Manche Häuser tragen ihr Alter sichtbar zur Schau, mit verwittertem Steingemäuer und geschichtsträchtigen Fassaden. Andere wirken unscheinbar modern – und bergen doch eine Vergangenheit, die viele Jahrhunderte zurückreicht. Wer durch Rauris spaziert, streift an Orten vorbei, an denen einst Recht gesprochen, Bier gebraut oder Kranke versorgt wurden. Ein historischer Spaziergang führt zu zweiundzwanzig Gebäuden und Geschichten, die den Ort bis heute prägen.
Zwischen Alltag und Geschichte
Schnell noch ins Geschäft eilen, um die fehlende Zutat fürs Abendessen zu holen, vor dem Sportshop fällt der Blick auf den Skianzug im Winterschlussverkauf, von rechts grüßt ein Bekannter. Zwischen Alltag und Eile bleibt kaum Zeit für einen zweiten Blick. Dabei erzählen die Mauern links und rechts mehr, als man auf den ersten Blick vermutet. In Rauris lohnt es sich, den Schritt zu verlangsamen und Ausschau nach kleinen, roten Tafeln an den Gebäuden zu halten. Denn diese erzählen Geschichten von Menschen, die hier lebten und arbeiteten, von Berufen, die längst verschwunden sind, und von Mauern, die schon vieles erlebt haben. Kommt mit auf eine kleine Zeitreise.
Mit oder ohne Plan?
Wer sich auf historische Spurensuche begibt, hat zwei Möglichkeiten: einfach losgehen und schauen, welche Schilder ins Auge fallen. Oder beim Tourismusverband Rauris einen Ortsplan holen. Darin sind alle 22 historischen Gebäude verzeichnet, samt kurzer Beschreibung und Routenplan.

Ein Spaziergang durch die Zeit
Offiziell startet der historische Spaziergang rund 200 Meter nördlich der Kirche, beim heutigen Gruberhaus (ehemals Bruderhaus). Zur Blütezeit des Goldbergbaus im 16. Jahrhundert diente dieses Haus als Armenversorgungsanstalt, die vor allem arbeitsunfähigen Knappen und deren Angehörigen eine Zuflucht bot.
Weiter geht es Richtung Marktplatz. Im Hundehotel Grimming geben heute die Hunde den Ton an, damals war es das letzte Wort der Landrichter, das zählte. Gesellig war es im Gebäude daneben schon immer: Im Gasthof Neuwirt wurde einst wie jetzt fröhlich gezapft und gehandelt – heute weniger mit Waren, dafür umso mehr mit Geschichten und Anekdoten. Auf der Route folgt das alte Mesnerhaus, das sich über die Jahrhunderte von einer Priesterwohnung über eine Schule bis hin zu einem Kino und schließlich ein kulturelles Zentrum wandelte. Auch das Baderhaus befindet sich in unmittelbarer Nähe. Der Bader war zuständig für die medizinische Versorgung der Bevölkerung. Da das Geschäft mit der Medizin damals nicht allzu ertragreich war, versorgte er allerdings nicht nur Wunden, sondern schnitt auch Haare und Bärte.
Alte Mauern und weite Blicke: Geschichte und Natur vereint
Weg von den Schildern an den Hausmauern darf der Blick nun in die Ferne schweifen, denn es folgt der sportlichere Teil des historischen Spaziergangs. Entlang der Gaißbachstraße geht es ein Stück bergauf, bald gesellt sich das sanfte Rauschen des Gaißbachs hinzu und man erreicht die Grabenmühle. Sie diente einst als Mautmühle, wo Bauern ihr Getreide mahlen ließen und sich mit Getreideprodukten versorgten.
Von dort führt der Weg Richtung Süden wieder bergab. Lesestoff gibt es hier weniger, dafür imposante Ausblicke auf die umliegende Bergwelt. Vorbei am Schwitzbad, dem Wellnessbereich vergangener Jahrhunderte, vorbei am Schmied, der dort noch immer seinem Handwerk nachgeht, führt die Spazierroute bis zum Weinschreiberhaus. Dieses diente im 14. und 15. Jahrhundert als Zollamt. Der Weinschreiber registrierte Neuzugänge, zog Steuern ein und kontrollierte die Umsätze. Finanzamt mit Federkiel und Wachssiegel und noch ganz bestimmt ohne elektronische Signatur.

Historischer Spaziergang durchs Gestern und Heute
Ins ehemalige Lebensorghaus sollte man unbedingt reinschauen, nämlich dann, wenn das Rauriser Talmuseum geöffnet hat, das hier seit 1967 beheimatet ist. Neben faszinierenden Ausstellungsstücken aus vergangenen Jahrhunderten lässt das Kellergewölbe erahnen, dass dieses Haus ein wichtiger Umschlagplatz für den Saumhandel war.
Mitten durch den Ort geht es nun zurück Richtung Ortskern, vorbei an Lebensmittel- und Sportgeschäften, Restaurants und Friseuren, Post und Schuhecke. Oder wenn man die Schilder an den Gebäuden beachtet und ein paar Jahrzehnte und Jahrhunderte zurückreist: vorbei an Schauplätzen der Bauernkriege, an Gerichtssitzen und Häusern, in denen Bier gebraut wurde.
Zurück zum Herz des Ortes
Zurück am Marktplatz endet der historische Rundgang durch den Ortskern von Rauris. Mit dem Verweserhaus, einst Sitz der Bergwerksverwaltung, und dem Voglmaierhaus, in dem heute das Gemeindeamt untergebracht ist und das auch äußerlich noch seine langjährige Geschichte zur Schau stellt, eröffnet sich ein weiteres Kapitel der Ortsgeschichte.
Über all dem erhebt sich die Pfarrkirche Rauris. Ihre Ursprünge gehen zurück bis um 900, ihr heutiges Aussehen erhielt sie im Jahr 1780. Die Michaelskapelle daneben wurde 1203 erbaut. Sie diente als Grabeskirche für die Bewohner*innen und Gewerken des Goldbergbaus, Mitte des 19. Jahrhunderts wurde darin die Lourdesgrotte errichtet und Ignaz Rojacher stiftete eine Bergkristallmonstranz.
Unser Fazit? Geschichte liest sich anders, wenn man mitten in ihr steht. Der historische Spaziergang durch den Rauriser Ortskern bleibt definitiv mehr im Gedächtnis als bloße Jahreszahlen und Fakten.