Es gibt nicht viele Sportler, die so berühmt sind, dass eine ganze Generation ihren Namen kennt. Denken wir kurz nach: Da wäre etwa der große Pelé oder Muhammed Ali in den 60ern, Diego Maradonna in den 80ern, vielleicht Roger Federer in den 2000er Jahren. Und dann gibt es Eddy Merckx – jenen Sportler, der den Rennradsport der 60er und 70er beherrschte, wie kein Zweiter. In Belgien ist Merckx noch heute ein Nationalheld und weltweit gilt er als bester Radfahrer des Jahrhunderts. Doch was begründet seinen Ruhm und was hat der Belgier mit dem SalzburgerLand zu tun? Eine Spurensuche.
Edouard Louis Joseph Merckx kommt am 17. Juni in der kleinen belgischen Gemeinde Meensel-Kiezegem zur Welt. Der 2. Weltkrieg ist gerade erst zu Ende und die Not in dem kleinen Land ist groß. Bald zieht die Familie um, weil der Vater ein Lebensmittelgeschäft im vornehmeren Brüssler Vorort Woluwe-Saint-Pierr eröffnet. Schon als Kleinkind hat es Eddy nicht mit dem Stillsitzen. Es zieht ihn zum Sport und er beweist außerordentliches Geschick beim Basketball, Fußball und Tennis. Doch seine Leidenschaft gilt dem Radfahren. Mit vier Jahren habe er gewusst, dass er Radfahrer werden wolle, sagt Eddy Merckx später. Aus dem Mund eines anderen würde das seltsam klingen, doch wer Eddy Merckx kennt, der weiß, dass er es ernst meint.
Der Champion findet seine Form
Wir schreiben Oktober 1661. Eddy ist sechzehn Jahre alt und gewinnt sein erstes Rennen in der Amateurklasse. „Ich habe gewonnen! Ich habe gewonnen! Ich muss nicht mehr zur Schule gehen“, soll Merckx damals gesagt haben. Ob es stimmt oder nicht, tut eigentlich nichts zu Sache. Fakt ist: Eddy Merckx lebt für den Radsport. Schon damals. Und er lebt für den Sieg, für den er bereit war, jeden Preis zu bezahlen. Eddy Merckx beweist, mit welchem Ehrgeiz man sein Ziel verfolgen kann. Und sein Ziel ist, der beste Radfahrer aller Zeiten zu werden.
Ab 1961 geht es mit Eddy Merckx’ Karriere steil bergauf. Mit seinen Titeln lassen sich Bücher füllen: Er siegte 1969, 1970, 1971, 1972 und 1974 bei der Tour de France, beim Giro 1968, 1970, 1972, 1973 und 1974 und bei der Vuelta 1973. Zudem gewann er siebenmal Mailand-San Remo, zweimal die Flandernrundfahrt, dreimal Paris-Roubaix, fünfmal Lüttich-Bastogne-Lüttich sowie die Weltmeisterschaften der Profis 1967, 1971 und 1974. Die Website „Mémoire du cyclisme“ belegt 525 Siege auf der Straße, 98 Siege auf der Bahn und zwei Siege bei Querfeldein-Rennen.
Kannibale und Schrecken seiner Gegner
In unserer heutigen Sportwelt, in der die Leistungsdichte an der Spitze so nahe beieinander liegt, ist Merckx’ Dominanz von damals kaum mehr vorstellbar. Er beherrschte den Radsport seiner Zeit voll und ganz. Nur wenige versuchten, den Kampf mit ihm aufzunehmen. Sie scheiterten alle an völliger Verausgabung. Was Merckx so groß machte, war sein Ehrgeiz und seine endlose Gier nach Siegen. Er fuhr Rennen selbst nach Stürzen zu Ende – und gewann. Den Giro d’Italia 1968 beendete er mit einer lebensbedrohlichen Herzerkrankung – und zwar als Sieger.
“Ich gewinne, weil ich mich am meisten quälen kann.” (Eddy Merckx)
Seine Gegner vernichtete er in einer Manier, die heute kaum mehr vorstellbar ist: Der Rennradsport der 70er Jahre war für die Fahrer hart und schmerzhaft. Das war ihr Ethos, auf den sie stolz waren. Er trieb sie bis ans Äußerste – körperlich und seelisch. Merckx war härter als seine Gegner. Dafür wurde er bewundert und gefürchtet. Sein Spitzname „der Kannibale“ ist kein Kosename und war es nie. Es schwingt die Angst seiner Konkurrenten mit und das Wissen, es nicht mit ihm aufnehmen zu können.
Der Mensch hinter der Legende
So ehrgeizig und hart Eddy Merckx am Rad zu sich selbst und seinen Konkurrenten war, so ausgeglichen und hilfsbereit war er stets im Privaten und er ist es bis heute geblieben. Man wird kaum jemanden finden, der über den mittlerweile 70-jährigen ein schlechtes Wort verliert. Er sei hilfsbereit, gemütlich und humorvoll, ein guter Mensch und ein verlässlicher Partner, sagt etwa sein langjähriger Konkurrent Walter Godefroot in einem Interview. Der ZDF-Kommentator Peter Leissl beschreibt ihn als sympathisch, unkompliziert und nahbar. Ein liebevoller Familienmensch, Ehemann und Vater. Kurz: Eddy Merckx ist einer der Großen, im Sport wie im Leben.
Nach der Karriere
Es ist schwer, sich einen Mann wie Eddy Merckx als Pensionisten vorzustellen. Zu allumfassend ist seine Leidenschaft für den Beruf, für sein Leben als Radrennfahrer. Und so ist Merckx seiner Lebensaufgabe auch mit siebzig Jahren treu geblieben. Noch heute fährt er jede Woche mehrere hundert Kilometer mit dem Rad. Merckx ist außerdem ein erfolgreicher Geschäftsmann – und ist auch hier seinem Metier treu geblieben. Eddy Merckx Cycles gehört seit 1980 zu den großen Marken im Rennradsport.Wer das Bild von Eddy Merckx fertig zeichnen möchte, darf seine Liebe zum SalzburgerLand nicht vergessen.
Eddy Merckx und sein SalzburgerLand
Seit vielen Jahren kommt Eddy Merckx regelmäßig zum Skifahren in die Alpen. Meist zieht es ihn nach Saalbach-Hinterglemm. Seit zehn Jahren verbindet ihn nun auch der Radsport mit Salzburg. Schließlich gehen jedes Jahr über 1.500 Radrennfahrer bei jenem Radmarathon an den Start, der seinen Namen trägt: Die Eddy Merckx Classic wird seit 2007 jedes Jahr im Salzburger Seenland ausgetragen und Eddy Merckx war bisher noch bei jeder Auflage „seines“ Rennens mit am Start.
Eddy Merckx Classic in Fuschl am See
So trifft man ihn alljährlich im September in Fuschl am See, wenn er sich mit seinem Team an den Start macht, Autogramme schreibt und sich mit allen fotografieren lässt, die eine Erinnerung an ihr Idol suchen. Auch wenn Eddy Merckx heute nicht mehr ganz vorne mitfährt, dann merkt man, dass er an seiner „Eddy Mercks Classic“ Spaß hat. Deshalb ist er da. Weil es ihm gefällt, wenn der Radsport weiter Zuwachs findet und wenn Begeisterte seinem Ruf folgen. Und weil es ihm im SalzburgerLand so gut gefällt und ihm der österreichische Wein gut schmeckt – zumindest behauptet Eddy das, stets mit einem Lächeln.