„Du musst einfach Vollgas geben. Nicht so, wie wenn wir normal langlaufen gehen, wo du immer so herumspazierst. Viel schneller! Vollgas eben!“ Heute ist kein normaler Schultag. Am Frühstückstisch, zwischen Kakao, Müsli und Butterbrot versorgt die bereits rennerprobte Tochter die jüngere mit wertvollen Tipps für die bevorstehenden Schulrennen. Und die sind im Rauriser Ortsteil Wörth alles andere als gewöhnlich.
Weit muss man nicht schauen, um zu erkennen, welches Thema der Rauriser Bevölkerung besonders am Herzen liegt: Der Erhalt des Wintersports und die Freude daran. Das beginnt im Kindergarten mit dem Angebot eines Skikurses, der von der Gemeinde organisiert und mit Gratis-Skikarten von den Rauriser Hochalmbahnen unterstützt wird. Auch das Christkind scheint großes Interesse daran zu haben, dass sich die Kleinen in der Winterlandschaft bewegen, denn in vielen Haushalten liegt schon früh das erste Paar Skier unter dem Christbaum.
Diese ersten Kontakte mit dem Wintersport werden von der Direktorin und dem Direktor der beiden Volksschulen weiterverfolgt und intensiviert. In Rauris lernen die Kids den gemeinschaftlichen Pistenspaß bei den Skitagen kennen und tragen lustige Wettkämpfe bei der Winterolympiade aus. Die Volksschule im Ortsteil Wörth geht bei ihren Rennveranstaltungen ganz ursprüngliche Wege und setzt neben den klassischen Brettln auch auf die schmalen.
Vom Langlaufen und Skifahren
Das Kammerl mit der Langlaufausrüstung in der Volksschule Wörth ist mittlerweile besser bestückt als so manches Sportgeschäft. Über die Jahre schaffte die Schule immer weitere Langlaufschuhe, -skier und -stöcke an, sodass für jedes Kind eine Ausrüstung verfügbar ist. Gegen eine geringe Gebühr kann die Ausrüstung den gesamten Winter ausgeliehen werden. Ein Angebot, das nahezu alle Kinder mit ihren Eltern dahinter gerne beanspruchen und das für reges Treiben auf der kleinen Veitloipe in Wörth sorgt.
Selbstverständlich ist auch der alpine Skisport ein fixer Bestandteil im winterlichen Schulprogramm. Im Rahmen des Turnunterrichts geht es für die Schüler*innen mit dem Skibus zu den Rauriser Hochalmbahnen. Dort pflügen, wedeln oder carven sie gemeinsam mit der Lehrerschaft und in Begleitung einiger Eltern und Großeltern über die Pisten und werden immer tiefer in die Faszination Wintersport hineingezogen.
Im Rennfieber
Kurz vor den Semesterferien fiebern die Kinder auf zwei besondere Tage hin: die Skirennen der Volksschule Wörth. Und Direktor Josef Rasser fiebert mit. Denn die Rennen finden nicht auf der Skipiste statt, sondern auf der Veitwiese und der Veitleitn in der Nähe der Schule. Während der Loipentraktor regelmäßig seine Schleife zieht, wird die Skipiste einzig für den Skirenntag vorbereitet. Das funktioniert mal relativ spielerisch, mal warten große Herausforderungen. Etwa wenn der Wettergott den Veranstaltern nicht so wohlgesinnt ist und vor den Renntagen eine Monatsladung Schnee gen Erde schickt. Absage? Allerletzte Option. Schließlich sind die Kinder bestens vorbereitet und voller Vorfreude und der Elternverein hat schon die Würstel für die Bosna organisiert. Also nochmal alle Eltern und freiwilligen Helfer mobilisieren. Und die findet der Volksschuldirektor immer wieder.
