Es gibt Geschichten, die sind so schön, dass man sie kaum glauben mag. Diese hier ist wirklich passiert. Es ist die von Katharina Warter und dem Rehkitz Lena, das kurz nach der Geburt von der Mutter verlassen wurde und am Mandlberggut eine neue Mama fand.
„Für mich stand von Anfang an fest – ich wollte es versuchen dieses kleine Kitz zu retten.
Lena, so nannte ich es nun, wog gerade mal 1 kg. Normalerweise viel zu schwach, um es von Menschenhand aufzuziehen.“
So begann die besondere Beziehung von Katharina Warter und Lena. Ihr Leben hat das Rehkitz einer jungen Frau zu verdanken. Sie fand es in einem Bach und rettete es vor dem Ertrinken. Über Umwege kam es in die tierlieben Hände von ihrer Adoptivmama Katharina. Wie Lena das Leben der passionierten Jägerin völlig umdrehte, ihren Blick auf die Natur noch einmal schärfte und ihr den größten Vertrauensbeweis schenkte, den ein Tier einem Menschen überhaupt machen kann, erzählte sie mir bei einem gemütlichen Plausch auf ‚ihrem‘ Mandlberggut.
Wie kam denn die Lena in dein Leben?
Die Verbindung die ich mit der Lena gehabt habe, war eine ganz besondere. Bekommen habe ich sie am 18. Juli 2015 als frisch gesetztes (geborenes) Rehkitz. Ein Kilo schwer und sicher noch nicht auf den Beinen gewesen. So wurde sie von Wanderern gefunden und über Umwege zu uns aufs Mandlberggut gebracht. Von mir sagt man ja, dass ich alles aufziehe, aber als ich sie zum ersten Mal gesehen habe, war ich ratlos. So klein, zerbrechlich und schmächtig. Sie war sogar noch leicht feucht. Kann sein, dass sie im Wasser gelegen ist, oder ob das vielleicht wirklich noch von der Geburt war.
Was trinkt so ein Rehkitz überhaupt? Ich hatte keine Ahnung. Gewusst habe ich, dass Kuhmilch nicht gut vertragen wird. Also habe ich herumtelefoniert und mich im Internet schlau gemacht. Von meiner Schwiegermama habe ich dann eine eingefrorene Biestmilch (Erstmilch für neugeborene Säugetiere: sehr gehaltvoll und vitaminreich, hilft frisch Geborenen, schnell zu Kräften zu kommen) von einem Schaferl bekommen. Damit habe ich die Lena dann erst einmal gefüttert. Nach ein paar Tagen haben wir dann auf frische Ziegenmilch umgestellt, die wir jeden Tag vom Bauern geholt haben.
Hattet ihr von Anfang an einen Draht zueinander?
Ja. Ich war die Mama. Getrunken hat die Lena nur, wenn wir uns zuerst im Gesicht angestupst haben. Der Körperkontakt war ganz wichtig. Dann habe ich mich über sie beugen und ihr den Popo massieren müssen. Das klingt jetzt vielleicht eigenartig, aber so war es wirklich.
„Ein richtiges Lausdirndl.“
Jedes Mal die selbe Prozedur. Ich hab ja nebenbei voll im Betrieb arbeiten müssen und da war das schon manchmal sehr stressig. Denn wenn ich sie einmal nur nebenbei füttern wollte, oder nicht mit voller Aufmerksamkeit dabei war, dann hatte sie eben auch keine Lust und machte keine Anstalten, zu trinken. Ein richtiges Lausdirndl.
Während ein Kitz trinkt, muss man den Popo massieren damit sie Kot ablassen kann. Das kann man auch in der Natur beobachten. Während ein Junges bei der Rehgeis trinkt, leckt diese ihr den Popo.
Warum ist das so?
Reiner Schutz vor Räubern. Würde das Kitz in der Wiese liegend Kot ablassen, dann könnte es der Fuchs riechen und finden. Und wie solche Begegnungen ausgehen, kann man sich vorstellen. Also hat die Natur dafür gesorgt, dass es nur ‚geht‘, wenn die Mama dabei ist und aufpasst. Also hab ich das imitieren müssen.
Die Kleine hat dann wohl dein, bzw. euer Leben ziemlich durcheinander gebracht.
