Bei unserem Besuch gibt Rudi Obauer nicht nur Einblicke in sein Kochbuch „Total Obauer!“, das die höchste Auszeichnung, den „Gourmand World Cookbook Award 2023“ in der Kategorie „Best Chef Book in the World“, erhalten hat., sondern philosophiert auch über seine Leidenschaft fürs Kochen und die großartige Küche des SalzburgerLandes.
Ruhig und idyllisch ist es auf dem alten Bauernhof von Angelika und Rudi Obauer im Gemeindegebiet von Bischofshofen. Die sonnige Lage hoch über dem Salzachtal bietet einen unglaublichen Weitblick vom Tennengebirge über das Hochkönigmassiv bis zu den schneebedeckten Gipfeln der Hohen Tauern. Kulinarischen Weitblick bewiesen die Brüder Karl und Rudi Obauer schon vor vierzig Jahren, als sie mitten im Markt in Werfen das familiengeführte Gourmet-Restaurant Obauer etablierten und die kulinarische Destination SalzburgerLand um einige Hauben reicher machten.
Als Köche des Jahrzehnts, unter den „Word´s best Restaurants“ und auf „La Liste“ gelistet, mit fünf Gault Millau Hauben (seit 1995 durchgehend!) und 99 von 100 Falstaff-Punkten sind nur einige der vielen internationalen Auszeichnungen der Obauers erwähnt. In Restaurant und Hotel werkeln heute zwei Generationen Obauer mit mehr als zwei Dutzend teils langjährigen Mitarbeitern. Und trotz ihres internationalen Erfolgs sehen sich die hochdekorierten Brüder mehr als Handwerker, denn als Künstler und präsentieren sich durchwegs bodenständig und traditionsbewusst. Wir sitzen auf der sonnigen Terrasse des Bauernhofs entspannt bei einer feinen Jause mit Lungauer Tauernroggenbrot, Kalbszunge, mariniertem Babyspinat und Roter Rübe. Einfach, aber unglaublich gut. Deutsch-Kurzhaar Rüde Quirin döst im Gras und auf der Almweide unter uns blöken die Schafe. Der Spitzenkoch wirkt geerdet und entspannt, krault Quirin hinter den Ohren während er über regionale Produzenten, den Ur-Beruf Koch oder seine eigenen Kräuter-Expeditionen erzählt.
Kulinarische Integration
Die Philosophie der Brüder Karl und Rudi Obauer ist seit vierzig Jahren in Stein gemeißelt: Regionale Zutaten von ausgewählten Produzenten, traditionelle Gerichte aber gerne mit exotischem Twist. Rudi Obauer erklärt: „Mit unserer ,Küche des Marktes‘ kochen wir, was die Saison gerade hergibt. Wir legen viel Wert auf Tradition und kochen regional – aber wir sind deswegen keine kulinarischen Weltverweigerer. Ich geh selbst raus und sammle meine Kräuter, viele Zutaten kommen von den Bauern, Fischern und Jägern rundum. Doch wir greifen auch zu Zutaten wie Hummer, Oliven, Kokosmilch oder Avocado – und das darf in der modernen Tradition durchaus sein. Alte Rezepte dürfen behutsam renoviert werden. Wir nennen es kulinarische Integration.“ Auch die ganzheitliche Verwertung der Produkte – momentan trendig „Nose to tail“ genannt – gehörte immer schon zur Obauer-Philosophie. Rudi Obauer lacht: „Wir machen das bereits seit vier Jahrzehnten, nennen es aber nicht ,Nose to tail‘. Rind, Schwein, Fisch, Reh oder Hirsch sind wertvolle Lebensmittel – und nicht nur deren Edelteile. Mit handwerklichem Geschick und dem nötigen Wissen kann das ganze Tier verwertet werden. Ein guter Koch wirft nichts weg, sondern wird kreativ. Und unsere Kreativität fängt dort an, wo andere aufhören. Der Ur-Beruf des Kochs spiegelt die Fähigkeit aus dem Wenigsten das Beste zu machen.“
Küche mit Bodenhaftung
In den mehr als vierzig Jahren, seitdem die Obauers das Restaurant im Markt in Werfen eröffnet haben, sind viele Küchentrends ins Land gezogen. Rudi Obauer erinnert sich: „Auch wir blieben davon nicht unberührt. Wir haben aufgenommen, was für unsere Art des Kochens sinnvoll und nützlich ist. Doch bei aller Freude an kreativer Arbeit war uns stets ein ordentliches Maß an Bodenhaftung wichtig.“ So finden sich im Kochbuch „Total Obauer!“ 150 Gerichte, die die Obauers gern und immer wieder kochen. Einer ihrer Grundsätze dabei ist, dass gute Küche nichts mit dem Preis der Zutaten zu tun hat, wie Rudi Obauer betont: „Der Herrenpilz aus dem Wald vor der Tür ist mir genauso wertvoll wie schwarzer oder weißer Trüffel. Die meisten Zutaten für unsere Gerichte kommen aus unserer Region. In dem Buch lassen wir den Lungauer Eachtling-Bauern und die Bäckerin des Taurernroggen-Brots hochleben. Die Milchprodukte der Mitterfeldalm in Mühlbach am Hochkönig, die Hühner-Raritäten der Familie Weißenbacher vom Unterkrispl-Gut bei Krispl-Gaißau, Walter Grülls Krustentiere und Muscheln und viele andere unserer Produzenten, die wir alle persönlich kennen und seit vielen Jahren schätzen. Durch den regionalen Bezug und die Nähe zu unseren Genusshandwerkern ist höchste Qualität und Frische gesichert – und nebenbei sparen wir Unmengen an Verpackung.“
Kräuterexpeditionen
Ein ganzes Kapitel in Kochbuch „Total Obauer“ ist der vegetarischen Küche gewidmet. Der Spitzenkoch meint: „Wenn man Fisch und Fleisch weglässt, muss das keinen Verzicht bedeuten. Auch hier kommt es nur darauf an, was man aus den Gaben der Äcker, Beete, Wiesen und Wälder macht. Ein Koch muss ganzheitlich kochen können und alles im Repertoire haben – für Fleischliebhaber und Veganer, von der Knolle bis zu den Koteletts, vom Leinöl bis zur Kokosbutter.“ Es ist Zeit zum Aufbruch, denn Rudi Obauer zieht es hinaus auf die blühenden Almen seines Hausbergs. Er startet die Vespa, winkt zum Abschied und rollt vom Hof auf der Suche nach frischen Brennnesselspitzen, Quendel, Brunnenkresse – aber auch Pilzen, Beeren oder Flechten. Ja, auch Flechten kommen in der Küche der Obauers zum Einsatz – gekocht und frittiert als Beilage oder Brotbelag oder als fruchtiger Heidelbeer-Flechten-Sirup.