Gemeinsam für den Wintersport
Die Wörther Bevölkerung sponsert die Preise für die Schüler*innen. Von den Lehrerinnen bis zu den kräftigen Schulkind-Papas packen beim Auf- und Abbau alle mit an. Die Gemeindemitarbeiter sorgen mit Traktor und Pistengerät für die perfekte Präparierung. Der Schiclub Rauris übernimmt die Rennwertung. Den Strom darf die Volksschule Wörth kostenlos von den umliegenden Häusern abzapfen. Der Elternverein verköstigt die Anwesenden mit Punsch, Glühwein und Imbissen. Alle helfen zusammen, damit die junge Generation einen spannenden Skitag erlebt. Auch wenn das heißt, dass Lehrerschaft, Eltern und freiwillige Helfer bei Neuschnee frühmorgens schon mal mit Skiern, Schaufel, Skidoo und ordentlich viel Muskelkraft anrücken müssen.
Rennmodus an
Die Skirennen der Volksschule Wörth starten traditionell am Donnerstag mit dem Langlauf. Mal gemütlich, mal unglaublich schnell ziehen die Kinder ihre Runde – für die dritten und vierten Klassen sind es zwei – über die Veitwiese. Mit Punsch und Semmerl wird ihr Fleiß anschließend belohnt, während die Eltern ihre Langlaufskier anschnallen. Die Eltern? Ganz genau, denn auch diese werden vom Volksschuldirektor herzlich dazu aufgefordert, in den Rennmodus zu schalten. Beim Staffelbewerb der Erwachsenen steht aber definitiv der Spaß im Vordergrund. Mit spektakulären Stürzen und lustigen Zusatzchallenges wie dem Bällewerfen sorgen die Teilnehmenden – meist unfreiwillig – für viel Erheiterung beim Publikum. Um die Mittagszeit findet ein aufregender erster Renntag mit der Siegerehrung schließlich seinen Abschluss.
Die Streif von Wörth
Tags darauf ist am Hang alles angerichtet. Wo am Vortag noch Tiefschnee lag, glitzert heute eine top-präparierte Piste in der Morgensonne. Der Schiclub hat den Lauf gesteckt, die Kinder ziehen ihre Startnummern über und dann geht es los. Na ja, ganz so einfach ist es nicht, denn so manches Kind hat sich im Vorhinein schon gefragt: „Aber wie kommen wir da hinauf, da gibt es ja keinen Lift?“ „Ja, rauftreten natürlich!“, kontern die Eltern, von denen einige in jungen Jahren schon selber das Vergnügen hatten. Die erste Fassungslosigkeit der Kinder weicht schnell dem Spaß, wenn sie sich gemeinsam mit ihren Klassenkamerad*innen an den Aufstieg machen.
Die ersten und zweiten Klassen stellen sich einem verkürzten Lauf, die älteren Kinder starten von ganz oben. Vom Zielraum aus tragen Eltern, Großeltern, Geschwister und viele weitere Wintersportfreunde die Kleinen mit Anfeuerungsrufen nach unten. Nach rund einer Stunde und über 60 Startern brettert das letzte Schulkind über die Ziellinie.
Nun dürfen erneut die Erwachsenen über die „Streif von Wörth“ wedeln. Ermittelt wird jedoch nicht die Bestzeit, sondern die Durchschnittszeit. Und die liegt weit über den Laufzeiten der Kinder, was vermutlich daran liegen mag, dass die Großen eine Kurze-Zwischenstation (kein Rechtschreibfehler) bewältigen müssen. Damit der Unterhaltung nicht genug: Es ist ausdrücklich erwünscht, sich maskiert durch die Tore zu schwingen. Da kommt es schon mal vor, dass der böse Wolf dem Rotkäppchen mit Skiern auf der Veitleitn hinterherjagt.
Siegeszug für die Generation Winter
Zuletzt stehen aber wieder diejenigen im Mittelpunkt, für die sich der Aufwand dieser Veranstaltung Jahr für Jahr lohnt: Stolz stemmen alle Schülerinnen und Schüler der Volksschule Wörth ihren Pokal in die Höhe. Ausnahmslos alle, denn auch wer nicht aufs Stockerl kommt, erhält eine kleine Trophäe. Und wenn man dann in die freudestrahlenden Gesichter der Kinder blickt, ihnen dabei zusieht, wie sie trotz der vorherigen Strapazen schon wieder vergnügt im Schnee toben, da stellt man mit ein bisschen Stolz in der Brust fest: Die nächste Generation Winter ist gesichert!