Wie sehr eine Stadt doch ihr Gesicht verändert, sobald die Nacht über sie hereinbricht. Hier, wo sich tagsüber Menschen tummeln und ihren alltäglichen Geschäften nachgehen – lachen, plauschen, vorübereilen – herrscht jetzt gruselige Stille. Die Gassen sind wie leergefegt, unheimlicher Nebel zieht langsam seine Schwaden über die sonst so lebendigen Plätze. Nur ich bin hier. Auf einer sehr speziellen Mission, denn heute will ich die Stadt Salzburg einmal von einer ganz anderen Seite kennen lernen: von ihrer dunklen, düsteren, unheimlichen, ja fast morbiden Seite. Zu finden gibt es Vieles. Nehmen Sie all Ihren Mut zusammen und kommen Sie mit mir auf diese nächtliche Runde durch die Mozartstadt.
Vor nicht allzu langer Zeit stolperte ich über das Zitat eines zeitgenössischen Autors, Manfred Koch ist sein Name, in dem er über Salzburg sagt: „Die Wucht des Barock konfrontiert uns auf Schritt und Tritt mit dem Tod. Es ist eine ungeheuer morbide Stadt. Was an Leben stattfindet, ist gemacht, mühsam künstlich inszeniert.“ Natürlich steckt jede Menge Sarkasmus und spitze Feder hinter dieser Aussage, trotzdem bliebt es mir in Erinnerung, nein mehr noch, es inspirierte mich, einmal einen anderen Blick auf diese, meine Stadt zu werfen. Gibt es eine dunkle Seite, unheimliche Plätze und nicht ganz so schöne historische Episoden? Jetzt, wo ich im Dunklen unterwegs bin, auch schon einen leisen Anflug von Gänsehaut und kaltem Angstschweiß auf meinem Nacken spüre, heißt die Antwort auf diese Frage wohl eindeutig: Oh ja, die gibt es!
Unser Weg führt uns zuerst in den Petersfriedhof. An sich ein Ort der Ruhe, der Schönheit und des Friedens, an dem man trotzdem so manch Verstörendes findet. Wie das Grab der 7 Kreuze. Der Legende nach liegt hier ein Serienmörder begraben, der seine vielen Ehefrauen zu Tode gekitzelt haben soll. Jedes Kreuz steht für eines seiner Opfer. Etwas erhöht des Weges, liegt ein weiteres Grab, das meine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Umrandet von einem Eisenzaun, steht hier die weiß gewandete Statue eines Mädchens, das sehnsüchtig in die Ferne blickt. Welche Geschichte sich hinter dieser befindet, konnte ich leider nicht herausfinden, doch die Kombination Statue, Friedhof und Nebel war mir dann doch schnell zu viel und ich mache mich eilig auf den Weg zum Dom.
Die leere Hülle
Jedes Mal, wenn ich vom Dom- auf den Kapitelplatz spaziere, fällt mir eine Statue auf, die außerhalb des Gotteshauses sitzt und die ich schlicht und ergreifend zum Gruseln finde. Auch am Tag und bei regem Treiben! „Die Pieta“ heißt sie, stammt aus der Werkstatt der Anna Chromy und stellt einen inhaltslosen Mantel samt Kapuze dar. Die leere Hülle soll ein Sinnbild dessen sein, was den Menschen nach seinem Tod überlebt. Einfach unheimlich! Schnell weiter…
Haben Sie schon einmal den Zwergerlgarten im Mirabellgarten besucht. Nein, nein, ich spreche hier nicht von ein paar netten Zwergenstatuen, die freundlich lachend in einem Grüppchen zusammenstehen. Diese hier sind von einem ganz anderen Schlag, sind übel gelaunt und erwarten die Besucher mit grimmigen Fratzen. Die barocken Steinskulpturen wurden im 17. Jahrhundert erstmals aufgestellt, dann später von Ludwig dem Ersten ob ihrer Hässlichkeit in alle Himmelsrichtungen verkauft und fanden erst nach dem Ersten Weltkrieg ihren Weg zurück nach Salzburg. Zartbeseitete sollten vor allem im Dunkeln einen weiten Bogen um die Gesellen machen. Was genau die Gesellen so übel verstört haben mag, kann man heute leider nicht mehr sagen, bei meinem nächtlichen Besuch konnte ich mich jedoch davon überzeugen, dass die üble Laune auch nach mittlerweile fast 300 Jahren nicht verflogen ist.
Die Statue des einen wahren Herrschers
Unweit des Mirabellgartens, ebenfalls auf der Neustadtseite der Salzach, findet man den Friedhof St. Sebastian. Ohne Zweifel ist dies einer der dunkelsten Orte der Stadt und ich kenne niemanden, den dieser kalt lassen würde. Auf Schritt und Tritt wird man hier mit dem Tod und der Vergänglichkeit konfrontiert, Totenköpfe und weinende Engel säumen die Gräber und Wege und sogar der Sensenmann selber wird hier mit abgelaufenen Eieruhr als lebensgroße Statue personifiziert dargestellt. Als wahrer und einziger Herrscher auf diese Welt schreitet er über die Häupter von Kaisern und Königen, ja sogar Päpsten hinweg und nimmt sich, was ihm zusteht.
Da meine Zeit offensichtlich noch nicht abgelaufen ist, verlasse ich den Friedhof wieder und spaziere über die Linzergasse zurück zum Fluss. Vor mir zieht der Nebel um die Festung und lässt sie im fahlen Licht fast unwirklich erscheinen. Dort oben soll viele Jahre lang die „Weiße Frau“ nachts ihr Unwesen getrieben und die Stadtbewohner in Angst und Schrecken versetzt haben. Besonders in hellen Mondnächten, vor schicksalsschweren Tagen, wanderte sie schwebend durch die endlosen Gänge der Burg. Einmal wollte ein mutiger Soldat nach der Erscheinung greifen, doch er fasste nur in ‚leere‘ Luft und fiel ungebremst zu Boden. Schluss mit dem Spuk war erst, als man die alten Gemäuer rund um die Uhr durch Scheinwerfer in helles Licht tauchte. Wer die ‚Weiße Frau‘ in Wirklichkeit war und ob sie den Menschen gut oder schlecht gesonnen war, kann man heute wohl nicht mehr sagen.
So wie diese Legende der Stadt ein glückliches Ende fand, geht nun auch meine Reise durch die dunklen Orte der Stadt zu Ende. Ich hoffe Sie haben an dieser nächtlichen Tour durch Salzburg ebenso viel Freude wie ich. Oder haben Sie gar Blut geleckt und wollen noch mehr dieser dunklen Orte kennen lernen? Dann nehmen Sie doch einmal an einer gruseligen Stadtführung teil. Infos dazu finden Sie hier. Viel Vergnügen und gute Nacht!
©alle Bilder: Peter Zeitlhofer/n8musik