Die Lena hat ab dem ersten Tag in einem Lager in meinem Zimmer geschlafen. Alle zwei Stunden bin ich aufgestanden und habe sie gefüttert. Auch wenn ich selbst noch keine Kinder habe, kann ich mir sehr gut vorstellen, wie es ist, nächtelang nicht zu schlafen. Rehkitze sind ja auch sehr empfindlich und es gibt viel zu beachten. Die Milch muss eine Temperatur von genau 38,5 Grad haben. Ist sie zu warm, verbrennst du die Kleine. Ist sie kühler, bekommt sie Bauchweh.
Meine wichtigste Hilfe von Anfang an war unser Jagdhund, der Dasko. Der hat die Lena sofort akzeptiert, auf sie aufgepasst und mir sogar beim Popo lecken geholfen. Als Belohnung hat er dann immer die übrig-gebliebene Milch auslecken dürfen.
Wurde es mit der Zeit einfacher?
Einfacher schon, aber wir mussten uns viel erarbeiten. Die Lena hat im Gegensatz zu anderen Rehkitzen die ich gesehen habe, keinerlei Instinkt gehabt. Sie hatte keine Ahnung, was sie so fressen soll oder kann. Also habe ich ihr gelernt, dass man Gras frisst, indem ich es selbst gekaut habe und sie riechen hab lassen. Weil neugierig darauf, was die Mama so treibt, war sie schon. So hat sie dann selber angefangen zu fressen. Sie war generell ein Feinspitz und hat nur das Beste vom Besten gegessen. Müsli wollte sie nur von einer ganz speziellen Marke. Dann noch frisch-aufgewühlte Maulwurferde und Rosinen. Und natürlich Cocktailtomaten und Rosenblüten. Da hat sie meinen ganzen Gemüsegarten zusammengefressen.
Hat sich das Leben nur in und um euer Haus abgespielt?
Am Anfang schon. Sie war wirklich sehr viel im Haus, hat dann aber langsam und zögerlich begonnen, kleine Ausflüge zu machen. Bis sie ein halbes Jahr alt war, war es auch ganz schlimm, wenn ich einmal weggefahren bin. Dann hat sie nichts mehr gefressen, nichts getrunken und hat auf gut-pongauerisch gesagt, gesponnen.
Wie ging es denn dann weiter? In der Natur nabelt sich ja das Kitz irgendwann von der Mutter ab.
Genau. Die Lena hat bis nach dem ersten Winter ein großes Gehege im Garten gehabt, in dem sie sich frei bewegen konnte. Dann, im Frühling, da war sie gut ein Jahr alt, war sie eigentlich frei. Ich habe ihr die Möglichkeit gegeben, zu gehen. Sie hat sehr große Ohrmarken bekommen, damit sie die Jäger erkennen und natürlich habe ich viel herumtelefoniert, um größtmöglich auf sie aufzupassen. Sie ging dann auch wirklich auf Wanderschaft und wurde sogar in Filzmoos gesichtet. Als ich den Anruf bekommen habe, dass man sie gesehen hat, habe ich mir schon gedacht, Lena, muss es denn wirklich so weit sein?
„Unsere Verbindung ist nie abgerissen.“
Ist sie jemals zurückgekommen?
Ja freilich! Und ist dann nie mehr gegangen. Nach ca. einer Woche war sie wieder da. Und ist danach immer in der Nähe geblieben. Jeden Tag hat sie mich von der Arbeit abgeholt und wir sind gemeinsam nach Hause spaziert. Da ist sie dann noch auf eine kleine Leckerei geblieben und dann ist sie wieder weggehüpft. In der Natur ist die Trennung stärker. Weil das nächste Kitz auch wieder die volle Aufmerksamkeit der Mutter braucht. Unsere Verbindung ist nie abgerissen.
Aber die Lena lebte trotzdem ein ganz normales Leben im Wald?
Ja freilich, aber halt mit dem Beziehung zu mir, die auch dann noch besonders war. Ich habe sie nur rufen müssen, dann ist sie schon gehüpft gekommen und hat dabei Freudenschreie von sich gegeben. Oder wenn ich Führungen bei uns am Gut gemacht habe, hat sie plötzlich beim Fenster hereingeschaut, was den Gästen natürlich auch sehr gefallen hat.
