Carina Edlinger ist seit ihren Jugendjahren stark sehbehindert. Das hat sie nicht davon abgehalten, mit dem Langlaufsport zu starten. Im Gegenteil: Sie hat in den letzten Jahren viele internationale Erfolge einfahren können, so wurde sie vier Mal Gesamtweltcupsiegern, holte mehrfach WM-Gold und bei den Winter Paralympics in Peking 2022 Gold im Langlauf-Sprint sowie Bronze im 10 km Freistil. Wir haben die sympathische Salzburgerin zum Gespräch getroffen.
Carina, wie und wann bist du zum Langlaufsport gekommen?
Gleich vorweg, ich war kein großes Talent im Langlaufen. Wir haben als Kinder aber relativ früh angefangen, so mit sechs oder sieben Jahren. Ich hatte am Anfang gar keine Lust, bin zwar zur Loipe mitgegangen, aber mein Ehrgeiz war dementsprechend niedrig.
Wann hat sich die Einstellung zum Langlaufen dann geändert?
Mein Bruder war immer das Talent. Ich habe mir dann gedacht, das kann es jetzt auch nicht sein und ging mit mehr Ehrgeiz an die Sache ran. So mit 10 Jahren musste ich mich dann entscheiden, ob ich aufhöre oder den Sport intensiver betreibe.
Deine Augenkrankheit kam ja erst mit der Zeit zum Vorschein. Ab welchem Alter hast du gemerkt, dass deine Sehkraft nachlässt?
Ich habe eigentlich nie wirklich gut sehen können. Ich habe als Kind nicht gerne gelesen und in der Volksschule habe ich an der Tafel nicht zwischen Plus und Minus unterscheiden können. Mit zwölf Jahren wurde die Situation so gravierend, dass ich nicht mehr ausgekommen bin. Es ist dann mit meiner Sehkraft rapide bergab gegangen.
Wie sehr hat dir das Langlaufen in der schweren Zeit geholfen?
Der Sport ist das Einzige, was geblieben ist. Der existiert immer. Es war aber schwer, Leistung zu erbringen. Der Alltag hat mich anfangs so viel Energie gekostet, dass ich für den Sport nicht mehr viel Kraft übrig hatte.
Wann hast du dann mit dem Para-Leistungssport begonnen?
Das war ein großer Zufall. Eine Freundin aus der Schule, die selbst Para-Sportlerin war, hat mich gefragt, ob ich mit ihr in dem Bereich einsteigen möchte. Das war 2015.
Deine ersten Erfolge feiertest du dann mit deinem Bruder?
Das war alles sehr spontan am Anfang. Eine Woche vor meinem ersten Weltcup ist mir gesagt worden, dass ich ohne Guide nicht starten kann. Ich hatte ja vom Para-Sport keine Ahnung. Alles war neu. Mein Bruder ist eingesprungen. Dann bin ich mit ihm bis zu den olympischen Spielen in Pyeongchang gelaufen. Wir haben uns dann aber in eine unterschiedliche Richtung entwickelt und sind sportlich getrennte Wege gegangen. Ich habe dann mit einem anderen Guide aus Schweden trainiert. Dort habe ich viel lernen können und Langlaufen von Grund auf neu kennengelernt.
Mit welchen Erwartungen bist du in die olympischen Spielen in China gegangen?
Ich bin ja jetzt in einer neuen Klasse gestartet und habe den Sport wieder fast von Grund auf erlernen müssen. Ich muss meine Augen jetzt ganz neu einsetzen. Ich besitze noch ca. 1,5 % Sehkraft, kann hell und dunkel unterscheiden. Aber ich sehe nicht, was da vor mir ist. Das Ganze ist somit für mich sehr anstrengend und kompliziert. Ich ging ohne große Erwartungen an den Start. Ich kann ja Langlaufen, aber es sind so viele andere Faktoren von Bedeutung.
Du wohnst ja schon seit Jahren in Fuschl am See. Was macht deine Heimat für dich so besonders?
Ich war durch meinem Sport schon an vielen Plätzen. Den Lebensstandard den wir aber zu Hause haben, der ist nicht selbstverständlich. Ich habe die Berge und Seen vor der Haustür. Das ist für mich essentiell. Ich kann hier wandern gehen, am See mit dem Kajak fahren oder den ein oder anderen Klettersteig versuchen.
Trainierst du dann auch auf den Loipen in deiner Umgebung?
Wenn ich zu Hause bin und Schnee liegt, gehe ich in Fuschl Langlaufen. Ich erinnere mich dann gerne an meine Anfänge dort zurück und genieße es, in der Heimat auf den Langlaufskiern zu stehen.
Du bildest mit deinem Hund ein eingeschworenes Team. Wie sehr hilft er dir im Alltag?
Mein Labrador Riley ist fast immer bei mir. Ich habe durch ihn meine Freiheit zurück bekommen. Er bringt mir mehr Normalität in mein Leben und hilft mir bei vielen Dingen im Alltag. Ich kann mit ihm zum Beispiel wieder alleine in den Wald gehen und bin generell mobiler. Er hat mir ein großes Stück Lebensqualität zurückgegeben.
Wie würdest du rückblickend die olympischen Spiele zusammenfassen?
Es war mehr als eine Achterbahnfahrt, ich erlebte Höhen und Tiefen. Ich bin unheimlich dankbar, dass ich nach den körperlichen Problemen noch zwei Medaillen holen konnte. Besonders die Goldene im Sprint wollte ich unbedingt gewinnen. Ich war zwar in den Bewerben eine Mitfavoritin auf eine Medaille, wollte aber zunächst gar nicht zu den Olympischen Spielen reisen, da ich körperlich ganz und gar nicht fit war und mit einigen Problemen zu kämpfen hatte. Es ist schön, dass es schlussendlich zu zwei Medaillen gereicht hat.
Was ist dir am Podium bei der Siegerehrung durch den Kopf gegangen?
Das war eigentlich nicht der emotionalste Momente. Das Schönste war, als ich über die Ziellinie gelaufen bin und gewusst habe, dass ich es trotz der vielen Hürden geschafft habe. Mein Dank geht an Rudi Hirschegger und Gerry Bauer vom Olympiazentrum in Rif, die Tag und Nacht alles dafür gegeben haben, um mein Herzensprojekt zu realisieren.
Du hast alles erreicht was eine Sportlerin erreichen kann, was sind deine zukünftigen Ziele?
Ich bin jetzt die erfolgreichste nordische Sportlerin in Österreich. Die Goldene war mein großes Ziel. Wichtig ist für mich jetzt, dass ich körperlich wieder fit werde und schmerzfrei bin. Ich habe viele Ziele und Pläne, sportlich wie auch privat. Ich werde mir jetzt Zeit nehmen und entscheiden wohin die Reise geht.
Kurze Frage zum Schluss, wie würdest du dich in drei Worten beschreiben?
Positiv, hartnäckig und zielstrebig.
Fotos: ©heikomandl.at, Para Snowsports