„Hallo, Michi Reisecker. Ich bin Dokumentarfilmer und auf der Suche nach interessanten Menschen.“ So oder ähnlich beginnen die meisten Begegnungen in der ORF-Doku-Reihe ‚Reiseckers Reisen‘. Besagter Filmemacher fährt seit einigen Jahres durchs Land, stöbert Menschen auf, die etwas abseits der Normalität, des Mainstreams leben und blickt für ein paar Minuten mit seiner Brillenkamera in deren Leben. Einfühlsam, nicht wertend sondern meist staunend, oft fasziniert und immer echt und authentisch. Wie er dabei vorgeht, warum auch das SalzburgerLand immer wieder auf seiner Reiseliste steht und was für ihn das Besondere an den Menschen hier ist, hat er dem SalzburgerLand Magazin bei einem gemütlichen Frühstück erzählt.
Was muss im Leben alles nicht stimmen, dass man sein bisheriges Leben einfach abbricht, sich eine Brillenkamera kauft und fortan durch Österreich fährt um interessante, außergewöhnliche Leute zu treffen?
Gute Frage. Ich würde sagen so einiges muss da nicht stimmen. Wenn man Sicherheit aufgibt muss glaube ich immer so einiges nicht stimmen im Leben. Nach meiner Mechaniker Lehre, dann Abendschule, Studium der Material- und Verarbeitungstechnik und schließlich einem tollen, gut bezahlten Job in der Kunststoffbranche habe ich mich gefühlt wie im goldenen Käfig. Obwohl wirklich alles sehr gut gepasst hat. Forschung, spannende Aufgabe, internationale Kollegen. Trotzdem schlich sich sehr bald die Frage nach dem Sinn des Ganzen ein. Kann das jetzt schon alles sein? Sicher nicht, also hab ich den Job gekündigt und wollte in St. Johann im Pongau Skilehrer werden. Vor der ersten Saison habe ich noch ein paar Monate Zeit gehabt und in diesen wollte ich mir endlich Österreich ansehen. Weil ich bis dahin schon viel von der Welt gesehen habe, meine Heimat bis dahin aber eigentlich noch ein blinder Fleck war. Die Reise war sicherlich eine Suche nach dem Sinn. Über Google hab ich dann eine Brillenkamera gefunden und schließlich auch gekauft. Damals noch analog.
So ging’s los mit Reiseckers Reisen?
Eigentlich schon. Ich habe dann 2009 einen alten Bus gekauft, diesen im Elternhaus um- und sogar eine Couch ein-gebaut und dann ging’s auf meine erste Reise. Gegen den Urzeigersinn rund um Österreich. Hab dann 60 Leute getroffen und Unmengen an Material mit nach Hause gebracht. Detail am Rande: schon damals bin ich durch das Waldstück im Vorspann gefahren und auf den ersten Aufnahmen ist auch schon damals unsere Titelmusik von den Sportfreunden Stiller zu hören. Es hat sich einfach alles so ergeben wie man sieht. Dann kam die erste Skilehrersaison, aber im Hinterkopf habe ich mir immer gedacht, dass man mit diesem Material mehr machen sollte. Also habe ich mir die Basics des Videoschnitts gelernt, meine erste Doku zusammengestellt und habe diese an die Geyrhalter-Filmproduktion geschickt. Noch heute wird Reiseckers Reisen hier produziert. Eine Einladung nach Wien folgte und der Rest ist Geschichte. Heute läuft die Sendung am ORF in der Dienstag Nacht und ich bin schon jetzt wieder für die Staffel 2017 unterwegs. Es gab nie einen Plan, niemals auch nur den Funken einer Erwartungshaltung. Man braucht natürlich immer Glück, wenn man Außergeöhnliches machen möchte. Man muss es aber auch TUN. Genau dieses Tun findet man auch bei vielen Reisecker-Personen.
