Gäbe es ein „SalzburgerLand“-Skiteam, so würde dieses mit seinen Athleten und Athletinnen regelmäßig in der Nationenwertung unter den Top 3 landen. Einer, der seit Jahren zu diesen Erfolgen beiträgt, ist der Radstädter Hannes Reichelt. Franziska Lipp hat ihn zum Gespräch getroffen.
Sie gilt als der wildeste Ritt unter den Abfahrten: Die Streif in Kitzbühel. Wer sie bezwingt, gehört unbestritten zu den ganz Großen unter den Skifahrern. Mit seinem Sieg im Jänner 2014 reihte sich Hannes Reichelt in diese Liste ein: Nach Hermann Maier im Jahr 2001 und Michael Walchhofer im Jahr 2006 ist er der dritte Salzburger, der im neuen Jahrtausend die Streif gewonnen hat. Dabei waren die Voraussetzungen für einen Sieg keinesfalls ideal. „Ich hatte ein paar Tage vor dem Rennen einen Bandscheibenvorfall, unvorstellbare Schmerzen im Rücken und konnte kaum mehr stehen“ erinnert sich Hannes Reichelt. „Noch wenige Minuten vor dem Start habe ich überlegt, das Starthaus rückwärts zu verlassen. Doch mir war klar: Das tut man in Kitzbühel nicht! Also wusste ich, ich muss mich zu 100 Prozent konzentrieren und den Fokus darauf legen, bloß keinen Blödsinn zu machen.“
Der Körper ist das Kapital
Nach dem fulminanten Sieg kam nur wenige Tage später die große Enttäuschung: „Um eine bleibende Schädigung zu vermeiden, musste ich mich sofort einer Operation unterziehen. Die Olympiateilnahme in Sotschi war damit vorzeitig beendet. Ich habe mich furchtbar geärgert, diese Chance zu verpassen.“ Doch mit seinen 34 Jahren hat Hannes Reichelt gelernt, mit Rückschlägen umzugehen. „Der Körper ist das größte Kapital, das ich als Skirennfahrer habe, und ich hatte immer wieder gute und schlechte Phasen. So hab’ ich erst mit 16 Jahren zu wachsen begonnen und dann viel zu schnell“, so Reichelt, dessen Karriere sich schon sehr früh abzeichnete. „Das Skifahren haben mir meine Eltern beigebracht, wobei ich das Talent sicherlich von meiner Mutter und den Ehrgeiz von meinem Vater vererbt bekommen habe“, schmunzelt Reichelt.
Entdeckt als Schulbub
Entdeckt wurde der Radstädter bereits mit sechs Jahren: Von da an war Skifahren das Wichtigste für ihn. „Die Hausaufgaben wurden im Winter immer erst nach dem Skifahren gemacht, und nicht selten hab’ ich an Freitagen und Samstagen schulfrei bekommen, um an Rennen teilnehmen zu können“, lässt Hannes Reichelt seine Kindheit Revue passieren. „Skifahren war wichtig, aber noch wichtiger war für mich, zu Hause sein zu können. Ich war immer am liebsten daheim, und auch wenn ich heute viel unterwegs bin, fällt mir das Kofferpacken von Jahr zu Jahr schwerer.“
Zu Hause ist’s am schönsten
Die Zeit in Radstadt genießt er dann umso mehr: Nach wie vor ist er Mitglied in der Musikkapelle Radstadt und verbringt die Zeit am liebsten mit seinen Freunden oder beim Sport. „Im Sommer vor allem mit Radfahren und Bergsteigen, im Winter mit Skifahren hier in Radstadt oder zum Freeriden in Zauchensee“, so Reichelt. „Sport und Musik gehören für mich zu den Dingen, die für Kinder wirklich wichtig sind. Beides prägt den Menschen und verlangt Disziplin. Wobei natürlich die Eltern hier die wichtigsten Vorbilder sind.“
Auf geht’s in die nächste Saison
Für Hannes Reichelt hat sich früh abgezeichnet, dass ein gutes Gefühl am Ski nicht reicht: Ehrgeiz, Ausdauer, Coolness – all das gehört dazu, um sich über so lange Zeit an der Spitze halten zu können. 1999 kam er ins ÖSV-Team, schon bei seinem zweiten Weltcup-Rennen stand er auf dem Podest. Und dorthin will er auch in der Wintersaison 2014/15 zurückkehren. Seine Ziele? „Konkurrenzfähig und motiviert bleiben, denn natürlich gehöre ich mit meinen 34 Jahren schon zu den Älteren“, resümiert Hannes Reichelt. „Ich mache weiter, solange es mir Spaß macht. Doch ich weiß, es gibt auch ein Leben nach dem Sport.“
Über Hannes Reichelt
Hannes Reichelt startet in den Disziplinen Abfahrt, Super-G und Riesenslalom. In der Saison 2007/08 gewann er den Super- G-Weltcup; bisher stand er im Weltcup mehr als 30 Mal auf dem Podest und gewann unter anderem die Abfahrten in Bormio und Kitzbühel. Bei der Ski-WM 2010/11 belegte er den 2. Platz im Super-G.
Seit 1999 ist der Salzburger im ÖSV-Team erfolgreich.
Die Pisten in seiner Heimat Radstadt in der Ski amadé kennt Hannes Reichelt wie seine Westentasche.
Über die Autorin: Franziska Lipp liebt das Skifahren ebenso sehr wie das Schreiben. Nun hat sie sich die Ski von Hannes Reichelt signieren lassen: Vielleicht fährt es sich jetzt noch schneller.