Mit einer Vision im Kopf und einem tiefen Verständnis für den einzigartigen Naturraum spricht Dir. Norbert Karlsböck, Vorstandsvorsitzender der Gletscherbahnen Kaprun AG, mit uns über laufende Forschungsprojekte am Kitzsteinhorn, seine erste Tour auf den Gletscher und seinen Lieblingsplatz im SalzburgerLand.
Auf dem Weg zur Klimaneutralität
Erst im vergangenen Jahr wurde die Region Zell am See-Kaprun von der UNWTO zu einem der „Best Tourism Villages“ ernannt. Diese Auszeichnung erhalten nur Tourismusdestinationen, die außergewöhnliche Maßnahmen in Bezug auf die Erhaltung von Natur- und Kulturgütern setzen sowie lokale Besonderheiten bewahren. Der Mensch und die Natur im Mittelpunkt, die Technik ist selbstverständlich, steht aber im Hintergrund. An diesem Motto orientieren sich lokale Unternehmen wie die Gletscherbahnen Kaprun AG. Mit einem eigenen Wasserkraftwerk und der Energierückgewinnung aus Abwärme sowie dem Einsatz von Erd-, Wasser- oder Luftwärmepumpen ist das Unternehmen ein klarer Vorreiter auf dem Gebiet der eigenen Energieerzeugung.
Der Vorstand der Gletscherbahnen Kaprun AG im Interview
Herr Karlsböck, wo sind Sie geboren? Und wie sind Sie aufgewachsen?
Ich bin hier im Krankenhaus in Zell am See geboren, gewohnt habe ich aber immer in Kaprun. Ich habe die Schulen in Kaprun besucht und danach auf die HTL in Saalfelden gewechselt. Danach war ich bei den Tauern Kraftwerken und hab mich dort von Beginn an schon für Gletschermessungen begeistert. Für fünf Jahre habe ich hier die Gletscherbeobachtungen durchgeführt. 2006 wurde ich dann in den Vorstand der Gletscherbahnen AG berufen.
Auch Ihr Vater hatte einen Beruf, der stark mit den Gletscherbahnen in Verbindung stand.
Ja genau, mein Vater ist als Vermessungstechniker tätig gewesen und war bei der Errichtung der Gletscherbahn sowie der Erschließung des Gletschers beteiligt. Er kümmerte sich unter anderem um die Vermessung der Stationsstandorte sowie der Stützpunkte der ersten Gletscherbahn, die 1965 fertiggestellt wurde. Das war auch die Zeit, als ich zum ersten Mal auf das Kitzsteinhorn kam. Damals war ich neun Jahre alt. Das war ein Abenteuer für sich. Wir stapften auf hölzernen Tourenskiern den Gletscher hinauf, weil mein Vater auf der Baustelle etwas beobachten musste. Heute ist es schon eine vierstellige Zahl, wie oft ich am Kitzsteinhorn war und die Stimmung ist trotzdem jedes Mal anders.
Bevor der Gletscherlift gebaut wurde, war die Route auf das Kitzsteinhorn eine beliebte Skitour. Auch die K&K-Soldaten absolvierten während des 1. Weltkriegs ihr Wintertraining hier auf der Krefelder Hütte.
Ehemaliger Bürgermeister von Kaprun, Obmann des Burgvereins Kaprun und Vorstandsdirektor der Gletscherbahnen Kaprun AG. Es scheint, als wären Sie sehr heimatverbunden. Was schätzen Sie am SalzburgerLand oder speziell an Zell am See-Kaprun besonders?
Für mich ist es die Landschaft, die Zell am See-Kaprun so besonders macht. Die Kombination aus Zell am See, der kleinen Alpenstadt am See, und Kaprun, dem Bergsteigerdorf inmitten der höchsten Berge Österreichs, gefällt mir ausgesprochen gut.
Haben Sie einen Lieblingsplatz?
Neben dem Kitzsteinhorn ist dies die Burg in Kaprun. Die Burg Kaprun ist das größte historische Bauwerk im Pinzgau und ist seit tausend Jahren dokumentiert. Die Burg hat schon viel überstanden und strahlt für mich etwas sehr Beständiges aus und zeigt vielleicht auch, dass man sich von momentanen Themen der Veränderung nicht verunsichern lassen sollte.
Beruflich sind Sie stark mit dem Winter verbunden. Sind Sie privat auch ein Wintermensch?
Ich mag alle Jahreszeiten. Am wichtigsten ist, dass ich DIE Jahreszeiten mag. Es gibt viele Orte auf der Welt, an denen es keine Jahreszeiten gibt. Ich mag die Veränderungen in der Natur, die in ihrem eigenen Rhythmus ablaufen und immer etwas Neues und Schönes mit sich bringen. Auf der Aussichtsplattform „Top of Salzburg“ kann man die verschiedenen Wetterereignisse hautnah erleben. In der Höhe bekommt man eine ganz neue Perspektive auf die Dinge. Vom Schneefall bis zum schönsten Sonnenschein oder auch Nebel ist hier alles erlebbar und irgendwie auch immer ein bisschen anders. Das, aber auch die Stille auf dem Berg, ist wirklich etwas Einmaliges und davon bin ich immer wieder überwältigt.
