Das Tal der Almen, wie das Großarltal berechtigterweise genannt wird, ist bei Wanderern im Sommer äußerst beliebt. Zum Entspannen, Stress abbauen, erholen – und natürlich zum Wandern. Wesentlich für den Erholungsfaktor ist dabei die weitgehend unberührte Natur, die der Besucher bestenfalls mit allen Sinnen erlebt. Aber ist die Natur, wie wir sie uns vorstellen, tatsächlich so romantisch? Die „kunstroas 2023“ wirft einen kritisch künstlerischen Blick darauf.
Unser Verhältnis zur Natur, zum Land, insbesondere zur Urlaubsdestination nährt sich oftmals aus inszenierten Blicken und romantischen Sehnsuchtsorten. Wir suchen ganz bewusst nach diesen Idealvorstellungen. Die Fragen, was Landleben heute bedeutet, wie es den Menschen geht, die hier im Großarltal ihren Alltag leben oder wie sich auch aufgrund des Tourismus Landschaft und Natur verändern und anpassen, werden dabei meist außer Acht gelassen.
Die Idee des aktuellen Kunstprojektes „kunstroas“ ist es, genau solche Fragen zu stellen. Was bedeutet Landflucht in Orten, wo andere ihren Urlaub verbringen? Was macht das Charakteristikum einer Landschaft aus, die im Sommer Alm- und im Winter Skigebiet ist? Was die Magie eines Dorfes, das durch die mächtige Hüttschlager Wand aus grün schimmerndem Schiefer dominiert wird?
Aus dem Blickwinkel des Künstlers
Dort, wo „normale“ Menschen achtlos vorübergehen, schauen Künstler*innen mit einem hinterfragenden Blick hin. Das malerische Auge beachtet das am Wegesrand kaum Wahrgenommene. Der fotografisch-medienkünstlerische Zugang wagt den Blick in die Tiefe der Natur und konfrontiert den Betrachter mit der manchmal auch unangenehmen Wahrheit. Der architektonisch Zugang greift auf Materialien der Natur sowie alte, fast in Vergessenheit geratene Techniken zurück. Daraus entsteht eine spannende Mischung an Kunst im öffentlichen Raum, die den Vorbeikommenden ganz neue Wahrnehmungsmomente ermöglicht.
Ausgangspunkt für die kunstroas ist das Talmuseum im Talschluss von Hüttschlag. Von hier aus geht es zu Fuß weiter von Kunstwerk zu Kunstwerk.
Die Künstler und ihre Projekte
Kees von Jörg Auzinger
Die Fotoarbeit Auzingers zeigt ein Fassadengerüst, hinter dem der Keeskogel in der Mitte eines Gerüsts hervorsticht. Das Abbild des einzigen Gletschers im Großarltal verweist auf ein Zukunftsszenario: ein Gletscher ohne Schnee. Durch die Gegenüberstellung von Bild und Abbild konfrontiert uns Auzinger mit der unangenehmen Wahrheit – auch an diesem scheinbar idyllischen Ort macht der Klimawandel nicht Halt.
Heustadel-Variationen von Clemens Bauder
Wie in vielen Bergregionen sind kleine Heustadel auch in Hüttschlag eng mit dem Landschaftsbild verbunden. Für die kunstroas entwickelt Bauder Kleinstarchitekturen, die an die traditionelle Bauform der Rundholzblockbauten anknüpfen und diese neu interpretieren. Durch das Aufeinandersch(l)ichten liegender Hölzer entstehen „Heustadel-Variationen“, die die Landschaft vielfältig erlebbar machen. Umgesetzt wurde das Projekt von Schüler*innen der HTL Kuchl.
Landnahme von Dóra Medveczky & Fabio Spink
War im Mittelalter das sogenannte Allmenderecht noch vorherrschend, das besagte, dass das nutzbare Land von allen genutzt werden darf, kam es in der Frühzeit zur Schaffung von umzäunten Landflächen – Grund und Boden wurden zur Handelsware. Zäune bedeuten aber auch territoriale Grenzen und transnationale Fluchtbewegungen. Als Besucher*in steht man vor dem kreisrunden Holzzaun, der nach einer alten Handwerkstechnick errichtet wurde. Drinnen oder draußen? Dazu gehören oder ausgegrenzt sein? Eine Erfahrung, die Menschen auf der Flucht immer wieder machen.
Im Gleichgewicht von heri & salli
Bänke entlang von Spazier- und Wanderwegen dienen üblicherweise zur Rast und um die Aussicht zu genießen. Nicht so die Spazierbank von heri & salli. Rein optisch sieht sie wie eine normale Bank aus, ist aber eine Wippe, wie man sie vom Kinderspielplatz kennt. Die Spazierbank wird zu einem Objekt der Aktivität, die Benutzung erfordert Gleichgewichtssinn und ein gewisses Maß an Konzentration. Aussicht genießen oder Jause essen? Eher Fehlanzeige. Der Spaßfaktor ist dafür umso größer.
Gläser äugen Lichter von Ingrid Schreyer
Ein äsendes Reh in der Ferne! Reflexartig der Griff zur Kamera. Ungeachtet des meist wenig überzeugenden Ergebnisses ist da die Faszination, etwas mit eigenen Augen gesehen zu haben. Naturerleben ist für die meisten Menschen eng mit ihrem Sehsinn, ihrer Beobachtungsgabe verknüpft. Wer aber will was gesehen haben? Und bleibt nicht vielmehr das allermeiste, das sich im Wald abspielt, unseren Augen verborgen? Ob sich umgekehrt die tierischen Augen (Lichter) an uns Menschen erfreuen? Wie wäre ein Sehen „auf Augenhöhe“?
Subtile, filigrane Glasgravur-Zeichnungen, zurückhaltend, aber dennoch auch für Tiere des Waldes sichtbar, wollen zu eben solchen Fragen des Sehens und Gewahr-Werdens anregen.
Kunstvermittlungsprogramm
Wer jetzt mehr will, als sich auf eigene Faust auf den Weg machen, um die Kunstinstallationen zu entdecken, der kann im Rahmen von „Kunst&Kräuter“ (15.7. und 12.8.2023 jeweils 10:00 Uhr) oder Kunst&Yoga (29.7. und 26.8.2023 jeweils 10.00 Uhr) die kunstroas auf eine ganz besondere Art erleben.
Die Teilnahme ist kostenlos, Dauer ca. 2 Stunden.
- Anmeldung zu Kunst&Kräuter: Maria Feyersinger (kontakt@leib-und-seele.at)
- Anmeldung zu Kunst&Kräuter: Barbara Hettegger (barbara@yogasistas.at)