Wenn sich stattliche Ritter spektakuläre Schwertkämpfe liefern, Gaukler ihre lustigen Späße treiben und Burgfräuleins und Knappen in originalen Gewändern durch die Lager ziehen – dann ist man mittendrin im Burgfest Kaprun.
Seit über zwei Jahrzehnten verwandeln beim zweitägigen Burgfest rund 400 Aktive das Areal rund um die Burg Kaprun zu einer erlebbaren Zeitreise ins Mittelalter. Beim Betreten des Festgeländes spüre ich eine Veränderung. Es ist dieselbe Luft, die ich atme – obwohl sie jetzt eindeutig nach Met, Gewürzwein und nassem Leder riecht – und doch scheint es, als hätte soeben meine Zeitreise begonnen. Mitten im Besuchertrubel auf der Schlossstrasse schließe ich kurz meine Augen und versetze mich bei leisen Klängen einer Pfeifenspielerin in Gedanken zurück ins 12. Jahrhundert. Wie es im Hochmittelalter hier wohl zugegangen ist? Beim Öffnen der Augen fällt mein Blick auf einen Ritter in Rüstung, der begleitet von seinem Knappen zum Freikampfturnier im Burghof eilt. Kleine Mädchen in bunten Kleidern mit Farnkränzen im Haar laufen kichernd an mir vorbei und am Marktstand vor mir nimmt ein bärtiger Wikinger einen großen Schluck Met aus seinem Trinkhorn. „Ja, so könnte es gewesen sein,“ denke ich und begebe mich weiter auf dieser Zeitreise.
Wie ein stiller Beobachter schlendere ich durch die Lager, wie auf einem Streifzug durch das tägliche Leben der mittelalterlichen Handwerker. Zahlreiche Vereine aus ganz Europa haben sich dem Mittelalter verschrieben und beim Burgfest Kaprun schlagen sie ihre Lager auf. Es scheint nicht, als wären sie verkleidet und bieten den Besuchern eine Show. Für die Tage des Burgfestes SIND die Teilnehmer der 50 Lagergruppen Ritter und Burgfrauen und gewähren den Besuchern Einblick in ihr Leben. Der Waffenschmied hämmert an einem glühenden Schwert, der Bader bietet seine Dienste an, der Schuster zieht Leder über den Leisten und bei manchen Lagern sitzt die ganze Familie zusammen und wartet auf das Spanferkel, das über dem offenen Feuer brutzelt. Die gemalten Schilder vor den Zelten zeigen, wer hier für das Wochenende sein Lager aufgeschlagen hat: Armalausi Bajovarii, Gutrater Ritterschaft zue Golling, Die Drachenreiter, Collis Vaccarum oder Die Groinwalder Vasallen sind nur ein paar der klingenden Namen.
Klirrende Schläge ziehen die Besucher in Scharen in den Burghof, wo soeben das „Freikampfturnier zue Caprun“ in die erste Runde geht, und als eines der größten Vollkontakt-Turniere West Europas angekündigt wird. Organisator und Turnierleiter Andreas von Brentenperch vermeldet 44 Kämpfer aus sieben Nationen, die sich dem Duell „Mann gegen Mann“ stellen. Ritter aus Russland und Polen treten dabei genauso an wie Athleten aus Österreich und Deutschland. Andreas von Brentenperch erklärt vor dem Kampf den faszinierten Zusehern: „Es handelt sich bei dem Turnier nicht um einen Showkampf. Hinter dem Begriff ,Vollkontaktkampf in Rüstung’ verbirgt sich ein seriöser Kampfsport, mit einem internationalem Regelwerk und einer vorgeschriebenen technischen und sicherheitsgeprüften Ausrüstung. Der Kampf steht im Mittelpunkt – gekämpft wird mit Blankwaffen wie sie im Mittelalter, im Zeitraum vom 10. bis zum 15. Jahrhundert Verwendung gefunden haben.“
Währenddessen tragen die Kinder vor der Burg ihr eigenes kleines Turnier aus und sind mit Feuereifer dabei, einen kleinen Papp-Ritter umzuwerfen. Hungrig und durstig hat an diesem Tag sicher niemand dieses Fest verlassen, denn an allen Ecken und Enden duftet es nach leckerem Essen und angestoßen wird mittelalterlich mit selbstgebrautem Bier und frischen Säften aus Tongefäßen. Erst einige Minuten nach Verlassen des Festgeländes komme ich auch langsam wieder von meiner Zeitreise im Hier und Jetzt an und noch lange schweifen meine Gedanken an diesem Tag zurück zu dem authentischen Mittelalterleben auf der Burg Kaprun.
Organisatorisches Team hinter diesem Fest ist der der Burgverein Kaprun, der sich 1984 aus Kapruner Unternehmern gebildet hat, um den Verfall der wunderschönen Burg Kaprun zu stoppen. Die Ruine wurde Stein für Stein authentisch wiederaufgebaut und saniert und noch immer entdecken Archäologische Forschungsteams neue Funde in dieser mittelalterlichen Burg aus dem 11. Jahrhundert. Wer das Burgfest verpasst hat und gelebtes Mittelater auf der Burg Kaprun erleben möchte, für den wird jeden Dienstag im Juli und August nochmals das Rad der Zeit zurückgedreht: Die „Mittelalterfreunde zue Caprun“ zeigen beim Burgspectaculum verschiedene Szenen aus dem 11. Jahrhundert. Insgesamt zwanzig Mitwirkende präsentieren mittelalterlichen Tanz, Fanfarenklänge und den Alltag im Dorf und bei Hof. Darunter der Hofnarr, der durch die einzelnen Szenen führt. Es wird gesungen, gespielt, gestritten und geliebt…
Bilder: Edith Danzer, Headerbild: c burg-kaprun.at