„Die blinde Eule“ ist der Titel eines persischen Kurzromans, nach dem Zarinfard Mehdi seinen Kiosk im Fußgängertunnel des Salzburger Mönchsbergs benannt hat. Meister der Magazine ist er weniger als leidenschaftlicher Literaturliebhaber.
„Wo geht’s hier zur Münzgasse?“ fragt eine Touristin unvermittelt. „Guten Tag, Madame“, erwidert Zarinfard Mehdi und wartet, bis sein Gruß erwidert wird. Erst dann zeigt er der Frau den gewünschten Weg. „Die Menschen sind so gestresst. Sie haben oft nicht einmal Zeit für ein ‚Hallo‘, ‚Bitte‘ oder ‚Danke‘.“
Musik wie ein Wasserfall
Am 1. März 2010 hat er den Kiosk an der Kreuzung der Fußgängertunnels im Mönchsberg übernommen. „Einen Tag vorher kam ich zum Putzen her und habe plötzlich begriffen, dass ich hier ohne Musik krank werde.“ Daraufhin ging er nach Hause, holte seine Stereoanlage und schickt seither Musik durch die Dunkelheit, traurige Celloklängestücke von Bach und Stücke von Chopin beispielsweise, „die klingen wie ein Wasserfall.“
Persischer Poet
Bis zu 15 Stunden täglich lässt sich Mehdi von Menschen mitreißen, von ihren Geschichten und Gesichtern. Doch die Arbeit beginnt für ihn erst danach. „Zuhause lese und schreibe ich, denke nach, was der Tag gebracht hat“, erzählt er. Seine Gedichte, die er auf Persisch schreibt, sind poetisch und voller Klarheit, doch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Aus seinen Vorbildern macht er kein Geheimnis. Ihre Bilder hängen hinter Glas: Albert Camus, Franz Kafka, Erich Fried. Einer ist in der Mini-Galerie jedoch nicht vertreten: Sadeq Hedayat. Sein Kurzroman „Die blinde Eule“ hat dem Kiosk seinen Namen gegeben. „Er war der persische Kafka, und wer in Persien zeigen will, dass er gebildet ist, spricht von diesem Buch.“
Drei bis vier Bücher wöchentlich
Zarinfard Mehdi selbst hat nur vier Jahre eine Schule besucht, schon mit sechs Jahren gearbeitet. „Ich bin als alter Mensch auf die Welt gekommen“, sagt er und bedauert, dass er keinen Lehrmeister fürs Leben hatte. Drei bis vier Bücher liest er in der Woche, früher waren es viel mehr. Unzählige Male hat er Camus‘ „Mythos des Sisyphus“ gelesen, „Der Fall“ ist ihm ebenso lieb. Mit den Celebrities, die während der Festspielzeit an seinem Kiosk vorbei flanieren, kennt er sich weniger aus. Und trotzdem musste er weinen, als ein Prominenter ihm versicherte, dass er zur Stadt gehöre: „Als ich ihm sagte, dass es schön wäre, zu einem Menschen statt zu seiner Stadt zu gehören, hat ihn das genauso traurig gemacht.“
Wer in dem kleinen Glaskobel einen geschäftstüchtigen Kaufmann erwartet, liegt vollkommen falsch. Er findet einen Philosophen, der keine Pflichten, nur Aufgaben hat. Er findet einen 90jährigen Mann und ein vierjähriges Kind in einer Person. Und er findet einen Gesprächspartner, der allen Menschen mit Höflichkeit und Humor begegnet und sie ein Stückchen heiterer ziehen lässt.