Wer bei Nordic Wellness an Gesichtspflege, Massage und Wärmebehandlung denkt – der liegt gar nicht so falsch, nur ist es nicht zarte Haut, der das Wohlfühlprogramm zugutekommt, sondern der Belag unserer Langlaufski. Warum, das erklärt uns die ehemalige Biathlon-Profi-Athletin Andrea Grossegger aus Saalfelden.
Über drei Jahrzehnte lang war Andrea Grossegger die einzige österreichische Biathletin, die eine WM-Medaille erringen konnte. Die gebürtige Vorarlbergerin lebt heute inmitten des Nordischen Zentrums Saalfelden Leogang mit 150 Loipenkilometern, Nordic Park, Fun & Snow Parks, Biathlon- und Sprunganlage und der Nordischen Rätselrallye rund um den Ritzensee.
An der Wand hängen altertümliche Holz-Langlaufski – ihre eigenen, verrät sie schmunzelnd und erinnert sich, als sie sich als Kind mit diesen Skiern im Garten des Elternhauses in Hard in Vorarlberg zwischen den Obstbäumen durchschlängelte, um zur Loipe zu gelangen. Aus diesen ersten Versuchen auf den schmalen Latten folgte eine sportliche Karriere, die die damals Zehnjährige wohl noch nicht vorausgeahnt hatte. Und auch nachdem Andrea ihre Profi-Karriere an den Nagel hängte, war klar, der Loipe bleibt sie treu. Und so eröffnete sie im Keller ihres Hauses in Bsuch ein kleines, aber feines Langlauf-Fachgeschäft mit dazugehöriger Werkstatt.
Fit für die Loipe
Auf meine Frage, wer denn meine alten Langlaufskier fit für die Spur mache, kam von allen Seiten unisono die Antwort: „Geh zur Andrea!“ Und so treffe ich mich mit der Ex-ÖSV-Athletin und Biathlon-Pionierin an einem traumhaften Wintertag bei ihrer Werkstatt in Bsuch bei Saalfelden und oute mich gleich mal als kompletter Laie. Denn auf meine Frage, ob wir – der Fotos wegen – die Skier vielleicht draußen zwischen glitzerndem Schnee und tiefblauem Himmel wachseln könnten, lacht sie kopfschüttelnd: „Aber nein! Bei Minus acht Grad hier draußen haut das nicht hin!“ Mein verdutztes Gesicht lässt sie erklären: „Die Ski zu präparieren ist vergleichbar mit einer Wellnessbehandlung für deine Haut. Dazu müssen sich die Poren öffnen können – und deswegen, ab in die Werkstatt.“
Am Abgang zum Shop hängen zahlreiche Bilder an der Wand – Bilder von früher, aus ihrer aktiven Karriere. „Ein Jahr nach meiner Bronze-Medaille in Chamonix im Jahr 1984 – es war die erste Damen-Biathlon-WM – kam mein erster Sohn zur Welt. Zwei Jahre später der zweite – Sven.“ Und Sven findet man auch auf den Bildern an der Wand, denn er trat in die Fußstapfen der sportlichen Mutter und wurde ebenfalls Biathlet mit 82 Weltcupstarts. Kaum verwunderlich, denn Andrea Grossegger fungierte nach zahlreichen Österreichischen Meisterschaftstiteln, dem sechsmaligen Gesamtsieg der World Classic Trophy und erfolgreiche Siegerin namhafter Volkslangläufe auch nach ihrem Karriereende im Profisport als Trainerin im Biathlonverein HSV Saalfelden.
Der Keller beherbergt neben der Werkstatt einen gut bestückten Ski-Shop und Material für den Verleih, aber auch moderne Langlaufoutfits und reichlich Zubehör findet man auf den wenigen Quadratmetern. Der Geruch von warmem Wachs verrät, was Andrea vergnügt verkündet: „Willkommen in der Werkstatt – der Wellness-Oase für deine Skier. Im Gegensatz zu Alpinskiern werden die Langlaufskier in reiner Handarbeit fit für den Schnee gemacht.“ Ihr belustigter Blick auf mein Equipment ist berechtigt – die 25 Jahre alten Skatingski haben sehr oft Schnee aber nur selten Wachs gesehen und selbst das hatte ich dann offensichtlich falsch aufgetragen.
