Das Gasteinertal bietet Traumbedingungen für Skifahrer. Voll auf ihre Kosten kommen natürlich auch die Variantenfahrer, denn herrliche Tiefschneeabfahrten lassen hier jedes Freeriderherz höher schlagen. Ultimativer Powderspaß setzt aber auch risikobewusstes Verhalten voraus. Damit ein Bergrettungseinsatz und Lebensgefahr nicht zur Kehrseite des Pulverglücks wird…
Es ist der 31.Dezember, Silvesternachmittag. Den ganzen Tag hat es im Gasteinertal massiv geschneit. Am Nachmittag kommt noch starker Nordwest-Wind dazu und in kürzester Zeit entstehen enorme Schneeverfrachtungen. Die örtliche Lawinenwarnkommission erlässt Lawinenwarnstufe 3; das bedeutet erhebliche Lawinengefahr!
Zwei dänische Jugendliche, die während der Wintersaison in einer Diskothek in Bad Gastein jobben und völlig ortsunkundig sind, nehmen am späten Nachmittag die Nordabfahrt vom Kreuzkogel, eine Variantenabfahrt abseits der Pisten. Dies obwohl blinkende gelbe Lawinenleuchten vor dem Befahren warnen.
Die beiden 19 und 21-jährigen Männer sind ohne Notfallausrüstung (LVS-Gerät, Sonde, Schaufel) unterwegs. Wahrscheinlich aufgrund der schlechten Bedingungen – es herrscht starker Schneefall und es ist nebelig – verirren sich die beiden Dänen und fahren statt nach links abzubiegen, nach rechts Richtung Höhkar weiter.
„Die Burschen haben schnell erkannt, dass sie falsch dran sind“, schildert der Ortsstellenleiter der Bergrettung Bad Gastein, Roland Pfund. Doch sie hatten mit ihren Freeride-Skiern keine Möglichkeit mehr raufzukommen und beim Versuch die Skier abzuschnallen, versanken sie bis zum Bauch im Schnee. „Die Dänen trafen jedoch eine noch fatalere Entscheidung in dieser prekären Situation“, erzählt Roland Pfund, „sie beschlossen, noch weiter runterzufahren“.
Enorme Eisfälle im Höhkar
Was die ortsunkundigen Dänen jedoch nicht wussten: Das Höhkar endet in einem Kessel – mit Wandabbrüche bis zu 300m Höhe. Hier befinden sich einige der schönsten Eiskletterrouten Gasteins.
„Die Burschen fuhren so weit, bis sie vor den Wandabbrüchen im Eis standen und nichts mehr ging – weder vor noch zurück“. Die Notrufnummer der Bergrettung (140) kannten die beiden jungen Männer nicht, doch sie hatten wenigstens die Telefonnummer ihres Arbeitgebers in Bad Gastein eingespeichert. Total verängstigt informierten sie ihn über ihre Situation. Links und rechts von ihnen gingen immer wieder kleine Lawinenrutschen ab.
„Leider konnten die beiden auch nicht ungefähr sagen, wo sie gelandet waren. Wir fuhren gemeinsam mit der vom Arbeitgeber alarmierten Alpinpolizei ins Anlauftal und schalteten das Blaulicht ein, bis uns die Burschen endlich sahen“, so der Bergrettungschef Pfund und ergänzt: „Bis wir jedoch wussten, wo sie genau waren, war es natürlich schon stockfinster“.
Steigende Lawinengefahr
Der Einsatzleiter der Bergrettung schickt einen Trupp seiner erfahrensten Bergretter über den Kreuzkogel ins Einsatzgebiet. „Der Trupp ist den Spuren der beiden Variantenfahrer nachgefahren, doch das Schneetreiben mitsamt Verfrachtungen wurde immer massiver und schließlich mussten unsere Leute aufgrund der hohen Lawinengefahr aufgeben“.
