Als Franz Xaver Gruber und Josef Mohr zu Weihnachten 1818 zum ersten Mal das gemeinsam komponierte und getextete Lied „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ zum Besten gaben, ahnte wohl noch niemand, welchen „Siegeszug“ rund um die Welt dieses stimmige Lied machen würde.
Er muss schon ein echter Ungustl gewesen sein, der Pfarrprovisor Georg Heinrich Nöstler. Jedenfalls beschwerte er sich im Schifferstädtchen Oberndorf an der Salzach höheren Orts ständig über seinen jungen Gehilfen, den Koadjutor Joseph Mohr und dessen Kapriolen: Gasthausbesuche, das Scherzen mit Personen des weiblichen Geschlechts und das Singen „oft nicht erbaulicher Lieder”. Die Salzburger Honoratioren schmetterten zwar alle Vorwürfe als haltlos ab. Aber der eigenwillige junge Priester Joseph Mohr blieb nur von 1817 bis 1819 im Ort. In der Zeit dazwischen allerdings legte er gemeinsam mit Franz Xaver Gruber hier den Grundstein für das weltberühmte Lied.
Franz Xaver Gruber und Josef Mohr
Mit dem Lehrer und Organisten Franz Xaver Gruber, der an Weihnachten 1818 die Melodie zum Lied verfasste, verbanden Mohr Freundschaft, Musik und soziales Engagement. Die Salzburger Bevölkerung lebte in harten Zeiten. Ihr Land war ausgeblutet durch die Kriege mit Napoleon. Es gab Brände, Missernten und Überschwemmungen zuhauf. Zum Trost sangen ihnen Tenor Mohr und Bass Gruber am Heiligen Abend 1818 ihr erstes und einziges gemeinsames Lied „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ im Duett vor, begleitet von Mohr auf der Gitarre. Zu jener Zeit war die „Klampfe“ ein Wirtshausinstrument und tabu für die Kirche. Doch bei jener Christmette griff Joseph Mohr dennoch zur Gitarre: Bei den Gläubigen kam die außergewöhnliche Darbietung bestens an.
Textautor Joseph Mohr hatte das Gedicht mit sechs Strophen schon 1816 geschrieben, in seinem ersten Einsatzort Mariapfarr im Lungau, dem Geburtsort seines Vaters. „Holder Knabe im lockigen Haar / schlafe in himmlischer Ruh!“, heißt ein Vers. Angeblich hat ihn das Altarbild in der magisch schönen, spätromanischen Wallfahrtskirche von Mariapfarr inspiriert. Tatsächlich trägt das Jesuskind auf dem Gemälde aus dem Jahr 1500 dicke, blonde Locken. Das Haus der väterlichen Vorfahren Mohrs trägt den Namen „Scharglerkeusche“, es steht im Ortsteil Stranach, ein einfaches, uraltes Bauernhaus.
Alles außer landidyllisch waren die Verhältnisse, in denen Mohr 1792 in der Stadt Salzburg geboren und aufgewachsen ist. Zwar wurde er im gleichen Becken getauft wie W. A. Mozart 36 Jahre zuvor – aber als uneheliches Kind einer Strickerin und eines desertierten Musketiers. Pate stand ihm der letzte Henker der Stadt: Dieser besserte seinen üblen Ruf durch Patenschaften für uneheliche Kinder auf. Mohrs Geburtshaus steht in der engen, schattigen Steingasse: Heute eine hippe Adresse mit top-sanierten Altbauten. Seinerzeit waren sie eiskalt und feucht und trugen Mohr eine lebenslange Lungenkrankheit ein. „Mohr, seine Mutter und drei weitere uneheliche Geschwister wohnten in einem fürchterlichen Loch“, erzählt der Salzburger Autor und Literat Werner Thuswaldner, ein Kenner der Geschichte der „Stillen Nacht“.
Aus dem Elend heraus fand der gescheite und musikalisch begabte Joseph Mohr, weil er im Salzburger Benediktinerstift einen Geistlichen als Förderer fand. Die Karriere in Kurzform: Chorknabe, Gymnasiast, Priesterseminarist und nach der Priesterweihe im Dom ein jahrelanger, unruhiger Weg von Pfarre zu Pfarre durch das SalzburgerLand, immer engagiert für die Armen, immer mit der Gitarre als treuester Begleiterin. Seinen festen Platz fand Mohr schließlich 1837 in Wagrain. Dort ließ er die erste Volksschule bauen, förderte die Feuerwehr, etablierte einen Kirchenchor und kämpfte gegen bäuerliches Elend. Nur 56 Jahre alt, starb er im Advent 1848 an einer Lungenlähmung, wenige Tage vor dem 30. Geburtstag seines unvergänglichen Lieds. Zur Erinnerung an sein soziales Wirken singen jeden Advent die Wagrainer Kinder am Grab.
Landauf landab im SalzburgerLand sind zur stillen Zeit Musiker, Guides, Erzähler, ja sogar Weihnachtspostler im Einsatz, um die Schöpfer des Stille-Nacht-Lieds zu ehren. Zentrum ist natürlich Oberndorf mit der Stille-Nacht-Kapelle. Besonders berührend ist ein Ausflug in den „Stille-Nacht-Bezirk“ von Hallein, zur Stadtpfarrkirche, zum Kirchhof mit dem Grab des Komponisten Franz Xaver Gruber und seinem Wohnhaus ab 1834, als er hier seine Anstellung als Stadtpfarrchorregent bekam. Heute ist es ein Museum. Die Stadtführerin weist auf ein schlichtes Exponat, eine abgegriffene Gitarre: „Das ist das einzige, was Pfarrer Joseph Mohr hinterlassen hat, er gab sonst alles den Armen. Sein Instrument hat auf verschlungenen Wegen zur Familie seines Freundes Franz Gruber gefunden. Eine Art Heimkehr.“
Stimmungsvolle Reise auf den Spuren des Liedes
Museen, Ausstellungen, Gedenkstätten, Kirchen und Kapellen widmen sich im Stille-Nacht-Land der Entstehungsgeschichte und der Verbreitung des Weihnachtsliedes. Die Reise führt durch stimmungsvolle Orte im SalzburgerLand und in Oberösterreich, an denen Joseph Mohr und Franz Xaver Gruber gelebt und gewirkt haben, sowie ins Tiroler Zillertal, von wo aus das Lied in die Welt hinausgetragen wurde.
200 Jahre „Stille Nacht! Heilige Nacht!“
Im Advent 2017 wurden in Wagrain das neue Stille-Nacht-Mu-seum im Pflegerschlössl sowie der Gruberplatz mit der letzten Ruhestätte von Franz Xaver Gruber eingeweiht.
2018 finden zahlreiche Veranstaltungen statt. Im Herbst steht die Uraufführung des Bühnenstücks „Silent Night Story“ in der Salzburger Felsenreitschule auf dem Programm, und auch das Salzburger Adventsingen widmet sich dem Jubiläum. www.stille-nacht.at