Die Wellness-Rundumbehandlung
Eigentlich fehlen nun nur noch die Spa-Entspannungsmusik und die Klangschalen, denn was nun folgt, ist echte Wellness für den Belag. Sorgfältig wird erst einmal die Lauffläche mit einem speziellen Mittel gereinigt. „Nimm dafür ja keinen Nagellackentferner, Azeton oder ähnliches!“, mahnt der Profi, der auf Anfragen auch für Gäste Wachselworkshops macht. „Du reinigst ja auch dein Gesicht sanft, bevor du neues MakeUp aufträgst.“ Leuchtet ein und gespannt beobachte ich, wie sie den Ski in die Zwinge auf der Werkbank spannt und mit einer Abziehklinge alte Wachsreste und Schmutz entfernt. „Der Staub frisst sich schonungslos in den Belag, wenn die Skier im Keller stehen – darum immer im Skisack und im Sommer mit einer Wachsschicht am Belag aufbewahren.“ Während sie nun mit einer Messingbürste meine Skier blitzblank wischt, heizt am Regal schon das Bügeleisen auf. „Nimm dafür nicht Omas altes Bügeleisen, sondern investiere in ein spezielles Wachseleisen – das lässt sich genauer einstellen und hält die Temperatur perfekt.“
Welches Wachs?
Profis greifen bei jeder Temperaturschwankung zu einem speziellen Gleitwachs, denn fest steht – ohne Wachs kein Gleiten und kein Spaß. Für meine Zwecke eignet sich jedoch ein Universalwachs mit einem Temperaturbereich von -10 bis +10 Grad am besten. Und nachdem das Bügeleisen nun auf Betriebstemperatur ist, legen wir los. Das Wachs trägt Andrea in einem feinen Streifen vom Skiende bis zur Spitze auf. „Mach keine Tropfen, sondern setze den Wachsblock direkt ans heiße Eisen, das mit einer Ecke am Ski aufliegt. Und dann ziehe die Wachsspur schön gleichmäßig über den Ski.“ Mit einer durchgehenden Bewegung vom Ende zur Spitze bügelt sie dann das Wachs in die Lauffläche, bevor der Ski zum Abkühlen beiseitegestellt und der zweite Ski an die Reihe kommt. Ich kann sehen, wie mein Belag glücklich aufatmet. Endlich bekommt er die Pflege, die ihm zusteht. Mit einem Rillenstift nimmt Andrea nach dem Abkühlen das überschüssige Wachs aus der mittigen Rille, zieht dann das Wachs von der Oberfläche und auch die Kanten werden mit der Abziehklinge vom Wachs befreit. Zuletzt kommt ein Werkzeug an die Reihe, das stark einer Bohrmaschine ähnelt: „Das ersetzt das Ausbürsten mit der Nylonbürste – nur einmal vom Ende zur Spitze, und der Ski ist fertig für die Loipe.“
Jubelnder Biathlon-Fan
Meine betagten Skier glänzen wie neu – der Belag hat wieder Struktur und ich kann es kaum erwarten, nun endlich mühelos über den Schnee zu gleiten. Ich sehe den Unterschied und gelobe Wachsel-Besserung. Auf meine Frage, wie oft Andrea denn ihre eigenen Skier auf die Werkbank schnallt, meint sie: „Eigentlich nach jedem zweiten, dritten Tag auf der Loipe, denn ich will mich beim Langlaufen nicht plagen müssen.“ Und da im Winter kaum Tage vergehen, an denen die Saalfeldnerin nicht für Langlaufkurse auf den Loipen unterwegs ist, findet man sie wohl oft an der Werkbank. Doch nun merke ich ein wenig Unruhe in Andrea aufkommen und mit einem Blick zur Uhr meint sie: „Ich muss jetzt leider los nach Hochfilzen. Zum Biathlon Weltcup. Als ehemaliger Profi lasse ich es mir natürlich nicht entgehen, die aktiven Sportler, wie unseren Simon Eder, bei ihren Bewerben anzufeuern.“
Ich verstaue meine Langlaufski wie angeraten im Skisack, bis sie bald den ersten Schneekontakt haben. Und wenn sie dann nicht laufen? Dann liegt es wohl an meiner mangelhaften Technik und ich buche dann einfach einen Kurs bei Andrea, um mich und meine rundumgewellnessten Skier fit für die Spur zu machen.