Wenn die Rauriser zu Jahresbeginn die Putzwut packt, hat das nichts mit klassischen Neujahrsvorsätzen zu tun. Vielmehr bereiten sie sich auf den Besuch von ganz besonderen Gästen vor: Die Rauriser Schnabelperchten ziehen am Vorabend des Dreikönigstages von Haus zu Haus und halten Ausschau nach jedem Körnchen Dreck.
Wer es sauber hat, hat nichts zu befürchten
Sie nähern sich mit ihrem „Ga-ga-ga“ zwar beinahe lautlos, aber wenn sie dann vor einem stehen, wirken sie doch ein bisschen unheimlich. Wem das vogelähnliche Äußere keine Furcht einjagt, der mag etwas ganz anderes schauerlich finden: Die eine Schnabelpercht trägt auf dem Rücken einen Korb, aus dem Kinderbeine ragen, die andere hält eine riesige Schere, die dem Bauch des Gegenübers gefährlich nahe kommt. Zum Glück ist die Schere nur aus Holz. Aber früher – da war man sich sicher – kamen die Hausbewohner nicht so ungeschoren davon. Fanden die Schnabelperchten Dreck im Haus, wurde dem Schmutzfink der Bauch aufgeschnitten und der ganze Kehricht hineingeleert.
Einzigartiger Rauriser Brauch mit langer Tradition
Mit dem Besen, den sie stets bei sich haben, kehren die Schnabelperchten das Böse aus. Vor mehreren Jahrhunderten waren sie aber auch das, was wir heute als Gesundheitspolizei bezeichnen würden. Während der Zeit des Goldbergbaus, als viele Knappen das Tal besiedelten, hielt man es mit der Sauberkeit nicht so genau. Große Familien auf Bauernhöfen, aber auch allein hausende Knappen, bereiteten sich mit einer sauberen Behausung auf die Ankunft der Schnabelperchten vor. So wurde zumindest einmal im Jahr ordentlich geputzt – und dank der Schnabelperchten konnte wohl so mancher Krankheit vorgebeugt werden.
Schnabel, Kittel, Dotschn
Das Geheimnis des langen Perchtenschnabels: Bauernleinen, das mithilfe von Holzstäben geschickt zu einem Schnabel geformt wird. Zusammen mit einem Kopftuch wird der Schnabel am Kopf befestigt. Zuvor schlüpfen die vier bis fünf Männer in geflickte Weiberkittel, gestrickte Janker und modifizierte, straßentaugliche Dotschn (= Pinzgauer Hausschuhe aus Stroh).
Wie bereiten sich die Rauriser nun auf den Besuch der Schnabelperchten vor? Sobald alles sauber durchgewischt ist, werden die ungewöhnlichen Gäste freudig erwartet. Das ein oder andere Schnapserl und eine kleine Geldspende, die wohltätigen Zwecken zugutekommt, nehmen die Schnabelperchten gerne entgegen. Besonders Wagemutige dürfen das Geld auch direkt in den Schnabel stecken. Mit guten Wünschen für das neue Jahr – an Fried, an Gsund und an Reim – machen sich die Schnabelperchten dann auf den Weg zum nächsten Haus.
Am 05. Jänner gehen die Rauriser Schnabelperchten wieder um.
Fotos: © TVB Rauris / Fotograf Florian Bachmeier