Für ein erfolgreiches Theaterstück braucht man – neben dem Ensemble – eine fixe Bühne mit möglichst aufwändigen Bühnenbildern und ein literarisches Werk, das den Zusehern erzählt wird. Oder doch nicht? Das freie Ensemble „ortszeit“, unter der künstlerischen Leitung der Salzburgerin Ursula Reisenberger, beweist, dass man mit diesen Grundregeln sehr wohl brechen darf und trotzdem – oder genau deswegen – seine Zuseher in Begeisterung versetzt.
Seit nunmehr acht Jahren gastiert „ortszeit“ über die Sommermonate in Leogang und angefangen hat alles mit einem Wildererdrama. Ursula Reisenberger erinnert sich: „Die Leoganger Bergbahnen fragten mich damals, ob ich mir nicht vorstellen könnte ein Theaterstück auf dem Großen Asitz zu inszenieren. Das war just zu jener Zeit, als ich das Wildererdrama ,Almenrausch und Edelweiß‘ in der Schublade hatte. So startete unsere Zusammenarbeit mit Leogang mit einem Theaterstück in drei Teilen, wobei jeder Teil einen eigenen Handlungsstrang zu derselben Geschichte bildete.“
Die Bühne war auch damals schon der Asitz-Gipfel. Die Zuschauer wanderten mit den Schauspielern von Ort zu Ort und einsame Almhütten, der Speicherteich und Bergwiesen waren die von Natur gegebene Bühne. In diesem Sommer begann Ursula Reisenberger, die Leoganger nach ihren Geschichten zu fragen – nach ihren Erinnerungen. So entwickelte sich aus einem einmaligen Sommergastspiel eine Trilogie über und für Leogang: Schichten. Im Zentrum stand dabei nochmals das Wildererdrama am Hausberg Asitz, die traumatischen Erlebnisse der Protestanten-Vertreibung und das Geschehen im Silberbergwerk SchwarzLeo. „Die Geschichte war noch nicht zu Ende erzählt. Deshalb sind wir mit der Trilogie ,Hinter der Welt‘ noch einmal an dieselben Orte zurückgekehrt um das zu zeigen, was hinter den Geschichten liegt. Den Raum in unserem Inneren, aus dem die Geschichten kommen. Erst jetzt haben wir das Gefühl, dass die Geschichte ,rund‘ ist und die Leogang-Triologien sind damit abgeschlossen.“
Hinter der Welt
,Hinter der Welt‘ startet mit der Inszenierung ,Im Wald‘ und führt die Besucher erneut auf den Asitz. Knapp unterhalb der Bergstation sammeln sich die Theatergäste und die Ansammlung ähnelt eher einer gut ausgerüsteten Wandergruppe. Was sich auch als berechtigt herausstellt, denn für dieses Stück sind feste Bergschuhe und warme Outdoorkleidung obligat. Vom ,ortszeit’-Team werden Wanderstöcke und Klapphocker verteilt und Ursula Reisenberger führt die Gruppe nun zur natürlichen Bühne. Im Gänsemarsch geht es über einen schmalen, steilen Wanderweg weit hinein in den Wald. Mit jeder Serpentine des Wegs wird es stiller, die letzten Gespräche verstummen und selbst die Kinder schweigen und lauschen in den Wald hinein. Die kurze Wanderung ist die perfekte Einstimmung auf das, was die Zuseher nun erwartet: Auf den letzten Metern des Wegs begegnen wir schon den ersten Waldgeistern und auf einer Lichtung lassen wir uns inmitten der Heidelbeerstauden nieder. Die Abendsonne flutet diese natürliche Arena mit perfektem Bühnenlicht. Die Gnome, Trolle, Dämonen und Geister treten in Aktion und unsere Reise beginnt. Eine Reise in eine Zwischenwelt, eine Reise in den Wald, der in uns selber liegt. Die Zuseher sind Beobachter dieser Wesen, die wortlos aus dem Nichts erscheinen, agieren und wieder über Felsblöcke oder zwischen den Bäumen im Wald verschwinden. Wer sich hier ein Theaterstück mit packenden Dialogen und actionreicher Handlung erwartet, ist definitiv am falschen Ort. Man muss sich schon einlassen können auf diese stille Reise in einen Raum jenseits des Sichtbaren. Geheimnisvoll, mystisch, manchmal furchteinflößend oder sogar tröstlich – das Schauspiel der Waldgeister berührt jeden auf seine Art und selbst die Kinder sitzen mucksmäuschenstill und beobachten die Geister.
Picknick am Lagerfeuer
Die Sonne versinkt blutrot hinter dem Spielberghorn und auch das Schauspiel geht dem Ende zu. Immer noch schweigend macht sich die Gruppe auf den Rückweg. Kein abruptes „Vorhang zu – Licht an“ sondern ein sanftes Nachklingenlassen des eben Gesehenen. Am Ausgangspunkt unserer Reise erwartet uns ein loderndes Lagerfeuer mit prall gefüllten Picknick-Körben. Gemeinsam sitzen Theatergäste, Schauspieler und Helfer nun um das Feuer und grillen Würstchen. Ursula Reisenberger erklärt: „Normalerweise treffen Schauspieler und Gäste nie aufeinander. Die einen verlassen die Bühne über den Hinterausgang und die Gäste gehen durch den Vordereingang heim. So kann man sich nach der Aufführung austauschen und wir erhalten ein unmittelbares Feedback.“
Ob mit ,Im Wald‘, ,Im Dorf‘ und ,Die Eumeniden‘ auch das Gastspiel in Leogang endet lässt Ursula Reisenberger offen: „HINTER DER WELT ist ein Zyklus, in dem wir die Frage stellen nach dem Unsichtbaren, dem Unsagbaren im Zusammenleben der Menschen mit der Natur – und miteinander. Die Gesichte ist mit dieser Trilogie abgeschlossen. Wir haben darin die Orte, die unsere Auseinandersetzung mit dem Dorf geprägt haben, nochmals aufgesucht. Es ist ein Abschluss und eine Zusammenfassung unserer acht Jahre dauernden Begegnung mit einer Landschaft und ihren Bewohnern. Doch unsere Verbundenheit zu Leogang ist über die Jahre so stark geworden, dass wir es nicht ausschließen, irgendwann mit einer neuen Idee wiederzukommen.“
Während das Feuer erlischt und finstere Nacht den Gipfel des Asitz umgibt, begeben sich die Zuschauer mit der Bergbahn zurück ins Tal, und so mancher wird sich in diesem Sommer nochmals auf die Reise hinter die Welt begeben – bei den Aufführungen „Im Dorf“ im Ortskern von Leogang oder „Die Eumeniden“ im alten Steinbruch.
Kontakt:
www.ortszeit.at
Kartenvorverkauf an der Talstation der Asitzbahnen, TVB Saalfelden und Leogang