Kann man auch sagen, dass die Sendung und die Reisen zu beginn nicht nur Suche nach besonderen Menschen war, sondern auch die Suche nach dem Michael Reisecker selbst?
Ganz sicher. Ich war nicht glücklich mit meinem alten Leben, also habe ich ein neues gesucht. Und gefunden. Die Suche nach zufriedenen Menschen, weil ich es damals einfach noch nicht war.
Wie sind denn die Menschen, die in deiner Sendung auftauchen? Was macht einen Menschen ‚außergewöhnlich’?
Ich denke, dass man das gar nicht so pauschal sagen kann, weil jeder Mensch seine außergewöhnlichen Seiten hat. Es kommt ja auch immer darauf an, wie sehr sich meine Gesprächspartner mir gegenüber öffnen. Mir kann der spannendste gegenübersitzen, wenn er mir seine Geschichte nicht erzählt, werden wir, bzw. ich, es nie erfahren. Ich denke, dass das gegenseitige Vertrauensspiel passen muss. Wenn ich es schaffe, dass sich die Menschen wertgeschätzt fühlen, dann kommen erst die ganz spannenden Geschichten. Viele Formate zeigen Promis, ich will den normalen Menschen eine Bühne geben.
Du warst im Pongau unterwegs. Wie kann man sich so eine Woche vorstellen
Pongau hab ich schon seit zwei Jahren auf dem Radar. Da war ich Skilehrer und hier wollte ich bei viel Schnee im Winter zurückkehren. Angefangen hab ich dann in Werfen, bin ein bisschen durch den Ort gefahren und habe angefangen, mich in die Region reiszuspüren. Dann frag ich ein paar ältere Damen, die kennen meistens jeden im Ort, schaue in Supermärkte, Tankstellen oder Gasthäuser und schön langsam bekomme ich dann ein Bild. Und vielleicht schon ein paar Namen. Dann ging’s weiter nach Werfen, Filzmoos, Radstadt und nach und nach ergibt sich dann die Sendung. Wichtig ist mir, dass ich eine Region geografisch schon ziemlich abdecke und nicht nur ein bisschen ankratze. Ja und nach ca. 5 Tagen, unzähligen Gesprächen und einem Sack voll guter Geschichten reise ich dann wieder ab.
Wie siehts du denn die Menschen im SalzburgerLand? Jetzt warst du ja doch schon fast überall. Stadt, Lungau, Pinzgau, Pongau und jetzt auch im Seeland.
Eine wahnsinnige Grundsympathie der Menschen. Das Gemütliche ist schon sehr weit verbreitet. Und trotzdem gibt es wahnsinnig viele Menschen mit außergewöhnlichen Geschichten. Künstler im Verborgenen. Unfassbar. Mir liegt das Salzburgerische einfach, vor allem der Lungau war ein Wahnsinn damals. Das SalzburgerLand ist einfach echt.
Aber eben auch das Salzburger Seeland, das ich für die 2019-2020-Staffel besucht habe. So viele nette, außergewöhnliche Menschen, die mich gleich ein Stück weit auf ihrem Weg mitgehen haben lassen. Mir Zwetschen und Einblick in ihr Leben geschenkt haben. Hans Weyringer in seine Kunst und seinen Glauben, Toni in seine Leidenschaft für das Segeln und das Tanzen und Maria in ihr energetisches Lebensbild.
Wie lautet der Titel des nächsten Kapitels für Reiseckers Reisen? Was soll die Zukunft bringen?
Nach ersten Versuchen in Lignano werde ich endlich mehr im Ausland unterwegs sein. Mal sehen, wie oft und wo das sein wird, aber in diese Richtung geht es bestimmt. Kroatien, Deutschland, vielleicht wieder einmal USA? Ich möchte Österreich sicherlich nicht verlassen, weil es mir immer noch Spaß macht, hier unterwegs zu sein. Aber warum nicht auch einmal über die Grenzen blicken. Über den Tellerrand.