„Wenn dir ein Wildtier ihr eigenes Junges wieder bringt, dann ist das der größte Vertrauensbeweis, den es gibt.“
Sie hat dann auch eine Liebe gefunden, einen Rehbock und sogar den hat sie zu uns in den Garten mitgebracht. Sie hat ihn uns vorgestellt. Sie wurde von ihm beschlagen, also schwanger in unserer Sprache und hat dann ein Jahr später ihr eigenes Kitz bekommen. Die Luna. Nachdem sie eine ganze Woche nicht da war, sind die beiden dann plötzlich zu uns in den Garten und bei der Balkontüre hereinspaziert. Sie hat ihrer Mama ihr Kind gezeigt. So hat es sich für mich angefühlt. Ich war überwältigt, weil es ja ein ganz starker Vertrauensbeweis eines Wildtieres ist, wenn es dir das eigene Kind auch wieder bringt.
Trotzdem gab es für euch kein Happy End…
Die Lena war nach der Geburt sehr schwach. Nachdem sie dann auch noch irgend etwas schlechtes gegessen hat, wurde sie sehr krank. Ich hab mich intensiv um sie gekümmert, trotzdem stand es schlecht um sie. Wir haben draußen im Garten einen Platz hergerichtet, Wärmelampen organisiert und es so angenehm wie möglich gemacht. Alle zwei Stunden habe ich die Lena gefüttert, dazwischen die Luna. In einer Nacht ist sie dann leider gestorben. Genau zwei Wochen später dann auch die Luna. Bei ihr weiß ich leider gar nicht, woran das lag.
Du hast es nie bereut, dass du dich so intensiv auf die Lena eingelassen hast?
Nein, das habe ich nie bereut. Das war für mich ein ganz großes Geschenk. Und ich würde es immer wieder machen. Auch wenn ich mir wünschen würde, noch viel mehr Zeit dafür zu haben.
Was soll man denn machen, wenn man ein Rehkitz, das ganz alleine ist, findet?
Zuallererst soll man es in Ruhe lassen. Auf keinen Fall angreifen, das ist ganz ganz wichtig! Denn auch wenn ich mich wirklich sehr bemüht habe, dass es die Lena schön hat, ich kann einem Wildtier nie das geben, was die Mama geben könnte. Also muss man zuerst weggehen und beobachten, ob das Muttertier wieder kommt. Nach ein paar Tagen kann man dann eingreifen und das Kitz mitnehmen. Ziegenmilch vom Bauern füttern, diese nicht zu alt werden lassen und schauen, dass es das Kitz gut hat. Niemals den Popo massieren vergessen. Das ist das A und O. Sonst stirbt es.
„Die Lena war für mich ein ganz großes Geschenk.“
Du bist nach wie vor Jägerin. Wie hat sich deine Einstellung zu diesem Thema durch die Lena verändert?
Ich habe eine starke Verbindung zum Rehwild bekommen und kann es auch mittlerweile viel besser einschätzen. Vom Alter her, aber auch was die Gesundheit des Tieres betrifft. Ich selektiere ganz stark und nimm noch viel weniger, als vorher. Da muss es triftige Gründe geben. Und wenn es wirklich darum geht, das Fleisch zu nehmen, gehe ich danach ganz stark in mich und bedanke mich bei der Natur. Dankbar waren wir immer, aber es ist heute noch einmal ganz was anderes.
Falls Sie selber in die Situation kommen, ein Rehkitz alleine im Wald zu finden, dann zögern Sie nicht, sich bei Katharina am Mandelberggut zu melden und sich Rat zu holen. Die Kontaktdaten finden Sie auf der Website des Guts.
Das Mandlberggut
Was vom Mandlberggut kommt, ist gut. Das weiß ich schon seit meinem ersten Besuch dort vor einigen Jahren. Ätherische Öle mit großer Wirkung auf die Menschen, Hochprozentiges, das mit viel Hingabe und großem Wissen im Angesicht des Dachsteins gebrannt wird und ein einzigartiger Whisky, dessen Geschmacksnoten sich über viele Jahre hinweg im ewigen Eis entwickeln dürfen. Es wird Zeit, dass auch Sie einmal dem Mandlberggut einen Besuch abstatten… Lesen Sie hier weiter.
Mandlbergweg 11
5050 Radstadt
T +43 6454 7660
www.mandlberggut.com