… oder warum Kräuterhexen Smoothies trinken.
Hoch oben am Reiterkogel in Saalbach Hinterglemm liegt der Heilkräuter- und Alpenblumenweg mit über 200 heimischen Pflanzen. Auf dem liebevoll angelegten Areal auf 1.544 m, direkt neben der beliebten Reiteralm, kommen Hobbygärtner, Naturinteressierte und Kräuterhexen ganz auf ihre Kosten. Bei über 200 Heilpflanzen und Alpenblumen aus der Region wird neben den optischen Erkennungsmerkmalen auch deren medizinische, homöopathische und volksheilkundliche Wirkung erklärt.
Sagenhafte Blitzableiter und Liebeszauber
Kuriose Geschichten und überlieferte Erzählungen ergänzen die wissenschaftlichen Ausführungen und so erfährt man zum Beispiel dass die Hauswurz bei unseren Vorfahren als ganz erstaunliches Gewächs galt: Im Volksglauben sagte man ihr magische Kräfte nach. So galt sie als sicherer Schutz vor Blitzschlag. Karl der Große verordnete sogar, dass jeder Bauer auf seinem Dach eine solche Pflanze haben müsse.
Auch die gemeine Wegwarte gilt alten Sagen zufolge als magische Pflanze: Vor allem aus dem ausgehenden Mittelalter sind viele Mythen bekannt, die der Wegwarte unglaubliche Zauberkräfte, vor allem beim Liebeszauber, zuschreiben.
Eine Expertin vor Ort für all diese Heilpflanzen ist Tanja Kees, die Wirtin der Reiteralm. Im Jahr 2012 hat sie gemeinsam mit ihrem Mann Toni die im Jahr 1771 erbaute Reiteralm übernommen und mit viel Fingerspitzengefühl sanft modernisiert. Als geprüfte TEH Praktikerin (TEH= Traditionelle Europäische Heilkunde) ist sie mit Frauenmantel, Augentrost und Johanniskraut auf Du und Du und stellt aus regionalen Heil- und Alpenkräutern selbst leckere Liköre, Säfte, Tee- und Würzmischungen her, die sich auch auf der Speisekarte wiederfinden.
Auffakemma zum Owakemma
(Heraufkommen zum Entspannen)
Das ist das Motto auf der Reiteralm und Genuss steht ganz groß geschrieben. Egal ob beim Seelebaumeln-Lassen im Liegestuhl auf der Sonnenterrasse mit beeindruckender Aussicht auf die imposanten Gipfel der Kitzbüheler Alpen und sanften Rücken der Pinzgauer Grasberge, beim Verkosten der selbstgemachten Säfte, Liköre oder Tees oder beim kulinarischen Genuss der Schmankerl aus Tonis Küche.
Frühmorgens treffe ich nach einer wunderschönen Wanderung durch blühende Almwiesen vorbei an dem malerischen Speicherteich und über moosigen Waldboden bei der Alm ein. Letzte Nebelreste nach einem nächtlichen Gewitter hängen wie Wattebäusche über dem Tal und zwischen den Bäumen. Die Luft ist nach dem Regen wie reingewaschen. Noch ist alles ruhig, nur die leicht im Wind wehende Salzburger Fahne über der Terrasse regt sich. Toni werkelt wahrscheinlich schon in seiner Küche und Tanja Kees erspähe ich mit einem Weidenkorb in der Wiese oberhalb der Reiteralm. Sie sammelt frische Kräuter und signalisiert mir, dass sie gleich fertig ist mit ihrer Suche nach Löwenzahn, Schafgarbe & Co. Ich mache es mir an der warmen Holzwand der Hütte, mit Blick auf den Zwölferkogel, gemütlich, schließe die Augen und lasse die Ruhe auf mich wirken. Doch bei näherem Hinhören ist es gar nicht still. Die Bienen summen in den bunten Blumenkistchen entlang der Holzwand, die Kuhglocken auf der angrenzenden Weide bimmeln ein gleichmäßiges Mantra und irgendwo ober mir zieht der Bussard mit seinem typischen „Iäääh“ seine Kreise, lässt sich von der morgendlichen Thermik tragen und hält nach seinem Frühstück, unvorsichtigen Mäusen, Ausschau.
Natürlicher Energiekick aus Heilkräutern
Erst das herzliche Lachen von Tanja weckt mich aus meinem Schlaf, denn ich muss kurz eingenickt sein. „Kaum auffakemma und schon so entspannt? Da sorg ich gleich für einen richtigen Energiekick aus Kräutern “, meint sie und verschwindet lachend mit ihrem Weidenkorb in der Hütte um bald darauf mit ihren Zutaten für den Kräuterhexen-Trank zurückzukommen. Frische Erdbeeren, saftige Kiwis und eine Zitrone sorgen für den fruchtigen Bestandteil meines natürlichen Engerydrinks. Spitzwegerich, Schafgarbe, Löwenzahn, Gänseblümchen, Rotklee, Frauenmantel, Sauerampfer und Stiefmütterchen sorgen für die energiespendenden Heilkräfte der Natur. Honig und Ingwer für Süße und Schärfe.
Während sie Obst und Kräuter zerkleinert und mit Ingwer, Honig und Zitronensaft vermengt, setzt sich auch Toni zu uns an den Tisch und gemeinsam erzählen sie: „Die Entscheidung, unser Restaurant im Tal aufzugeben und hier auf die Alm zu kommen, haben wir nie bereut. Als beliebte Skihütte für einen Einkehrschwung ist hier im Winter natürlich viel Trubel, doch im Sommer läuft das Leben am Berg viel beschaulicher ab. Wir kochen mit Leidenschaft, und am allerliebsten mit selbsterzeugten Produkten. Österreichische Klassiker dürfen dabei genauso wenig fehlen, wie bodenständige Hausmannskost oder unsere selbstgeräucherten Fische. Alle Gerichte verfeinern wir mit den Wildkräutern des Sommers und bieten unseren Gästen so das ganze Jahr über, einen Hauch von Bergaroma.“ Es scheint, als hätte ihr Motto bei ihnen selbst auch schon angeschlagen – sie sind heraufgekommen zum Runterkommen von der Hektik im Tal.
Fertig zerkleinert wandern die Zutaten jetzt zusammen mit frischer Buttermilch in die Püriermaschine und nach wenigen Minuten stehen auch schon drei Gläser, gefüllt mit Tanja´s Kräuter-Smoothie vor uns auf dem Tisch. Etwas skeptisch, wie sich Löwenzahn und Frauenmantel in meinem Frühstück macht, koste ich den Zaubertrank und bin angenehm überrascht, wie gut „gesund“ schmecken kann. „Lass es dir schmecken, Nachschub ist genug da“, lacht Tanja und macht eine ausladende Handbewegung auf die Almwiesen.
Während nun langsam die ersten Wanderer und Mountainbiker bei der Hütte ankommen mache ich mich – energiegeladen nach zwei Gläsern Kräuter-Smoothie – auf den Weg in den Heilkräutergarten, um mehr über die Zutaten meines Frühstücks-Drinks zu erfahren.