Dunkle Wolken türmen sich bedrohlich am Horizont auf, kein Windhauch regt sich und brütende, schwüle Hitze lastet über dem SalzburgerLand. Wanderern ist Vorsicht geboten, denn am Berg kann man schnell von einem Unwetter überrascht werden.
Wer kann, bleibt im Schatten oder erfrischt sich durch einen Sprung in das kühle Nass der Schwimmbäder und Badeseen. Doch für die Landwirte ist jetzt Eile geboten, denn noch vor dem drohenden Gewitter muss das frisch gemähte Heu eingebracht werden.
Plötzlich kommt Wind auf – der Wetterwind – der böig das Unwetter ankündigt. Erst nur ein leichter Hauch, der die Blätter der Bäume sanft hin und her wiegt, steigert sich das Lüftchen schnell zu einer starken Brise. Mit Einsetzen des Windes beginnt auch das „Wetterläuten“ der nahen Kirche und signalisiert: Schutz aufsuchen! Die Kombination aus rabenschwarz verdunkeltem Himmel, aufkommendem Wind und dem andauernden Geläute der Wetterglocke verursacht Gänsehaut und schnell wird zusammengepackt – am Strand, am Feld, im Caféhaus.
In vielen Gemeinden des SalzburgerLandes wird dieser alte Brauch noch praktiziert. Meist sind es die Mesner, die im Sommer den „Wetterläut-Dienst“ versehen und durch das Läuten der Kirchenglocke einerseits die Bevölkerung warnen, andererseits – und das ist der eigentliche Volksglaube – durch den erzeugten Schall die Gewitterwolken vertreiben.
Volksglaube gegen Naturgewalt
Der Ursprung dieses alten Brauchs liegt in einer Zeit, in der Wetterphänomene wie Dürren, Sturm und Hagel physikalisch oder meteorologisch nicht erklärbar waren, sondern, aus dem Aberglauben heraus, den Hexen zugeschrieben wurden. Wetterschäden durch Hagel waren unmittelbar existenzgefährdend, kein „Unwetter-SMS“ warnte vor Gefahren, keine Versicherung zahlte den Ernteausfall. Die von der Landwirtschaft abhängige Gesellschaft kämpfte nach einem verheerenden Unwetter oft ums Überleben. So kam es, dass das Läuten der geweihten Glocke die Hexen – und mit ihnen auch die unheilbringenden Wolken – vertreiben sollte. Mit der Aufklärung schwand aber auch der Glaube an die Hexen als Ursache für Blitz und Donner, und man setzte auf den, durch das Läuten erzeugten, Schall der Wetterglocke als erfolgreiches Mittel gegen Hagel und Wolkenbruch. So tragen auch viele Kirchenglocken im Pinzgau Wettersprüche als Inschrift. Sogar Friedrich Schillers „Lied von der Glocke“ startet mit den Worten: „Vivos voco. Mortuos plango. Fulgura frango – Die Lebenden rufe ich. Die Toten beklage ich. Die Blitze breche ich“ – und bezeugt so den Glauben an die unwetterabwendende Wirkung des Glockenklangs.
Rauriser „Hobby“-Mesner und „Wetterläuter“
Karl Granegger aus Rauris beherrscht das „Wetterläuten“. Zwölf Jahre lang war er Mesner in der Pfarre des Goldgräber-Dorfes, heute bezeichnet er sich nur noch als „Hobby-Mesner“, der im Sommer stets ein argwöhnisches Auge auf die Wolkenbildung über dem Raurisertal wirft und schon bei den ersten Anzeichen eines Unwetters in die Kirche eilt. „Das ,Wetterläuten‘ ist eigentlich nur im alpinen Raum bekannt. Und auch, wenn es wissenschaftlich nicht erklärbar, und physikalisch sogar widerlegt ist, es hilft! Die meisten bösen Unwetter in Rauris hat man mit dem Läuten der geweihten Glocke abgewendet“, ist sich der Rauriser Mesner sicher.
