Als die Tür aufgeht, weht uns ein eiskalter Wind in Sturmstärke entgegen. Die Besuchergruppe vor uns sieht ziemlich durchfroren aus, besonders die drei Touristen in Träger-Shirts und Badeshorts scheinen sehr glücklich zu sein, sich endlich wieder im Sonnenschein bei Temperaturen um die 25 Grad aufwärmen zu können. Drinnen liegt die Temperatur ja nur knapp um den Gefrierpunkt.
„Drinnen“, das ist in der Eisriesenwelt im Tennengebirge bei Werfen. So ziemlich in der Mitte das SalzburgerLandes liegt der Gebirgsstock mit der rund 42 Kilometer langen größten Eishöhle der Welt, deren erster Kilometer vereist ist und besichtigt werden kann. Gewachsen ist das Eis in der Höhle durch einen Kamineffekt, der im Winter kalte Luft in die Höhle bläst. Das Gestein speichert die Kälte bis zum Frühjahr, und wenn draußen der Schnee schmilzt, sickert das Wasser durch Spalten und Risse im Fels in die Höhle und gefriert dort wieder zu Eis.
Eis schlecken auch die Kinder auf der Aussichts-Terrasse, des Dr. Ödl-Hauses. Das Haus ist Bergrestaurant und gleichzeitig der Ausgangspunkt zum Höhleneingang. Bis hierher kommt man noch gemütlich per Auto und Seilbahn – der Rest des Weges ist nur zu Fuß möglich, rund 20 Minuten trennen uns noch von der Eishöhle, die am heutigen Sommertag Abkühlung verschaffen soll.
Vom warmen Sommertag in die kühle Höhle
Diese Abkühlung hat vielleicht auch der Entdecker der Höhle gesucht: Der Salzburger Naturforscher Anton Posselt stieg als erster im Jahr 1879 in die Höhle ein, kam aber nur 200 Meter weit, weil der Eiswall zu steil und seine Ausrüstung zu schlecht war. Er markierte seinen Umkehrpunkt mit einem schwarzen Kreuz am Felsen, das die Besucher heute noch sehen können. Erst im Jahr 1913 gelang es einigen Forschern den „Großen Eiswall“ zu überwinden.
Heute überwinden wir den Eiswall mit Leichtigkeit über die angelegten Treppen und Geländer in der Eisriesenwelt. Anstrengend ist es noch immer, weil ganz schön viele Stufen zu steigen sind. Wie die Forscher vor mehr als hundert Jahren nutzen auch die Besucher heute Karbid-Lampen als Leuchtquellen, um das Eis in vielen Farben leuchten zu lassen. In rund eineinhalb Stunden bekommen wir einen kleinen Einblick in die gigantischen Hallen im Inneren des Tennengebirges – kein Wunder, dass immer wieder Forscher von dieser Unterwelt fasziniert sind. Als wir durch die Tür in der Windschutzwand wieder ins Freie treten, müssen sich die Augen erst an das Tageslicht gewöhnen.
Gewöhnlich ist die Eisriesenwelt zwischen 1. Mai und 26. Oktober für Besucher geöffnet. Im Winter ist der Höhleneingang auf 1656 Metern Seehöhe wegen der hochalpinen Lage und der Lawinengefahr nicht erreichbar. Durch den ständigen Wandel des Eises ist ein Besuch in der Eisriesenwelt immer wieder ein neues Erlebnis – so schmückt beispielsweise im Frühjahr ein „Pelz“ aus Raureif die Höhlenwände, der meist bis Juni bestehen bleibt.
Fotos: Eisriesenwelt
Eisriesenwelt Werfen
Eishöhlenstrasse 30
A – 5450 Werfen
Information: +43 6468 5248
www.eisriesenwelt.at