Woher kommt Ihre Naturverbundenheit und die Motivation, sich für den Erhalt unseres einzigartigen Naturraums einzusetzen?
Die Verbundenheit mit der Natur ist im Laufe der Zeit gewachsen. Schon sehr früh in meiner beruflichen Laufbahn habe ich bei Renaturierungsprojekten mitwirken können. Auch auf dem Gebiet der Gletschermessungen habe ich gelernt, wie man mit dem Gletscher umgehen muss. Irgendwann fängt man an, den Gletscher mehr als Lebewesen wahrzunehmen und auch zu erfahren, wie es dem Gletscher geht. Es bewegt einen natürlich, dass der Gletscher schrumpft und sich dabei selbst nicht wirklich helfen kann. Natürlich überlegt man dann, was man als Unternehmen oder als Ort tun kann.
In den letzten 20 Jahre hatten wir bei all unseren Eingriffen oder Bauten eine ökologische Planung bzw. eine ökologische Bauaufsicht als Begleitung. Wir wollen unser Bestes tun, um Energie zu sparen, CO2 zu reduzieren und die natürliche Umwelt zu schützen.
Die Gletscherbahnen AG ist als einziges Seilbahnunternehmen Österreichs in allen Unternehmensbereichen dreifach ISO (International Standardisation Organisation) zertifiziert worden. Was heißt das für Gäste die ins SalzburgerLand bzw. nach Zell am See-Kaprun kommen?
Die Gäste können sich darauf verlassen, dass wir darauf überprüft werden, dass die Voraussetzungen für das Zertifikat erfüllt sind. Das betrifft bei uns die Bereiche Umwelt, Energieeffizienz und Qualität. Es ist ein Gütesigel, das einen Standard beschreibt, auf den man sich verlassen kann.
Die World Tourism Organisation (UNWTO) hat Zell am See-Kaprun 2022 zu einem der „Best Tourism Villages“ ernannt. Außerdem gibt es noch einige weitere Projekte, wie zum Beispiel die Zusammenarbeit mit der GEORESEARCH Forschungsgesellschaft mbH. Auf welches Projekt sind Sie persönlich besonders stolz?
Es gibt hier zwei Projekte, die mich besonders beeindrucken. Wir haben seit 2011 das Kitzsteinhorn Open Air Lab. Dieses ist aus einem EU-Projekt hervorgegangen, bei dem wir gemeinsam mit der Firma Georesearch zu den Themen Gletscher, Klima, Permafrost und Felsstabilität am Kitzsteinhorn forschen. Die Ergebnisse geben uns Aufschluss über die Prozesse der Klimaerwärmung. Diese Informationen wollen wir effektiv nutzen, um unsere Maßnahmen rechtzeitig anzupassen. Das hat uns in der Vergangenheit schon sehr geholfen und wird uns auch in Zukunft bei der Planung helfen.
Ein weiteres Projekt ist ein großes Forschungsprojekt, das aufgrund eines Föhnsturms zustande gekommen ist. Im Jahr 2002 hat ein starker Föhnsturm den Wald im Kapruner Tal mehr oder weniger zerstört. Daraufhin gab es ein großes Projekt zum Rotwildmonitoring. Das hat mit der Aufforstungsfläche zu tun. Es war notwendig, dafür zu sorgen, dass Nachwuchs kommt. Wenn das Wild nicht kontrolliert wird, beißt es die jungen Triebe der jungen Bäume ab und der Wald kann nicht wie gewünscht wachsen. Dieses Projekt wurde auch von einem Forschungsprojekt der Universität für Bodenkultur und der Veterinärmedizinischen Universität Wien begleitet. Innerhalb von 20 Jahren ist es gelungen, in Kaprun einen vitalen Mischwald zu etablieren, wo früher Fichtenmonokulturen standen. Ein vitaler Mischwald hat bessere Schutzfunktionen und schützt das Tal vor Sturmereignissen. Das ist mir sehr wichtig, und ein Mischwald sieht auch im Herbst viel schöner aus.
Was sind die nächsten Ziele und welche Bestrebungen stehen demnächst an?
Wir wollen mit reduziertem Energieaufwand Snowfarming-Maßnahmen setzen, mit denen wir den Naturschnee über den Sommer konservieren, um den Gletscher zu schützen und seinen Rückzug zu verlangsamen. Wir möchten uns nicht vergrößern. Wir wollen in dem Skigebiet, in dem wir uns befinden, qualitative Maßnahmen ergreifen. Wir wollen uns weiterhin mit der eigenen Energieerzeugung beschäftigen und unsere Photovoltaikanlagen ausbauen. Wir produzieren bereits 2,3 Millionen Kilowattstunden, die wir aus erneuerbarer Energie selbst erzeugen, speichern oder mit Wärmepumpen veredeln. Das ist ein großer Energieblock, für den wir bereits selbst verantwortlich sind. Allein in diesem Herbst konnten wir mit weit über hundert Einzelmaßnahmen den Stromverbrauch um 10 % senken. Der Schritt zur vollständigen CO2-Neutralität wird in den nächsten Jahren außerdem ein sehr wichtiger sein.