlässig für die Sonnenstrahlen. Scheint die Sonne ungeschützt auf eine mit Johanniskrautöl behandelte Stelle, kann schnell ein schmerzhafter Sonnenbrand entstehen. Deshalb der Tipp der Kräuterexpertin: „Johanniskrautöl am besten immer nur abends verwenden bzw. wenn man nicht mehr raus in die Sonne geht.“ Mit einem Augenzwinkern fügt die Kräuterhexe hinzu: „Das Johanniskraut hat aber noch eine ganz besondere Wirkung. Nähert sich ein Gewitter, greift man zu Johanniskraut und Königskerze und wirft sie ins Herdfeuer, entzündet sie am Stövchen oder in einer Räucherschale. Der aufsteigende Rauch der beiden Pflanzen vertreibt Unwetter, Sturm und schwarze Wolken und lässt die Sonne wieder scheinen.“
Im Sommer überziehen kleine rosa-leuchtende Polster die Almwiesen. Streicht man mit der Hand nur leicht darüber, verströmen sie sofort einen wunderbar-würzigen Duft. Der Quendel – oder auch Bergthymian – bringt die richtige Würze in viele Speisen und sorgt auch dafür, dass der Frischkäse auf der Alm eine einzigartige Geschmacksnote erhält. Getrocknet oder frisch und mit heißem Wasser übergossen, hilft Quendeltee bei Erkältungskrankheiten und Husten. Und ein wohltuendes Fußbad nach einem langen Almtag kann man sich damit auch zubereiten.
Kräuterwanderungen und Workshops
Die Welt der Kräuter ist umfangreich und bunt – das haben Oli & Sasch bei diesem Treffen gemerkt. Um die botanischen Helferlein am Wegesrand sicher erkennen und bestimmen zu können, bedarf es noch ein paar weiterer „Lehreinheiten“ bei Susanne. In die Welt der Kräuter kann man mit Susanne übrigens das ganze Jahr über eintauchen. Bei Kräuterwanderung und Workshops begeistert sie Klein und Groß für das Grün der heimischen Wiesen. Auch stehen im SalzburgerLand unzählige Kräutergärten, Themenwege rund um die Almkräuter und Workshop-Angebote zur Verfügung. Auch am Via Culinaria Genussweg für Kräuterliebhaber kann man tief in die Geheimnisse der Kräutervielfalt eintauchen.
Hinweis: Vor dem Entstehen dieser Geschichte waren alle beteiligten Personen – einschließlich der Autorin und Fotografin – beim Covid-Test.