Das „Wetterläuten“ hat in der Familie Granegger bereits lange Tradition: Schon die Großmutter war Mesnerin und läutete von 1895 bis 1938 die Glocken der Rauriser Kirche und Karl Granegger erzählt: „Früher, bevor ein elektronisches Läutwerk installiert wurde, war das ein kräfteraubendes Unterfangen, denn es brauchte drei Mann, um die Glocken zu läuten. Doch der Zusammenhalt in der Gemeinde war immer schon groß, und so eilten mit dem Einsetzen des ,Wetterläutens’ stets die freiwilligen Helfer in den Glockenturm, um den Mesner beim Läuten zu unterstützen.“ Auch heute noch zählen die Rauriser auf ihren „Wetterläuter“ und lachend berichtet der Mesner: „Als ich einmal spät dran war mit dem Läuten, bekam ich prompt einen aufgeregten Anruf einer besorgten Rauriserin, die meinte: ,Ja siagst du nid, dass bei uns in Hundsdorf da Hagel kimmb, fang zum Läuten an!‘.“
Im Jahr 1783 wurde das Wetterläuten von Erzbischof Hieronymus Graf Colloredo aufgrund einiger Todesfälle, bei denen Mesner am Kirchturm durch Blitzschlag ums Leben kamen, vorübergehend verboten. Daran gehalten hatten sich allerdings nur Salzburg und Vorarlberg, und auf Druck der Bevölkerung wurde dieses Verbot bald wieder aufgehoben. Bis heute wurde der Brauch im Pinzgau erhalten. Das Läuten ist über die vielen Jahre gleich geblieben – mit den ersten Anzeichen des Unwetters setzt der Glockenschlag der großen Glocke im Rauriser Kirchturm ein und hört erst auf, wenn die Gefahr gebannt ist.
Wetterkerzen und Wetterkreuz
Neben dem „Wetterläuten“ vertrauen die Pinzgauer aber noch auf weitere „Wetter-Helfer“, wie dem Verbrennen geweihter Palmkätzchen und dem Anzünden der schwarzen Wetterkerze, während Blitz und Donner wüten. Auch den Wettersegen oder den Bittgang um den „Wetterherrentag“ von Johannes und Paul (26. Juni) gibt es in vielen Pinzgauer Gemeinden. So etwa in der Gemeinde Saalbach Hinterglemm, die seit jeher von bösen Unwettern heimgesucht wird. Dort leitet Pfarrer Jürgen Gradwohl die jährlichen Bittgänge zur Rosswald-Kapelle, Spielbergkapelle und dem Wetterkreuz am Bernkogel, wo meist die heftigen Unwetter den Weg ins Tal finden, um für gelindes Wetter zu bitten. Eine dieser wunderschönen kleinen Wetter-Kapellen, liegt zwischen Rosswald und Hochalm, wo die Wetter über die ”Eiserne Hand“ aus dem Tirolerischen ins Glemmtal ziehen. Sie wurde von den Brüdern Johann und Georg Hasenauer aus Hinterglemm im Jahr 1959 erbaut, nachdem das alte Wetterkreuz umgefallen war. Ohne Zufahrtsstraße mußten sie das gesamte Baumaterial mühsam aus dem Tal hochtragen.
Wissenschaft gegen Volksglaube
Meteorologen halten von dem Brauch des „Wetterläutens“, zum Vertreiben der Gewitterwolken, nicht viel, denn rein wissenschaftlich können Schallwellen den Wolken nichts anhaben. Doch der Erfolg scheint den Glocken recht zu geben. Wer bei einem aufziehenden Gewitter trotzdem auf Nummer sicher gehen will, sollte folgende Verhaltensregeln beachten:
- Exponierte Lagen wie Kuppen, Grate und freies Gelände meiden, in denen man als Person den höchsten Punkt darstellt.
- Isoliert stehende Bäume sind kein guter Schutz vor einem Gewitter!
- Metallgegenstände weit weg vom Körper deponieren.
- Schrittspannung verringern: dicht zusammenkauern und mit möglichst wenigen Punkten den Boden berühren, auf keinen Fall breitbeinig stehenbleiben.
- Blitze schlagen nicht immer am höchsten Geländepunkt ein: daher bestenfalls im Haus oder im Auto bleiben (Faraday’scher Käfig).
- Elektronische Geräte vom Netz nehmen (Hauptstecker ziehen, auch DSL-Kabel entfernen).