Während sich mancherorts ab Mitte November wahre Krampus-Spektakel abspielen, herrscht im Raurisertal vorweihnachtliche Idylle. Kurz unterbrochen wird diese nur am 5. Dezember. Dann, wenn sich Dutzende Rauriser Toifin am Marktplatz versammeln und mit dem Nikolaus von Haus zu Haus ziehen, durchdringt ohrenbetäubendes Schellenläuten die dunkle Nacht. Und wir werden Zeugen eines Brauchs, der im Wandel der Zeit noch traditionell geblieben ist.
Das Böse auskehren
Seine Ursprünge findet der Brauch vermutlich in der Blütezeit des Goldbergbaus im 16. Jahrhundert. Damals versammelten sich die Perchten bei Landsteg, dem heutigen südlichen Ausgang der Kitzlochklamm am Beginn des Raurisertals, und zogen von dort in die verschiedenen Ortschaften. Mit ihren Ruten kehrten sie das Böse aus und vertrieben Geister und dunkle Gestalten. Zwölf Perchten an der Zahl sollten es sein. Doch es kam vor, dass sich noch eine weitere Percht unter die Menge mischte. Aus Furcht, dabei könnte es sich um den Leibhaftigen höchstpersönlich handeln, wurde der Überzählige kurzerhand erschlagen und begraben. Von diesen Begebenheiten zeugt heute noch ein schweres Steinkreuz an der Einfahrt ins Raurisertal, das bereits im Jahre 1553 errichtet wurde.
Keine Show – und trotzdem faszinierend
Ganz so brutal geht es heute glücklicherweise nicht mehr zu, aber trotzdem stellt sich ein Gänsehaut-Gefühl ein, wenn sich die brüllenden Rauriser Toifin auf den Weg machen. Kein Wunder, denn meist sind es zwischen 50 und 70 Toifin, die den Nikolaus samt Engerl und Einspeiber begleiten. Leuchtende Augen, teuflische Fratzen mit beweglichen Mäulern und feurige Krampusshows? Die sind in Rauris tabu. Hier wird ein Brauch gelebt, der ganz ohne moderne Showeinlage auskommt und gerade deshalb sehenswert ist. Dafür halten sich die Rauriser Markt-Toifin auch an Auflagen: Das Mindestalter liegt bei 18 Jahren und die Hausbesuche beschränken sich ausschließlich auf den 5. und 6. Dezember. Und auch die Aufmachung des Toifkopfs unterliegt eigenen Rauriser Gesetzen.
Der Rauriser Toifikopf: Nur echt mit drei Farben und Stoffzunge
Schwarz, weiß und rot – diese drei Farben sind am Toifikopf erlaubt. Dort befindet sich auch das besondere Merkmal der Rauriser „Loavn“ (Larve/Maske): die rote Stoffzunge. In ihrer Form unterscheidet sich die Rauriser Loavn ebenfalls von anderen: Weder filigrane Gesichtszüge noch spitzige Formen, ähnlich einer Hexenmaske, sind hier zu finden, die Schnitzkunst besteht hier in einer eher groben Ausfertigung. Die Hörner stammen von Ziegenbock, Widder oder Kuh und bei den Rauriser Toifin sind nur Schafsfell-Mäntel, aber keine Hosen gestattet. Um den Bauch werden schwere Schellen oder Glocken geschnallt, in der Hand wartet die Birkenrute darauf, nicht ganz so artige Menschen zu bestrafen.
Der Einspeiber kündigt den Besuch an
„Hiatz san ma do, de Toifin und da Nikolo …“ (Jetzt sind wir da, die Krampusse und der Nikolaus.) Diese Worte stammen vom Einspeiber, auch Vortoifi genannt, den es nur in Rauris zu sehen gibt. Der gänzlich in Rot gekleidete Toifi stürmt die Stube und fragt beim Hausherrn an, ob ihm Nikolaus und Krampus einen Besuch abstatten dürfen.
Wer die Rauriser Toifin hautnah erleben möchte, der hat am 5. Dezember um 19:30 Uhr am Rauriser Marktplatz die Möglichkeit dazu.
Fotos: © TVB Rauris / Fotograf Florian Bachmeier
Perchtenkreuz: Regina Langreiter