Stockdegen, Schandgeige – alles, nur kein Gerümpel: Ein Blick auf den Dachboden des Keltenmuseums Hallein
„Das ist jetzt aber sicher nichts besonderes, oder?“ frage ich Keltenmuseums-Leiter Florian Knopp und zeige mit dem Finger auf einen Karton. „Waselberger Handschuhe“ steht darauf.
Ich bin mit Knopp im Dachboden des Museums, der als Lagerraum genutzt wird. Man hört das Geräusch der Klimaanlage, die dafür sorgt, dass hier kontinuierlich um die 20 Grad Celsius herrschen und eine Luftfeuchtigkeit von circa 55 Prozent. Wäre sie höher, würden die Objekte langsam verschimmeln.
Merke: Handschuh ist nicht gleich Handschuh
„Naja, wie man es nimmt“, lächelt der Museumsleiter und nimmt die zwei Ledergegenstände aus der Schachtel.
Und da dämmert es mir: „Der Handgeher-Mann?“ Genau! Siegfried Waslberger war ein Zirkusartist aus Hallein, der 1957 auf seinen behandschuhten Händen von Hallein bis nach Wien ging. „Das sind DIE Handschuhe?“, staune ich ehrfürchtig. „Ein paar davon“, erwidert Knopp, „Waselberger hat mehrere Paare auf seinem Weg verschlissen.“
Also man sieht schon: Im Dachboden des Keltenmuseums verbirgt sich nirgendwo Gerümpel.
Merke: Es muss nicht schmecken, um wertvoll zu sein
„Was haben wir da noch?“, frage ich. Ich bin jetzt richtig neugierig. Florian Knopp zeigt mir ein kleines Holzkästchen. Was sich darin wohl verbirgt? „Das sind die ersten zwei Zigarren aus der k.k. Tabak- und Zigarrenfabrik Hallein.
Es ist sogar noch vermerkt, wer diese ersten Halleiner Zigarren angefertigt hat: Walpurga Hehenwarter.
1869 startete in Hallein die Fertigung von Zigarren, wofür hauptsächlich Frauen eingesetzt wurden. Die „Tschikweiber“ aus Hallein waren berühmt für ihren Zusammenhalt, aber auch für ihr „gutes Mundwerk“. 1940 wurde die Zigarrenfabrik geschlossen.
„Kann man die noch rauchen?“, frage ich Knopp. „Geschmacklich wäre das wohl kein Genuss mehr“, lacht er. Verkäuflich sind sie übrigens auch nicht. Was sie kosten würden, wären sie verkäuflich, weiß Knopp nicht.
Merke: Man muss überlegen, was von uns bleiben soll
Schon damals haben die Menschen jedenfalls gewusst, dass die Ansiedlung der Tabakfabrik eine bahnbrechende Entscheidung war, sonst hätten die Entscheidungsträger aus dieser Zeit diese ersten Zigarren nicht für die Nachwelt aufgehoben. Was man wohl aus unserer heutigen Gesellschaft für unsere Nachfahren sichern sollte? „Hm, schwierig“, meint Knopp, „Dinge sind wertvoll, je älter und seltener sie sind.“
Es ist gar nicht so einfach, unter all den interessanten Gegenständen im Keltenmuseums Depot einige auszuwählen. Aber Dirk Böckmann z. B. liegt eine Marienstatue mit Kind besonders am Herzen: Sie stammt aus der Ursulakirche und ist um 1500 entstanden, in der Gotik. Anna Holzner, Archäologin und für das Archiv im Keltenmuseum zuständig, zeigt das alte „Schwurkreuz“, auf das einst alle Halleiner den Bürgereid schwören mussten. Damit verpflichteten sie sich u. a. zu einem ordentlichen Lebenswandel.
Merke: Nicht auf jeder Geige kann man spielen
„Das wäre auch heute nicht schlecht“, meint Holzner. Frauen mussten nicht schwören – nicht, weil sie ohnehin vielleicht bravere Menschen sind – das lassen wir nun einmal so im Raum stehen – sondern weil sie gar kein Bürgerrecht bekommen durften. Das war früher nur den Männern vorbehalten, aber auch keinen Arbeitern, sondern Handwerker und Kaufleute. Mit dem Bürgerrecht konnte man in den Stadtrat gewählt werden und sogar Bürgermeister werden. Auch ein Geschäft konnte man mit dem Bürgerrecht eröffnen.
Was sich auch noch findet, ist eine Schandgeige, auch Halsgeige genannt – nein, kein Musikinstrument, sondern eine hölzerne Fessel, die in Europa vom Mittelalter bis in die Frühe Neuzeit verwendet wurde.
Sie umschließt den Hals und die Handgelenke der Person, die sie tragen musste. „Wenn jemand z. B. einen anderen verleumdet hat oder bei sonstigen leichteren Vergehen, wurde ihm diese umgelegt und er wurde öffentlich an den Pranger gestellt. Er durfte bespuckt und beschimpft werden, nur verletzen durfte man ihn nicht“, berichtet Holzner.
Merke: Traue keinem Spazierstock!
So viele tolle Sachen. Warum sind die nicht im Museum ausgestellt, sondern im Lager? „Zu gewissen Sonderausstellungen holen wir sie wieder hervor“, erklärt Knopp, „aber wir haben zu wenig Platz, um alle Fundstücke herzuzeigen. Manchmal verleihen wir die Sachen auch an andere Museen.“
Und woher stammen all die Dinge? Sie haben sich im Laufe der Zeit angesammelt, immer wieder wird dem Museum auch etwas aus dem Nachlass vererbt, wenn jemand gestorben ist.
Ah und da wäre auch noch dieser Stockdegen, auf den selbst James Bond neidisch wäre: Ein Degen, getarnt als Spazierstock. Ein solcher war im 19. Jahrhundert durchaus üblich, „damit man einen anderen abstechen konnte, wenn man selbst bedroht wurde“, erklärt Anna Holzner.
Merke: Geschichte ist faszinierend
Die Lagerräume des Keltenmuseums sind für Besucher zwar normalerweise nicht zugänglich, wenn jemand aber etwas Spezielles anschauen möchte, etwa für eine Geschichtschronik, dann wird ihm gern der Zutritt gewährt.
Ansonsten bietet das Keltenmuseum Hallein auch in seinen Ausstellungsflächen jede Menge Faszinierendes und, wenn man Glück hat, sieht man die „Waselberger Handschuhe“ und Co einmal in einer Sonderausstellung. Die nächste heißt übrigens „Halleiner Stadtgeschichten“ und beginnt am 17. September.
>> ZUR SACHE: Das Keltenmuseum Hallein
Das Keltenmuseum Hallein zählt zu den bedeutendsten Sammlungen von Zeugnissen keltischer Kunst in Europa. Das Museum zeigt Ausstellungsstücke zu den Themen Kelten, Salzgewinnung am Dürrnberg, Entwicklung der Stadt Hallein und zur Entstehungsgeschichte des Weihnachtsliedes „Stille Nacht, Heilige Nacht“.
Mehr Infos erhalten Sie hier: www.keltenmuseum.at