Ein weiterer Trupp von Bergrettern versucht den Aufstieg mit Eisausrüstung von unten: „Unter der Leitung von unserem erfahrenen Eiskletterer und Bergführer Sepp Inhöger stieg der Trupp durchs Eis. Dabei gingen immer wieder kleinere Lawinen ab. Plötzlich wurden zwei unserer Leute kurzfristig bis zur Brust verschüttet“. Der Einsatzleiter alarmiert die nächstgelegene Bergrettungs-Ortsstelle Bad Hofgastein mit: „Es war einfach so lawinengefährlich. Wir hatten auch drei Bergrettungshunde-Teams in nächster Einsatzbereitschaft“. Der Truppe gelang es, sich aus den Schneemassen zu befreien und schließlich zu den Dänen vorzustoßen.
Zu dieser Zeit war es etwa 22 Uhr. „Wir versuchten mit den beiden Burschen durch den vereisten Höhkarsteig runterzukommen. Doch auch das war wieder einfach zu gefährlich für unsere Leute, es gingen immer wieder kleine Lawinen-Rutschen ab. Deshalb haben wir uns dazu entschieden, einen nach den anderen über 200m Höhe – über den sogenannten Federweis-Eiskletterfall – runter abzuseilen, was uns in dieser Situation mit weniger Risiko verbunden erschien“.
Es war schließlich fast 24 Uhr in dieser Silvesternacht, als alle wieder unversehrt im Tal angelangten. „Punkt 24 Uhr haben wir alle in unserem Bergrettungsheim auf ein gutes neues Jahr angestoßen“, erinnert sich Roland Pfund.
Was Pfund unbedingt noch ergänzen möchte, ist, dass die Menschen immer bedenken sollten, „dass es einige Zeit braucht, bis wir vor Ort sind. Unsere Leute arbeiten alle und müssen zumeist erst ihre Arbeitsstellen verlassen, aufsteigen und das dauert einfach, bis die Bergrettung vor Ort ist“.
Besonders im Höhkar hatten die Bad Gasteiner Bergretter in den vergangenen Jahren viele Einsätze für verirrte Variantenfahrer: „Viele sind einfach irgendwelchen Spuren nachgefahren und letztlich im Höhkar gelandet. Deshalb haben wir dann schließlich Warntafeln aufgestellt. Jetzt ist es etwas ruhiger geworden – mit den Einsätzen in diesem Gebiet„.
Einige Tipps der Bergrettung zum Thema Risiko-Reduktion
Diese beginnt nicht erst beim Verlassen des gesicherten Skiraums, sondern bereits zu Hause. Durch das sorgfältige Lesen des aktuellen Lawinen-Lageberichtes kann man bereits die ersten Schlüsse ziehen: Was ist heute grundsätzlich verantwortlich und was nicht? Klaus Wagenbichler, Saalfeldener Bergführer und Landesleiter Stv. der Salzburger Bergrettung empfiehlt: „Die richtige Auswahl der Route ist Grundvoraussetzung für Genuss. Fragen Sie Bekannte, Einheimische oder Quartiergeber, die die Gegend gut kennen. Schauen Sie auch auf einer Karte nach, da können Sie das Gelände in Übersicht kennenlernen“.
Nur wer absolut orts- und lawinenkundig sowie gut ausgerüstet ist, sollte gesicherte Pisten verlassen
Unsere weißen und unverspurten Hänge lassen jedes Skifahrerherz vor Freude frohlocken. Aber beachten Sie, dass Schnee durch wechselnde Wetter- und Temperaturbedingungen seine Konsistenz verändert. Deshalb immer eine Notfallausrüstung – bestehend aus LVS (Lawinenverschütteten-Gerät), eine Lawinenschaufel, eine Lawinensonde und eine Erste-Hilfe-Ausrüstung samt Biwacksack und Mobilfunk – mitführen.
Spaß und Freude am Freeriden haben im SalzburgerLand ohnehin die meisten, da unzählige unverspurte Hänge und weißer Tiefschnee locken. Spezielle Adrenalinkicks braucht es zum Powdern im freien Gelände nicht, da die vielen traumhaften Tiefschneeabfahrten auch so die Herzen der – gut ausgerüsteten – Freerider höher schlagen lassen.
Linktipps:
Alpine Sicherheit
Bergrettung Salzburg
Salzburger Lawinenwarndienst
Fotos: Maria Riedler, Sepp Schiefer Bergrettung und Bergrettung Bad Gastein