Das dumpfe Geräusch unserer Schritte durch den tiefen, frisch gefallenen Schnee ist der einzige Laut den man hört. Die schneebeladenen Äste der Bäume hängen tief in den Weg, und wo im Sommer die grünen Almen der Pinzgauer Grasberge ein reiches Nahrungsangebot für alle Wildtiere bieten, spitzelt im Winter kein Grashalm mehr durch die dicke Schneedecke. Hier heroben am Berg, weit weg von Pisten und Trubel, ist das Reich der Hirsche und Rehe.
Ich begleite den Berufsjäger und passionierten Naturfotografen Christoph Burgstaller bei der Wildfütterung. Seit den ersten Schneefällen im Spätherbst macht er sich Tag für Tag auf den Weg zu den Futterstellen hoch oben in seinem Revier. Noch kann er diese Strecke mit dem Auto zurücklegen, doch bald, wenn die Schneehöhen ein Befahren des Weges nicht mehr zulassen, wird er sich jeden Tag auf Tourenskiern zu diesen abgelegenen Futterstellen vorkämpfen. „Mühsam, aber das hält zumindest fit,“ lacht er.
Rehe – die „wilden“ Feinschmecker
Wir nähern uns langsam der ersten Futterstelle. Die vielen Fährten im Schnee lassen erkennen wie viel Bewegung hier rund um die eingezäunte Rehfütterung herrscht. Jeden zweiten Tag gibt es für die scheuen Waldbewohner Futternachschub, damit ihr Nahrungsaufnahme-Rhythmus nicht unterbrochen wird. Die Futterkrippen sind eingezäunt und nur die Rehe schlüpfen ungehindert durch die hölzerne Einfriedung um das auf sie abgestimmte Futter aufzunehmen. „Rehe sind Feinschmecker und, wie auch der Hirsch, Wiederkäuer. Sie benötigen leicht verdauliche und energiereiche Nahrung,“ erklärt der Jäger, während wir duftendes, kräuterreiches Wiesenheu aus dem zweiten Schnitt des Sommers in die Krippen laden und die Futterautomaten mit Kraftfutter und Apfeltrester (Trester ist der beim Pressen der Früchte übrig bleibende Rückstand) füllen.
Während wir uns auf den Weg zur Hirschfütterung machen, schlüpfen schon die ersten Rehe aus ihren Einständen, wo sie ruhen und die Äsung (so wird die Nahrung genannt) verdauen, und verschwinden zwischen den Holzpfählen der Fütterung. „Ihren“ Jäger, der immer zur selben Zeit für Futter sorgt, kennen sie, und er stellt für das Wild in dieser Notzeit keine Beunruhigung dar.
Bewusstsein für den Lebensraum des Wildes
Am Gegenhang erspähen wir drei Skitourengeher, die langsam bergwärts spuren. Den Freizeitsportlern ist meist nicht bewusst, dass sie für das Wild – besonders bei Tiefschneeabfahrten in Fütterungszonen – eine große Bedrohung darstellen. Im Winter benötigt Gams, Reh oder Hirsch von Natur aus viel Ruhe. Sie haben ihren Energieverbrauch durch Einschränkung von unnötigen Bewegungen auf ein Minimum gedrosselt. Beunruhigung oder Fluchten durch tiefen Schnee steigern diesen Energiebedarf um das Zehnfache und zehren an den mühsam aufgebauten Fettreserven. Durch Aufklärung der Sportler mit Informationskampagnen wie „Respektiere deine Grenzen“ und in direkten Gesprächen wird ein Verständnis und Bewusstsein für ein sicheres Nebeneinander geschaffen.
Nicht mehr viele Rückzugsmöglichkeiten hat das Wild in touristisch hoch entwickelten Regionen. Vor einigen Jahrzehnten noch wären die Hirschrudel vor dem Winter in tiefere Regionen, bis hinaus zu den Isar-Auen, abgewandert, um der Notzeit – wie die Wintermonate für das Wild ganz treffend genannt werden – zu entkommen. Durch Besiedelung und Straßenbau ist den Hirschen diese natürliche Abwanderung zu Regionen mit besserem Nahrungsangebot im Winter nicht mehr möglich und durch Schälen der Baumrinden würden sie – ungefüttert – für einen hohen Schaden am Waldbestand sorgen.
Futter für den König des Waldes
Die Rotwildfütterung liegt auf einer Lichtung, und großzügig sind die Futterplätze auf dem Areal verteilt. Christoph erklärt: „Die Lage der Fütterung in der Kernzone des Rotwilds ist mit Bedacht gewählt. Der nahe Wald bietet Deckung und Einstand. Die Fütterung ist abgelegen genug, um eine Beunruhigung durch Spaziergänger und Sportler zu verhindern, aber für den Fütterer auch im Hochwinter noch erreichbar. An den Futterplätzen müssen genug Futterraufen und Tröge vorhanden sein, damit alle Tiere des Rudels gleichzeitig Futter aufnehmen können. Bei zu wenigen Futterstellen wäre ein Wildschaden im „Warteraum“ – also das Schälen der Bäume während des Wartens – vorprogrammiert.“
Während Christoph die Tore der Scheune öffnet, in der das Futter für den Winter lagert, entferne ich Schnee und Futterreste aus den Trögen, denn Sauberkeit ist bei der Fütterung neben der Regelmäßigkeit oberstes Gebot. Hirsche sind keine Feinschmecker wie die Rehe, und benötigen größere Mengen an täglicher Nahrung, die aus Saftfutter und Raufutter besteht. Diese Mischung aus Mais-Silage, Karotten-Trester und grobem Heu schaufeln wir in die Tröge und die Raufen werden mit Heu befüllt. Bis zu 90 Stück Rotwild kommt im Winter zur Fütterung, und pro Tier und Tag werden bis zu 4 Kilo Nahrung aufgenommen.
Weihnachts-Legende von sprechenden Wildtieren
Die Fütterung ist aufgefüllt und wir begeben uns auf den Rückweg ins Tal. Auch morgen, an Weihnachten, wird Christoph, wie jeden Tag im Winter, wieder hier heroben sein, um das Wild sicher über die Notzeit zu bringen. Der Legende nach kann man am 24. Dezember mit den Tieren sprechen, und auf meine Frage, was ihm die Rehe und Hirsche an Weihnachten so verraten, lacht der Jäger und meint mit einem Augenzwinkern: „Noch waren die Rehe und Hirsche nie besonders gesprächig.“
Wer mehr über dieses Thema erfahren möchte, kann bei von Jägern geführten Fütterungen im SalzburgerLand, wie zum Beispiel der Nationalpark-Wildtierfütterung im Habachtal, teilnehmen und dabei das Wild aus nächster Nähe beobachten. Zum Schutz des Wildes sind die hochsensiblen Fütterungsbereiche in den Wintermonaten großräumig zu meiden.
Fotos: Christoph Burgstaller, Edith Danzer